Minderungspflicht niedergelassener Zahnärzte in § 7 GOZ

Kritische Betrachtung


Ausschuss Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer


§ 15 Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für zahnärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.

§2 Abs. 1 und 4 GOZ

(1) Durch Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigen kann eine von dieser Verordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. Die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl (§ 5 Absatz 1 Satz 2) oder eines abweichenden Punktwertes (§ 5 Absatz 1 Satz 3) ist nicht zulässig. Notfall- und akute Schmerzbehandlungen dürfen nicht von einer Vereinbarung nach Satz 1 abhängig gemacht werden.

(4) Bei vollstationären, teilstationären sowie vor- und nachstationären privatzahnärztlichen Leistungen ist eine Vereinbarung nach Absatz 1 Satz 1 nur für vom Wahlzahnarzt persönlich erbrachte Leistungen zulässig.

§ 7 GOZ

(1) Bei vollstationären, teilstationären sowie vor- und nachstationären privatzahnärztlichen Leistungen sind die nach dieser Verordnung berechneten Gebühren einschließlich der darauf entfallenden Zuschläge um 25 vom Hundert zu mindern. Abweichend davon beträgt die Minderung für Leistungen und Zuschläge nach Satz 1 von Belegzahnärzten oder niedergelassenen anderen Zahnärzten 15 vom Hundert. Ausgenommen von dieser Minderungspflicht ist der Zuschlag nach Buchstabe J in Abschnitt B V des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte.

(2) Neben den nach Absatz 1 geminderten Gebühren darf der Zahnarzt Kosten nicht berechnen; die §§ 8 und 9 bleiben unberührt.

§ 6a GOÄ

(1) Bei vollstationären, teilstationären sowie vor- und nachstationären privatärztlichen Leistungen sind die nach dieser Verordnung berechneten Gebühren einschließlich der darauf entfallenden Zuschläge um 25 von Hundert zu mindern. Abweichend davon beträgt die Minderung für Leistungen und Zuschläge nach Satz 1 von Belegärzten oder niedergelassenen anderen Ärzten 15 vom Hundert. Ausgenommen von der Minderungspflicht ist der Zuschlag nach Buchstabe J in Abschnitt B V des Gebührenverzeichnisses.

(2) Neben den nach Absatz 1 geminderten Gebühren darf der Arzt Kosten nicht berechnen; die §§ 7 bis 10 bleiben unberührt.


I.

Der Pflicht zur Minderung zahnärztlicher Gebühren in § 7 GOZ liegt die Überlegung zugrunde, dass ein Patient/Zahlungspflichtiger davor bewahrt werden soll, bei zahnärztlichen Leistungen Kosten, die durch Materialien und räumliche/apparative Aufwendungen entstehen und die er bereits über den Pflegesatz bei stationärer/teilstationärer Unterbringung oder vor- oder nachstationären Behandlungen an das Krankenhaus vergütet hat, ein zweites Mal an den Zahnarzt zu entrichten.

Das korrespondiert mit dem Umstand, dass ein niedergelassener Zahnarzt bei Leistungserbringung in Einrichtungen des Krankenhauses für ihn kostenfrei Materialien und Einrichtungen des Krankenhauses nutzt, die den in den zahnärztlichen Gebühren inkludierten Kostenanteil reduzieren oder entfallen lassen.

Die Pflicht zur Minderung zahnärztlicher Gebühren in Höhe von pauschal 15 Prozent mag zunächst willkürlich erscheinen und einzelfallabhängig unangemessen.

Eine Pauschalierung an sich ist jedoch nicht zu beanstanden, da Gesetze und Verordnungen nicht dazu geeignet sind, bereits ihrem Wortlaut nach unterschiedlichste Lebensinhalte bis hin zu jeder individuellen Ausprägung im Detail zu regeln. Eine gewisse Typisierung ist hinzunehmen.

Die Betrachtung von Behandlungsgegebenheiten im Einzelfall lässt diese Bestimmung fragwürdig erscheinen. Die idealisierte Vorstellung, dem Zahnarzt stehe im Krankenhaus ein hygiene- und qualitätskonformes, vollständig eingerichtetes und materialbestücktes zahnärztliches Behandlungszimmer zur Verfügung, dürfte nicht der Realität entsprechen.

