§ 9 GOZ im Praxislabor

Gewinnanteile


Ausschuss Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer


§ 1 Abs. 3 Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG)

Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.

§ 11 Musterberufsordnung für Zahnärztinnen und Zahnärzte (MBO-Z)

Der Zahnarzt ist berechtigt, im Rahmen seiner Praxis ein zahntechnisches Labor zu betreiben oder sich an einem gemeinschaftlichen zahntechnischen Labor mehrerer Zahnarztpraxen zu beteiligen. Das Zahnarztlabor kann auch in angemessener räumlicher Entfernung zu der Praxis liegen

§ 50 Approbationsordnung für Zahnärzte (ZApprO) (alte Fassung)

Die Prüfung in der Zahnersatzkunde wird von einem Prüfer und in der Regel an zehn Tagen abgehalten. Der Kandidat hat seine theoretischen Kenntnisse über die Planung und Ausführung von Behandlungsmaßnahmen auf dem Gebiet der Zahnersatzkunde nachzuweisen und sowohl herausnehmbaren wie festsitzenden Zahnersatz anzufertigen und einzugliedern.

§ 9 Abs. 1 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)

Neben den für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnet werden, soweit diese Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren abgegolten sind.


I.

Die Berechtigung des Betriebes zahnärztlicher Praxislaboratorien wird interessengebunden und wiederholt in Abrede gestellt.

Die Anfertigung zahntechnischer Arbeiten ist jedoch gemäß § 1Abs. 3 ZHG i.V.m. § 11 MBO-Z und § 50 ZApprO (bis zum Studienbeginn am 01.10.2020 gültig) Bestandteil der Ausbildung und des zahnärztlichen Berufsbildes.

Das bestätigt auch der Bundesgerichtshof:

„Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof schon früher ausgesprochen, dass die zahntechnischen Leistungen der zahnärztlichen Tätigkeit unterzuordnen sind.“  (BGH Az.: I ZR 36/78 vom 14.12.1979)

In der jüngeren Vergangenheit hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages (WD 9-3000-081/19 vom 06.09.2019) in dieser Frage ebenfalls festgestellt:

„Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes, und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen. Damit gehört die Erbringung zahntechnischer Leistungen zum Berufsbild des Zahnarztes.“

Die Änderung der Approbationsordnung zum 01.10.2020 hat erneut Diskussionen zu diesem Thema ausgelöst.  Allerdings wird der Inhalt der zahnärztlichen Ausbildung nicht ausschließlich durch die Approbationsordnung bestimmt, sondern vielmehr auch durch die Studienordnungen der einzelnen Universitäten. Diese weisen nunmehr als Schwerpunkt regelhaft „Dentale Technologien“ aus (beispielhaft: Charité Berlin, § 5 Abs. 2 Studien- und Prüfungsordnung Zahnmedizin vom 17.09.2021). 

Neue Entwicklungen wie CAD/CAM-Verfahren oder auch 3D-Drucker binden zahntechnische Leistungen ohnehin noch stärker an die zahnärztliche Berufstätigkeit, erleichtern sie doch die Anfertigung zahntechnischer Arbeiten durch den Zahnarzt.

II.

Unabhängig davon, ob zahntechnische Leistungen von einem gewerblichen Labor bezogen oder im Praxislabor hergestellt werden, gilt hinsichtlich des Anspruchs auf Auslagenersatz für den Zahnarzt § 9 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ). Demzufolge sind berechnungsfähig Kosten, die tatsächlich entstanden und angemessen sind.

Im Fall gewerblicher Labore lässt sich das Entstehen der Kosten anhand der beigefügten Laborrechnung belegen. Rabatte, Rückvergütungen oder Kick-Back-Zahlungen sind ebenso wie Aufschläge untersagt, da der Zahnarzt ansonsten über den Anspruch auf Auslagenersatz hinaus einen Gewinn erzielen würde (in diesem Sinn: OLG Hamm Az.: 20 U 211/03 vom 30.01.2004).

Der Abzug eines vereinbarten Skontos von bis zu 3 Prozent der Rechnungssumme für die unmittelbare Begleichung der Rechnung bleibt hiervon unberührt (vgl. u.a. OLG Koblenz Az.: 10 U 90/04 vom 23.09.2004).

