Ersatz von Auslagen zahntechnischer Leistungen des Praxislabors

Rechtsgrundlagen und Preisbildung


Ausschuss Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer


Rechtsgrundlagen

Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde

§ 1 Absatz 3

Ausübung der Zahnheilkunde ist die berufsmäßige auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Als Krankheit ist jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer anzusehen, einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.

Musterberufsordnung für Zahnärztinnen und Zahnärzte der Bundeszahnärztekammer

§ 11 Zahnarztlabor

Der Zahnarzt ist berechtigt, im Rahmen seiner Praxis ein zahntechnisches Labor zu betreiben oder sich an einem gemeinschaftlichen zahntechnischen Labor mehrerer Zahnarztpraxen zu beteiligen. Das Zahnarztlabor kann auch in angemessener räumlicher Entfernung zu der Praxis liegen.

Gebührenordnung für Zahnärzte

§ 9 Ersatz von Auslagen für zahntechnische Leistungen

(1) Neben den für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnet werden, soweit diese Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren abgegolten sind.

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Die Erbringung zahntechnischer Leistungen gehört zum Berufsbild des Zahnarztes (§ 1 Ab-satz 3 ZHG), denn die Ausübung der Zahnheilkunde umfasst alle mit der Behandlung von Zahn-, Mund-und Kieferkrankheiten zusammenhängenden Leistungen. Zwar ist die technische Anfertigung eines zahntechnischen Werkstücks keine Heilbehandlung im wörtlichen Sinne, sie ist gleichwohl integraler Bestandteil zahnärztlicher Berufsausübung. Der Zahnarzt ist aufgrund seiner hochqualifizierten, universitären Ausbildung in der Lage und kraft seiner Approbation befugt, zahntechnische Leistungen selbst zu erbringen. Im Rahmen seiner Praxis darf deshalb der Zahnarzt ein eigenes zahntechnisches Labor betreiben. Auch berufsrechtlich ist „der Zahnarzt berechtigt, im Rahmen seiner Praxis ein zahntechnisches La-bor zu betreiben” (vgl. § 11 MBO).

„Mit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U. v. 11.05.1979, Az.: 5 C 16/79) ist klargestellt, dass es jedem Zahnarzt erlaubt ist, ein Praxislabor zu betreiben. Die Leitung durch einen Zahntechnikermeister ist nicht notwendig. Bereits bei Inkrafttreten des Zahnheilkundegesetzes zählte die Fertigung von Zahnprothesen auch nach der Rechtsprechung zur Ausübung der Zahnheilkunde. Die Historie des ZHG zeigt, dass der Gesetzgeber die Ausübung der Zahnheilkunde im umfassenden Sinne beabsichtigte. Einer expliziten Regelung der zahntechnischen Leistungen bedurfte es daher nicht. Erst recht wird durch das ZHG nicht ausgeschlossen, dass der Zahnarzt zahntechnische Leistungen im Rahmen der Feststellung und Behandlung von Zahnerkrankungen erbringt. Badura spricht in seinem Rechtsgutachten für den Bundesverband der Deutschen Zahnärzte (BDZ) aus dem Jahr 1978 vom Praxislabor als untrennbarem Teil der Zahnheilkunde. Begründet wird dies u. a. damit, dass die zahnärztliche Prothetik wesentlicher Bestandteil des zahnmedizinischen Studiums sowie des Staatsexamens ist. Das Praxislabor unterliegt nicht der Handwerksordnung, sondern ist Teil der Zahnarztpraxis und unterliegt der Leitung durch einen Zahnarzt.“
(vgl. Kommentar der Musterberufsordnung der Bundeszahnärztekammer, Hennings, Knüpper, Kurz, Maag, Schulte, 2. Auflage, März 2018, Seite 45)

Nach § 9 Absatz 1 GOZ kann der Zahnarzt – neben den Gebühren für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen – als Auslagen die ihm tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnen, soweit diese Kosten nicht ausdrücklich mit den Gebühren abgegolten sind. Diese Norm gilt auch bei der Herstellung im praxisei-genen Labor. In der amtlichen Begründung zu § 9 der GOZ von 1988 (Bundesrats-Drucksache 276/87, S. 76) wird ausgeführt, dass ein Zahnarzt auch für zahntechnische Leistungen, die im eigenen Praxislabor erbracht werden, (nur) die tatsächlich entstandenen Kosten als Auslagen abrechnen darf. Dabei kann er wie das gewerbliche Labor einen angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteil einschließen.

Wörtlich heißt es in der Begründung des Regierungsentwurfes:

„… Auch für zahntechnische Leistungen, die im eigenen Praxislabor erbracht werden, darf der Zahnarzt nur die tatsächlich entstandenen Kosten unter Einschluss eines angemessenen kalkulatorischen Gewinnanteils als Auslagen abrechnen. …“

Da § 9 GOZ insoweit im Rahmen der GOZ-Novelle 2012 keine Veränderung erfahren hat, entfaltet diese Begründung, anhand derer der Wille des Verordnungsgebers im Rechtssetzungsprozess nachvollziehbar wird, auch für die geltende GOZ unmittelbare Wirkung.