Im Gegenteil, gerade bei der Behandlung von immobilen, bettlägerigen Patienten mit vom Zahnarzt gestellten Materialien verliert die Minderung jede Berechtigung. Immerhin rechtfertigen derartige Umstände einen erhöhten Steigerungssatz.


II.

Leistungen, die von niedergelassenen Ärzten/Zahnärzten in eigener Praxis erbracht werden, erfolgen ohnehin unter anderen Bedingungen.

In einem Schreiben des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) wird am 7.04.1993 in Bezug auf § 6a GOÄ klarstellend ausgeführt:

„Die Gebührenminderungspflicht bezieht sich danach auf sämtliche privatärztlichen Leistungen, die in einer Einrichtung erbracht werden, in die der Patient zur stationären oder teilstationären ärztlichen Versorgung aufgenommen ist oder in der er vor- oder nachstationär behandelt wird, und zwar unabhängig davon, ob die ärztlichen Leitungen dort von Ärzten des Krankenhauses, von Belegärzten oder von anderen niedergelassenen Ärzten erbracht werden. … Dagegen werden ärztliche Leistungen, die außerhalb einer Einrichtung … erbracht werden, von der Gebührenminderungspflicht  des § 6a  Abs. 1 GOÄ nicht erfasst. Dies betrifft beispielsweise Leistungen, die in der Praxis eines niedergelassenen Arztes für einen im Krankenhaus stationär, teilstationär, vor- oder nachstationär behandelten Patienten erbracht werden.“ (zitiert nach:  Kommentar zur Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), Brück et al., Stand 01.10.2004).

Im Widerspruch zur Rechtsauffassung des BMG gelangte der Bundesgerichtshof (BGH) zu einer anderen Entscheidung (Az.: III ZR 186/01 vom 13.06.2002): Ein niedergelassener Pathologe untersuchte die in einem Krankenhaus entnommenen Gewebeproben in seiner Praxis. Die Gebühren für diese Untersuchung unterwarf der BGH der Minderungspflicht des § 6a GOÄ.

Der BGH stellt bei seiner Entscheidung einseitig das schutzbedürftige Interesse des Patienten, der mit Bezahlung des Pflegesatzes und ggf. wahlärztlicher Leistungen durch Krankenhausärzte für „seine“ Erkrankung bereits geleistet hat, absolut in den Vordergrund.

Die wirtschaftlichen Belange des niedergelassenen Pathologen, der in diesem Fall dieselben Praxiskosten zu tragen hat wie bei Beauftragung durch einen anderen niedergelassenen Arzt, bleiben vollständig unberücksichtigt.

Das AG Mettmann (Az.: 25 C 23/98 vom 05.05.1998) oder auch das AG Nördlingen (Az.: 6 C 733/97 vom 19.05.1998) gelangten zuvor zu anderen, aus ärztlicher/zahnärztlicher Sicht positiven Ergebnissen (Deutsches Ärzteblatt 1998 95(44): A – 2783).

Wenngleich der in der Kommentarliteratur kritikbehafteten Entscheidung des BGH eine besondere, nicht zu verallgemeinernde Fallkonstellation zugrunde liegt, wird sie doch herangezogen, um bei allen Leistungen niedergelassener Ärzte/Zahnärzte in eigener Praxis während einer stationären, teil-, vor- oder nachstationären Behandlung eine Minderungspflicht zu begründen.


III.

Nicht sachgerecht aus zahnärztlicher Sicht ist die Entscheidung des BGH, sofern es sich um Leistungen handelt, die ein niedergelassener Zahnarzt in eigener Praxis erbringt. In diesem Fall sind alle entstehenden Kosten durch den Arzt zu tragen und somit besteht kein materieller Grund für eine Gebührenminderung. Als Kompensation müsste der niedergelassene Zahnarzt einen Anspruch auf entsprechende Vergütung des Minderungsbetrages gegenüber dem Krankenhaus haben. Das wäre zwar durch Rahmen- oder Einzelfallvereinbarungen zunächst denkbar, unabhängig von den damit verbundenen bürokratischen Schwierigkeiten sieht die GOZ jedoch keine Regelung bezüglich einer derartigen (Differenz-)Rechnungslegung gegenüber einem anderen Leistungserbringer (Krankenhaus) vor.