Bei der Fertigung zahntechnischer Arbeiten im Praxislabor stellt sich die die Frage, ob der Zahnarzt auf Grundlage der Kriterien des § 9 GOZ zur Inrechnungstellung eines kalkulatorischen Gewinnaufschlags befugt ist.

Bereits in der Amtlichen Begründung zur GOZ (Bundesratsdrucksache 276/87 vom 26.06.1987, Seite 75) wird zu § 9 GOZ ausgeführt:

„Auch für zahntechnische Leistungen, die im eigenen Praxislabor erbracht werden, darf der Zahnarzt nur die tatsächlich entstandenen Kosten unter Einschluss eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils als Auslagen abrechnen.“

In dieser Deutlichkeit haben, wie an anderen Stellen der GOZ auch, die Intentionen des Verordnungsgebers im Verordnungstext keine Umsetzung erfahren, § 9 GOZ ist insoweit auslegungsfähig.

In der jüngeren Vergangenheit sind jedoch zwei Gerichte in ihren Urteilen zu einer folgerichtigen und sorgfältig begründeten Auslegung des § 9 GOZ gelangt.

So hat zunächst das LG Darmstadt (Az.: 18 O 33/20 vom 15.03.2021) seine Entscheidung u.a. wie folgt begründet:

„Es besteht kein "offener Widerspruch" zwischen der in dem Regierungsentwurf enthaltenen Begründung und dem Wortlaut von § 9 Abs. 1 GOZ. Dabei kann dahinstehen, ob die in dem Regierungsentwurf enthaltene Begründung so zu verstehen ist, dass der angemessene kalkulatorische Gewinnanteil als Teil der "tatsächlich entstandenen Kosten" zu begreifen ist oder neben diesen als Teil der abrechenbaren Auslagen. Denn sowohl die Formulierung "tatsächlich entstandenen Kosten" als auch der Begriff "Auslagen" zwingen nicht dazu, einen "angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil" als von ihnen nicht erfasst anzusehen. Dieses Ergebnis, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 GOZ der Abrechnung eines angemessenen Gewinnanteils nicht entgegensteht, wird auch durch folgende Erwägung gestützt: Wenn eine Fremdlaborrechnung vom Zahnarzt nach § 9 Abs. 1 GOZ abgerechnet wird, findet durchweg eine Abrechnung der vom Fremdlabor in Rechnung gestellten Gewinnmarge statt, wobei diese - in der Regel nicht offen ausgewiesene - Gewinnmarge zunächst Teil der dem Zahnarzt entstandenen "Kosten" ist, die dieser dann als "Auslage" abrechnet.

Die Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 9 Abs. 1 GOZ spricht nicht gegen die Auffassung, wonach ein Zahnarzt, der zahntechnische Leistungen in einem eigenen Praxislabor erbringt, einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil abrechnen darf. Dass es dem Zahnarzt grundsätzlich verwehrt ist, im Rahmen des § 9 Abs. 1 GOZ einen zusätzlichen Gewinn zu erwirtschaften (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 30.1.2004 - 20 U 211/03), ist (auch) darin begründet, dass der Zahnarzt dann, wenn er bloß Kosten weiterreicht, in der Regel keine maßgebliche eigene Leistung erbringt, und insofern der Kostenträger geschont werden soll. Auch trägt der Zahnarzt, der ein Fremdlabor mit der Erbringung einer zahntechnischen Leistung beauftragt, in der Regel kein eigenes wirtschaftliches Risiko. Diese Erwägungen verfangen jedoch dann nicht, wenn der Zahnarzt ein eigenes Praxislabor betreibt, und die mit dem Betrieb dieses Labors einhergehenden wirtschaftlichen Risiken zu tragen hat. Die Auffassung des Klägers würde dazu führen, dass ein Verlust, der bei dem Betrieb eines eigenen Praxislabors entstehen kann, durchweg allein vom Zahnarzt zu tragen wäre. Der Zahnarzt, der über ein Eigenlabor verfügt, würde insoweit schlechter stehen, als der Kollege, der mit einem Fremdlabor zusammenarbeitet, was von § 9 Abs. 1 GOZ jedoch nicht gewollt ist (so zutreffend OLG Koblenz, Urteil vom 23.9.2004 - 10 U 90/04).“

