Corona
Gesundheitspolitische Positionen zur Bundestagswahl 2021
Aus der Pandemie lernen
- Die Zahnmedizin ist wesentlicher Teil der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung. Bei Hilfen und Unterstützung bedarf es einer Gleichbehandlung von Ärzte- und Zahnärzteschaft.
- Die Versorgung der Praxen, z. B. mit Schutzausrüstung, muss durch die Schaffung von Reserven und die Unterstützung der Produktion in Deutschland und Europa sichergestellt werden.
- Die Zahnärzteschaft besitzt eine hohe Hygiene- und medizinische Expertise. Diese sollte in zukünftigen gesundheitlichen Krisensituationen genutzt werden.
Worum es geht
Die Corona-Krise ist für alle eine Belastung und Herausforderung. Auch die Zahnärztinnen und Zahnärzte spüren die wirtschaftlichen Folgen der Krise. Hinzu kommt die Sorge vor Infektionen und die Beunruhigung der Patientinnen und Patienten. Zugute kommt den Zahnärztinnen und Zahnärzten ihre besondere Hygiene-Expertise, die sie bereits vor der Pandemie aufbauen konnten. Das Infektionsgeschehen im Umfeld von Zahnarztpraxen ist entsprechend niedrig geblieben. Patientinnen und Patienten vertrauen den Zahnärztinnen und Zahnärzten wie keinem anderen Gesundheitsberuf. Gleichwohl müssen aus der Pandemie die richtigen Schlüsse gezogen werden. Das gilt insbesondere für die Versorgung mit medizinischer Schutzausrüstung, die Abfederung der wirtschaftlichen Folgen und die Einstufung des Zahnarztberufs als systemrelevant.
Zahnärztinnen, Zahnärzte und Praxispersonal als systemrelevante Berufe anerkennen
Welche Berufe als systemrelevant eingestuft werden, ist Ländersache und nicht alle Bundesländer haben zu Pandemiebeginn Zahnärztinnen, Zahnärzte und Praxispersonal als systemrelevant eingestuft. Dies ist für uns nur schwer nachvollziehbar und nicht akzeptabel. Die Mehrheit der Zahnärztinnen und Zahnärzte ist selbstständig, die meisten sind auch Arbeitgeber. Sie haben einen Versorgungsauftrag und tragen Verantwortung für die Gesundheit ihrer Patientinnen und Patienten, aber auch als Arbeitgeber für Ihre Angestellten. Insofern sollte es selbstverständlich sein, den Zahnarztberuf als systemrelevant einzustufen.
Es wäre auch angemessen gewesen, sie unter den Rettungsschirm zu nehmen, der über die Krankenhäuser und niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte gespannt wurde. Gerade junge Zahnärztinnen und Zahnärzte leiden nach hohen Investitionen in die Praxisgründung unter der Corona-Krise. Die Bruttowertschöpfung in Zahnarztpraxen ist im 1. Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 13,6 Prozent gesunken. Bezieht man die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche wie zum Beispiel Dentalhandwerk und Dentalhandel mit ein, betrug der Rückgang sogar 14,3 Prozent. Zum Vergleich: Insgesamt war im Gesundheitswesen infolge der Corona-Maßnahmen im 1. Halbjahr 2020 ein Wachstum von 2,5 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum zu verzeichnen. Es bleibt daher unverständlich, warum die Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht dieselben Hilfen bekommen haben wie die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte.
Versorgungssicherheit herstellen
Lieferengpässe bei Arzneimitteln, Beschaffungsprobleme bei Schutzausrüstungen vor allem in der Anfangsphase der Pandemie – die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von internationalen Lieferketten ist offensichtlich geworden. Auch in den Zahnarztpraxen spürte man diese Abhängigkeit von funktionierenden globalen Lieferketten. Der gravierende Mangel bei Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln bedeutete für Zahnärztinnen und Zahnärzte, dass sie in der Erbringung ihrer Arbeit zuweilen stark eingeschränkt waren. Die schnelle und ausreichende Verfügbarkeit von Arzneimitteln sowie medizinischer Schutzausrüstung ist in einer Pandemie von strategischer Bedeutung und es ist zu begrüßen, dass jetzt daran gearbeitet wird, in Deutschland und Europa Notreserven aufzubauen. Es geht aber nicht nur um Reserven. Ohne eigene Produktion bleiben Deutschland und die EU in starker Abhängigkeit von der Produktion im außereuropäischen Ausland, von zuverlässigen Lieferketten und der Pandemie-Entwicklung in anderen Staaten. Nur durch den Aufbau von Produktionskapazitäten für Arzneimittel, Medizinprodukte und Impfstoffe in Europa können wir diese Abhängigkeit minimieren. Diese Autonomiebestrebungen bei strategisch relevanten medizinischen Gütern dürfen jedoch nicht zu einem neuen Protektionismus führen. Die deutsche Wirtschaft bleibt auf offene Märkte angewiesen.
Hygiene-Erfahrungen besser nutzen
Auch ein Jahr nach Beginn der Pandemie ist die Hygiene-Disziplin in Deutschland hoch. Eine repräsentative Umfrage der Bundeszahnärztekammer im Februar 2021 ergab, dass 92 Prozent der Deutschen auf die Einhaltung der Hygieneregeln achten, 95 Prozent räumen der Hygiene im Alltag einen hohen Stellenwert ein. Für eine deutliche Mehrheit ist dabei Corona ein wesentlicher Grund: 86 Prozent achten mehr auf Hygiene als vor der Pandemie. Immerhin 76 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass sie die erhöhten Hygienestandards auch beibehalten werden, wenn die Pandemie vorbei ist. Das sind gute Nachrichten.
Die Befragung hat außerdem ergeben, dass das Vertrauen in die Hygiene in Zahnarztpraxen sehr hoch ist. Es lohnt sich also, dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte schon vor der Pandemie einen sehr hohen Hygieneaufwand betrieben haben mit jährlichen Kosten von durchschnittlich 70.000 Euro pro Praxis. Entsprechend niedrig ist das Infektionsgeschehen im Umfeld von Zahnarztpraxen und es war gut, dass mit den privaten Krankenversicherungen sehr schnell und effizient eine Hygienepauschale vereinbart werden konnte, die die zusätzlichen Corona-bedingten Hygienekosten wenigstens teilweise kompensiert.
Die Zahnärztinnen und Zahnärzte stellen ihre Hygiene-Expertise gerne für andere Bereiche bereit. Es gibt zum Beispiel Unterschiede bei der Hygiene-Ausbildung von Zahnmedizinerinnen und Zahnmedizinern und anderen Arztgruppen. Zahnmedizin-Studierenden werden die Grundlagen der Hygiene nicht nur theoretisch vermittelt, sondern sie werden in einer Art Hygiene-Drill zu einem alltäglichen, routinemäßigen Handeln gemacht. Denn Hygiene muss sich im täglichen Umgang und in der (zahn)ärztlichen Praxis bewähren. Von diesen Erfahrungen können auch andere Facharztgruppen lernen.