Diese Interpretation ist mit Blick auf das oben beschriebene Berufsbild des Zahnarztes zwingend, denn im zahntechnischen Labor ist der Zahnarzt Unternehmer, wie im gewerblichen Labor der Eigentümer. Beide müssen Gewinn erwirtschaften, auch der Zahnarzt für seine Tätigkeiten im Labor. In dieser Zeit kann er nicht zahnärztlich behandelnd tätig werden, also geht die Zeit, die er im Labor mit zahntechnischen Arbeiten, Verwaltung o.ä. verbringt, verloren, um zahnärztlichen Umsatz zu generieren. Es ist dem Zahnarzt jedoch nicht zu zumuten, dies unentgeltlich in seiner Freizeit in Selbstausbeutung zu tun. Nicht zu-letzt ist ohne Gewinn keine Investition möglich. Praxen mit Praxislaboren würden andernfalls gegenüber Praxen ohne Praxislabor wirtschaftlich schlechter gestellt, denn in die Bemessung der Honorare nach § 5 GOZ dürfen die Kosten des Praxislabors nicht einfließen.

Der für die Investition existenznotwendige Gewinn eines Praxislabors kann weder über Weitergabe von Materialkosten, Zuschlägen welcher Art auch immer oder gar über zahnärztliche Honorare eingepreist und erzielt werden. Dies ist im umgekehrten Sinne in § 9 Abs.1 auch ausgeschlossen: "...soweit diese Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren abgegolten sind." Dann, und nur dann sind sie Bestandteil des Honorars.

Im Umkehrschluss gilt: Der Vorordnungsgeber hätte die Option einer Leistungserbringung im zahnärztlichen Praxislabor gar nicht in der Verordnung (vgl. §9 Absatz 2) oder in der Begründung (siehe oben) erwähnen müssen, wenn er nicht zugleich die Schaffung einer betriebswirtschaftlich tragfähigen Preisbildung anerkennen würde.

Grundsätze der Preiskalkulation

Für die nach § 9 GOZ berechneten zahntechnischen Leistungen gibt es keine vorgeschriebenen Gebühren oder Preise. Insbesondere besteht keine Bindung an das auf der Verein-barung des Verbandes Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen gemäß § 88 Abs. 1 SGB V nach § 88 Abs. 1 vereinbarte bundeseinheitliche Leistungsverzeichnis zahntechnischer Leistungen, BEL II. Dieses dient ausschließlich zur Abrechnung der zahntechnischen Leistungen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Der Zahnarzt, der im eigenen Praxislabor erbrachte zahntechnische Leistungen dem Patienten in Rechnung stellen will, muss daher die Einzelleistungen und Arbeitsschritte nach fachlichen und betriebswirtschaftlichen Grundsätzen kalkulieren.

Ausgangspunkt ist die Ermittlung der Herstellungs- bzw. Selbstkosten. Diese ermitteln sich aus der Summe von Arbeitszeit und Rüstzeit multipliziert mit dem Minutenkostensatz. Dies so ermittelten reinen Herstellungskosten werden ergänzt durch einen „kalkulatorischer Gewinnanteil …, bestehend aus

  • dem kalkulatorischen Unternehmerlohn (für den Arbeitseinsatz des Kapitaleigners),
  • den kalkulatorischen Zinsen (für das betriebsnotwendige Kapital) und ggf.
  • der kalkulatorischen Wagnisprämie (für die risikoreichere Anlage des eingesetzten Kapitals im Unternehmen statt als Bankeinlage)" (zitiert nach Wikipedia)

Erst der in diesem Sinne ermittelte Verkaufspreis ist der dem Zahnarzt "tatsächlich entstandene" Preis - den er nach § 9 GOZ weitergeben kann.

Die so vorgenommene Preisbildung ist im Übrigen auch nicht willkürlich und insbesondere der patientenschützenden Regelung der GOZ unterworfen. Wie dargelegt, müssen die berechneten Kosten nach § 9 GOZ angemessen sein.

Die Rechtsprechung orientiert sich bei der Prüfung der Angemessenheit der Laborkosten an den Vergütungsregelungen des Dienst- bzw. Werkvertragsrechts nach §§ 612 Abs. 2, 632 Abs. 2 BGB. Danach ist in Ermangelung einer Preisliste die „übliche“ Vergütung als vereinbart anzusehen. Dies ist die Vergütung, die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nach Art, Güte und Umfang gleiche Leistungen nach allgemeiner Auffassung der beteiligten Kreise am Ort der Vertragsleistung gewährt wird.

Eben aus diesem Grund haben Kostenerstatter auch keinen Anspruch auf Offenlegung der betriebswirtschaftlichen Kalkulation des zahntechnischen Labors (so u.a. OLG Düsseldorf, Urteil vom 21. März 2002, Az. 8 U 118/01, oder AG Wuppertal, Urteil vom 5. April 2007, Az. 39 C 325/05). Die Angemessenheit der berechneten Kosten ist im Streitfall unter Berücksichtigung von Art und Güte der Leistungen und den damit verbundenen Arbeitsaufwand durch einen gerichtlich bestellen Sachverständigen zu überprüfen.

 


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