Dieser sachgerechten Auslegung des LG Darmstadt hat sich im Berufungsverfahren das OLG Frankfurt am Main (Az.: 6 U 51/21 vom 17.03.2022) angeschlossen und die Entscheidung des LG Darmstadt bestätigt:

„Der Wortlaut der Regelung mag auf den ersten Blick dafürsprechen, dass der Zahnarzt nur seine für die zahntechnischen Leistungen entstandenen Kosten in Ansatz bringen darf und einen Gewinn allein über die Gebühren für die zahnärztlichen Leistungen erzielen darf. Das würde bedeuten, dass der Zahnarzt nur die anteiligen Anschaffungskosten des CEREC-Systems sowie die Material- und Betriebskosten abrechnen dürfte. Diese Auslegung ist jedoch nicht zwingend. Der Begriff der "angemessenen Kosten" kann auch so ausgelegt werden, dass er einen maßvollen, betriebswirtschaftlichen Maßstäben entsprechenden, kalkulatorischen Gewinnanteil umfasst (vgl. OLG Köln, OLGR 1999, 2, 4/5 = VersR 1999, 302). Denn bloße Selbstkosten, die der Zahnarzt verauslagen musste, können weder angemessen noch unangemessen sein. Das Merkmal der Angemessenheit impliziert daher einen Spielraum im Sinne eines Ertrags. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Regelung in erster Linie die Abrechnung von Fremdkosten, also zahntechnische Leistungen externer Dentallabore im Blick hat (vgl. OLG Köln a.a.O.). Insoweit darf der Zahnarzt tatsächlich nur die vom Dentallabor abgerechneten Kosten, einschließlich dessen Gewinns in Ansatz bringen, aber keine zusätzliche Gewinnmagre erheben. Er muss auch Preisnachlässe (mit Ausnahme von Skonti, die letztlich als Kompensation verlorener Zinsen gelten) an den Patienten weitergeben. Im Fall eines Praxislabors können angemessene Kosten hingegen einen kalkulierten Gewinnanteil erfassen.

Auch die Gesetzessystematik spricht jedenfalls nicht gegen die Berücksichtigung eines kalkulatorischen Gewinnanteils. Dies gilt etwa für die Fälligkeitsregelung nach § 10 Abs. 2 Nr. 5 GOZ, die Anforderungen für die Rechnung des Zahnarztes vorsieht. Danach sind bei dem Ersatz von Auslagen nach § 9 GOZ Art, Umfang und Ausführung der einzelnen Leistungen und deren Preise sowie die direkt zurechenbaren Materialien und deren Preise anzugeben.

Der Begriff des "Preises" spricht dafür, dass es sich nicht nur um Kosten, sondern um einen kalkulierten Preis der jeweiligen Einzelleistung einschließlich eines Gewinnanteils handelt. Für die Zulässigkeit einer Gewinnmarge spricht auch eine Parallelwertung zu der Regelung über die Abrechnung zahntechnischer Leistungen gegenüber der gesetzlichen Krankenkasse nach § 88 Abs. 3 SGB V. Danach muss der Zahnarzt bei der Abrechnung zahntechnischer Leistungen, die er selbst erbringt, die zwischen den Kassen und den Innungen der Zahntechniker ausgehandelten Preise um mindestens 5 vom Hundert zu unterschreiten. Hintergrund ist, dass nur Zahntechniklabore der Gewerbesteuer unterliegen und der Gesetzgeber beim Betrieb eines gewerblichen Fremdlabors von höheren Kosten ausgeht (vgl. Anlage K14, Bl. 278 d.A.). Ein Verbot einer Gewinnmarge enthält die Regelung hingegen nicht. Im Gegenteil: Ein pauschaler Abschlag von 5 % wäre nicht nachvollziehbar und würde zwangsläufig zum Verlust führen, wenn der Zahnarzt für seine Laborleistungen keinen Gewinnanteil verlangen dürfte (ebenso: Hennings, ZMGR 2021, 260-265).