Auch dürfte es sich bei einer zahnärztlichen Behandlung in einer Praxis regelhaft um eine Erkrankung handeln, die nicht im fachlichen Zusammenhang mit der Erkrankung steht, wegen derer die Krankenhausbehandlung veranlasst war („interkurrente Erkrankung“). Insofern steht diese zahnärztliche Behandlung nicht in Verbindung mit der stationären, teil-, vor- oder nachstationären Behandlung und kann auch nicht mit dem Pflegesatz für diese Behandlung abgegolten sein.

Sofern ein Patient darüber hinaus in einem Krankenhaus behandelt wird, dessen Behandlungsspektrum zahnmedizinische Behandlungen nicht umfasst, können bei der Pflegesatzfestsetzung zahnärztliche Leistungen keine Berücksichtigung gefunden haben.

Eine teil-, vor- oder nachstationäre Behandlung ist für den Zahnarzt auch nicht zwingend ersichtlich. Es ist dem Zahnarzt jedoch nicht zuzumuten, jeden Patienten in jeder Sitzung hinsichtlich eines möglichen stationären Status um Auskunft zu ersuchen.


IV.

Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser konkreten Behandlungssituation steht aus, der Ausgang eines solchen Verfahrens ist nicht vorherzusehen. Es empfiehlt sich daher folgendes Vorgehen:

  • Zu mindern sind gemäß § 7 Abs. 1 GOZ „Gebühren“. Gebühren entstehen auch durch eine Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 GOZ.
  • Die Regelung in § 2 Abs. 4 GOZ trägt lediglich dem Interesse des zur Zahlung Verpflichteten Rechnung, im Fall einer wahlzahnärztlichen Behandlung persönlich vom Wahlzahnarzt behandelt zu werden. Die grundsätzliche Möglichkeit zum Abschluss einer solchen Vereinbarung in anderen Fällen bleibt hiervon unberührt.
  • Möglich ist in bestimmtem Umfang auch die Vereinbarung von Gebühren „auf Vorrat“. Häufig können im Vorfeld einer Behandlung die zu erwartenden Leistungen nur grob eingegrenzt werden. Eine Vereinbarung kann wirksam sein, wenn Gegenstand der Vereinbarung auch Leistungen sind, die im Anschluss nicht zur Ausführung gelangen. Der Umfang der vereinbarten Leistungen sollte allerdings an der individuellen Behandlungssituation ausgerichtet sein und sich z.B. bei einem 10-jährigen Kind und einem zahnlosen erwachsenen Patienten unterscheiden, sinngemäß u.a.: AG Düsseldorf (Az.: 27 C 16307/13 vom 11.04.2018). Nach Kenntniserlangung über die geplanten Maßnahmen sollte die Vereinbarung ggf. konkretisiert werden.
  • Mit Ausnahme der Kosten für zahntechnische Leistungen gemäß § 9 GOZ schließt § 7 Abs. 2 GOZ die gesonderte Berechnung von anderen Kosten ausdrücklich aus.  Aus diesem Grund sollten Kosten, die gemäß den allgemeinen Bestimmungen einzelner Abschnitte des Gebührenverzeichnisses und den nachgelagerten Abrechnungs-bestimmungen zu bestimmten Gebührennummern berechnungsfähig sind, nicht gesondert berechnet werden, sondern bereits bei der Wahl des Steigerungssatzes Berücksichtigung finden.
  • Der Abschluss einer Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 GOZ ist auch bei einer Notfall- und akuten Schmerzbehandlung möglich. Die Behandlung darf allerdings nicht von der Vereinbarung abhängig gemacht werden.
  • Die auf Grundlage der getroffenen Vereinbarung entstehenden Gebühren sind in der Rechnung dann gemäß § 7 Abs. 1 GOZ um 15 Prozent zu mindern.

Die GOZ lässt eine eindeutige, den Interessen sowohl des Zahlungspflichtigen als auch des Zahnarztes genügende Regelung vermissen. Das ist gemäß § 15 des Zahnheilkundegesetzes Aufgabe des Verordnungsgebers.


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