Selbstständige Leistung


Ausschuss Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer


§ 4 Abs. 2 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)

Der Zahnarzt kann Gebühren nur für selbstständige zahnärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte.

§ 4 Abs. 2 Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ), erster Satz

 Der Arzt kann Gebühren nur für selbständige ärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen).

§ 4 Abs. 2a GOÄ, erster Satz

Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist.(2a) Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Arzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. 

§ 1 Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG), erster Satz

Wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes die Zahnheilkunde dauernd ausüben will, bedarf einer Approbation als Zahnarzt nach Maßgabe dieses Gesetzes.


I.

§ 4 Abs. 2 GOZ soll dazu dienen, die Doppelberechnung von Leistungen zu verhindern. Diese Absicht ist nachvollziehbar, im Einzelfall können sich sowohl im Verhältnis Zahnarzt – Zahlungspflichtiger – Kostenerstatter als auch bei juristischen Auseinandersetzungen jedoch Auslegungsschwierigkeiten hinsichtlich der Frage zur Selbstständigkeit zahnärztlicher Leistungen ergeben.

II.

„Der Zahnarzt kann Gebühren nur für selbstständige zahnärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet“.

Bei diesem Auszug aus § 4 Abs. 2 GOZ ist der Aspekt der Delegation in dem konkreten Zusammenhang irrelevant.

A.a.O. beschreibt der Verordnungsgeber jedoch auch, wann es sich nach seiner Auffassung nicht um eine selbstständige Leistung handelt: „Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist.“Beide Bedingungen müssen erfüllt sein:

  1. Die in Rede stehende Leistung muss bei abstrakter Betrachtung des Leistungsgeschehens von der Beschreibung der anderen Leistung erfasst sein. Die Auslegung der Beschreibung erfordert einen fachlichen Kontext, um deren Inhalt korrekt zu deuten.
    Entscheidend ist nicht, ob im individuellen Behandlungsfall die eine Leistung notwendig ist, um die andere Leistung zu erbringen, sondern ob dies bei Betrachtung einer standardisierten, lehrbuchhaften Leistungsvornahme („methodisch notwendig“) der Fall ist. In diesem Sinn hat auch der Bundesgerichtshof (BGH Az.: III ZR 344/03 vom 13.05.2004) entschieden. 
     
  2. Die Vergütung, für die eine Leistung muss darüber hinaus auch in der Vergütung der anderen Leistung berücksichtigt worden sein. Eine Leistung kann also dann nicht Bestandteil einer anderen sein, wenn die Gebühr der einen Leistung wesentliche Teile der Vergütung der anderen aufzehrt. Dieses Kriterium beruht auf der Tatsache, dass das wertemäßige Verhältnis der Leistungen der Anlage 1 der GOZ (Gebührenverzeichnis) untereinander seinen Niederschlag in deren punktzahlmäßiger, der Gebührenhöhe zugrundeliegenden Bewertung findet (Bundesratsdrucksache 276/87 vom 26.06.1987). Würden unter diesen Voraussetzungen zwei Leistungen in einer Leistung zusammengefasst, verschöbe sich diese Bewertungsrelation in unzulässiger, nicht verordnungsgemäßer Art und Weise.
    Die „besondere Ausführung“ einer Leistung definiert der Verordnungsgeber nicht.

Es ist indes festzuhalten, dass besondere Ausführungen, die den Aufwand einer Leistung z.B. durch wissenschaftlichen Fortschritt deutlich erhöhen, nicht der betreffenden Leistung zu subsumieren sind, auch nicht in Anwendung eines erhöhten Steigerungssatzes, da der Zahnarzt ansonsten u.U. nicht in der Lage wäre, andere, einen erhöhten Steigerungssatz begründende Faktoren bei der Gebührenfindung abzubilden (in einem ähnlich gelagerten Fall Bundesgerichtshof Az.: III ZR 344/03 vom 13.05.2004).

Dass das Prinzip der „Zielleistung“ kein tragfähiges Kriterium darstellt, belegt folgende Betrachtung: Je höher man das Behandlungsziel stecken würde, desto weniger Leistungen wären berechnungsfähig.

Zur Nebeneinanderberechnung mehrerer chirurgischer Leistungen hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) geäußert: Wenn einem einheitlichen Behandlungsgeschehen auf Grund eigenständiger, unterschiedlicher Zielsetzung mehrere Zielleistungen zugrunde liegen, sind diese gesondert und nebeneinander berechnungsfähig (BGH Az.: III ZR 239/07 vom 5.06.2008, tenoriert).

In Anbetracht der Bestimmungen des § 4 Abs. 2 GOZ, die sich sinngemäß auch in § 4 Abs. 2 und 2a GOÄ findet, ist auch die Angabe „als selbstständige Leistung“ in vereinzelten Leistungsbeschreibungen überflüssig (BGH Az.: III ZR 239/07 vom 5.06.2008.)

III.

Zur Entscheidung darüber, ob es sich um selbstständige und gesondert berechnungsfähige oder unselbstständige, nicht berechnungsfähige Bestandteile oder besondere Ausführungen anderer Leistungen handelt, sind nicht-zahnärztlich approbierte Sachbearbeiter von Versicherungen und Beihilfestellen nicht berechtigt, da es sich u.U. um die unerlaubte Ausübung der Zahnheilkunde handelt (§ 1 ZHG). Richter ohne entsprechende Qualifikation, und das dürfte bei komplexen zahnmedizinischen Themen regelhaft der Fall sein, sind zu einer derartigen Entscheidung nicht befähigt und angehalten, einen zahnärztlichen Sachverständigen hinzuzuziehen:

Der Tatrichter darf, wenn es um die Beurteilung einer Fachwissen voraussetzenden Frage geht, auf die Einholung eines Sachverständigengutachtens nur verzichten, wenn er entsprechende eigene besondere Sachkunde auszuweisen vermag.“

(BGH Az.: VI ZR 106/17 vom 9.01.2018)


Ausdruck - PDF