Sinn und Zweck der Regelung sprechen dafür, dass der Zahnarzt eine angemessene Gewinnmarge ansetzen darf. § 9 Abs. 1 GOZ verfolgt in erster Linie die Zielsetzung, dass der Zahnarzt nicht zu Lasten des Patienten einen Vorteil ziehen soll, wenn er zahntechnische Leistungen bei Dritten einkauft. Der Patient soll für diese Leistungen nicht doppelt mit einer Marge belastet werden. Der Zahnarzt darf deshalb nur seine eigenen Ausgaben berechnen. Vorteile, die er von dem Dentallabor erhält, muss er weitergeben. Vergütet wird er nur mit der Gebühr für die zahnärztliche Leistung. Betreibt der Zahnarzt ein Praxislabor, ist die Interessenlage anders. Der Patient kann dabei nicht doppelt mit einer Marge belastet werden. Mit "Auslagen" können daher in diesem Zusammenhang nicht nur die Selbstkosten des Zahnarztes gemeint sein, sondern der Aufwand inklusive eines nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelten Gewinnanteils. Dem Zahnarzt ist berufsrechtlich der Betrieb eines eigenen Labors ausdrücklich gestattet (§ 11 Musterberufsordnung der Zahnärzte). Das Gebrauchmachen von dieser Möglichkeit setzt voraus, dass das Praxislabor wirtschaftlich sinnvoll ausgestaltet werden kann (vgl. Droste, GRUR-Prax 2021, 293). Das Landgericht hat zutreffend ausgeführt, dass ein Zahnarzt mit praxiseigenem Labor weitaus höhere wirtschaftliche Risiken trägt als derjenige, der ein Fremdlabor bemüht. Insoweit kommt es entgegen der Ansicht der Klägerin nicht allein auf das Risiko des Zahlungsausfalls beim Patienten an, das im Fall der Rechnungstellung von Fremdleistungen gleichermaßen besteht. Das Praxislabor erfordert erhebliche Investitionen, die amortisiert werden müssen. Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber zwar Praxislabore erlauben, aber nur Fremdlaboren das Ansetzen einer Gewinnmarge gestatten wollte.“

Die juristische Auslegung der beiden Gerichte ist in sich schlüssig. Der Bundesgerichtshof (Az.: I ZR 60/22 vom 13.07.2023) hat folgerichtig in einem Revisionsverfahren die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main bestätigt.

III.

Gerichtliche Feststellungen zur angemessenen Höhe des Gewinnzuschlags sind nicht bekannt.

Die Angemessenheit der Gesamtkosten zahntechnischer Leistungen jedoch ist sehr häufig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen.

Gefordert wird dabei häufig eine gewisse Ortsüblichkeit der berechneten Preise (z.B. Stundenverrechnungssatz selbständiger Zahntechniker am Ort oder in der Region des Zahnarztes, vgl. u.a. LG Mannheim Az.: 1 S 178/06 vom 07.12.2007).

Die Anwendung dieses Kriteriums hat jedoch nicht zur Folge, dass höchstens die durch Einholung von mehreren Vergleichsangeboten ermittelte Durchschnittshöhe der beanspruchten Kosten als angemessen gelten kann.

Das LG Stuttgart (Az.: 22 O 171/16 vom 02.03.2018) erachtet vielmehr auch Kosten, die diesen Durchschnittswert um 50 Prozent übersteigen, als angemessen:

„Da die Kosten vorliegend unangemessen hoch sind, sind sie auf das angemessene Maß zu kürzen. Dieses ist überschritten, wenn ein Missverhältnis zwischen der erbrachten Leistung und den dafür abgerechneten Kosten besteht. Die Kosten sind daher nicht nur dann angemessen, wenn sie genau dem ortsüblichen Mittelwert vergleichbar hochwertiger Leistungen entsprechen, sondern sie können auch darüber liegen, solange – im Rahmen des Marktüblichen – kein Missverhältnis im Hinblick auf die erbrachte Leistung besteht.

Das Gericht zieht diese Grenze im vorliegenden Fall unter Berücksichtigung der besonders hohen Qualität der Ausführung bei einer Überschreitung des marktüblichen Mittelwerts in Höhe von 150% der vom Sachverständigen ermittelten ortsüblichen Durchschnittspreise.“ 

Entscheidender ist, dass die Komplexität der Laborarbeiten, der Zeitaufwand und die Anforderungen an den Zahntechniker und die notwendige technische Ausstattung des Labors in einem angemessenen Verhältnis zu dem für die zahntechnischen Leistungen geforderten Preis stehen.

Die Beurteilung dieses Sachverhalts muss sachverständiger Begutachtung vorbehalten bleiben.


Zahnärztekammern der Länder
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