Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ

Rechtliche und gebührenrechtliche Aspekte


Ausschuss Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer


§ 126 (Auszug) Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

(2) Bei einem Vertrag muss die Unterzeichnung der Parteien auf derselben Urkunde erfolgen. Werden über den Vertrag mehrere gleichlautende Urkunden aufgenommen, so genügt es, wenn jede Partei die für die andere Partei bestimmte Urkunde unterzeichnet.
(3) Die schriftliche Form kann durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt.

§126a BGB

(1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.
(2) Bei einem Vertrag müssen die Parteien jeweils ein gleichlautendes Dokument in der in Absatz 1 bezeichneten Weise elektronisch signieren.

§ 138 BGB

1) Ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, ist nichtig.
(2) Nichtig ist insbesondere ein Rechtsgeschäft, durch das jemand unter Ausbeutung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche eines anderen sich oder einem Dritten für eine Leistung Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen.

§ 305 (Auszug) BGB

(1) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt. Gleichgültig ist, ob die Bestimmungeneinen äußerlich gesonderten Bestandteil des Vertrags bilden oder in die Vertragsurkunde selbst aufgenommen werden, welchen Umfang sie haben, in welcher Schriftart sie verfasst sind und welche Form der Vertrag hat. Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.

§ 307 (Auszug) BGB

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. …
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist …

§ 630c Abs. 3 BGB

(3) Weiß der Behandelnde, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder ergeben sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte, muss er den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren. Weitergehende Formanforderungen aus anderen Vorschriften bleiben unberührt.

§ 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 138 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO)

(2) Jede Partei hat sich über die von dem Gegner behaupteten Tatsachen zu erklären.

§ 15 (Auszug) Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG)

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats die Entgelte für zahnärztliche Leistungen zu regeln. … Dabei ist den Berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.

§ 1 Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ)

Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Zahnärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.

§ 2 Abs. 1 und 2 GOZ

(1) Durch Vereinbarung zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem kann eine von dieser Verordnung abweichende Gebührenhöhe festgelegt werden. Die Vereinbarung einer abweichenden Punktzahl (§ 5 Absatz 1 Satz 2) oder eines abweichenden Punktwertes (§ 5 Absatz 1 Satz 3) ist nicht zulässig. Notfall- und akute Schmerzbehandlungen dürfen nicht von einer Vereinbarung nach Satz 1 abhängig gemacht werden.
(2) Eine Vereinbarung nach Absatz 1 Satz 1 ist nach persönlicher Absprache im Einzelfall zwischen Zahnarzt und Zahlungspflichtigem vor Erbringung der Leistung des Zahnarztes schriftlich zu treffen. Dieses muss neben der Nummer und der Bezeichnung der Leistung, dem vereinbarten Steigerungssatz und dem sich daraus ergebenden Betrag auch die Feststellung enthalten, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht in vollem Umfang gewährleistet ist. Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht enthalten. Der Zahnarzt hat dem Zahlungspflichtigen einen Abdruck der Vereinbarung auszuhändigen.

§ 5 Abs. 2 (Auszug) GOZ

Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein.

§ 10 Abs. 1 (Auszug) GOZ

Die Vergütung wird fällig, wenn dem Zahlungspflichtigen eine dieser Verordnung entsprechende Rechnung nach der Anlage 2 erteilt worden ist.


I. Ausgangslage

Bei der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) handelt es sich um eine Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG. Insbesondere besteht die Aufgabe der GOZ in diesem Zusammenhang einerseits in der Verhinderung eines ruinösen Preiswettbewerbs zwischen Zahnärzten im Interesse des Erhalts eines funktionierenden Gesundheitswesens (vgl. u.a. LG Frankfurt a. M. Az.: 2-06 O 45/15 vom 21.07.2016) und andererseits in der Berücksichtigung berechtigter Interessen sowohl der Zahnärzte als auch der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten (§ 15 Satz 3 ZHG).
Die GOZ bietet in diesem Zusammenhang zwei Mechanismen zur Ermittlung der Höhe zahnärztlicher Gebühren:

  1. Die Bemessung des Gebührensatzes in Anwendung der in §5 Abs. 2 GOZ vorgegebenen Kriterien Schwierigkeit, Zeitaufwand sowie Umstände bei der Ausführung der Leistung.
  2. Die Vereinbarung der Gebührenhöhe vor der Leistungserbringung auf Grundlage von §2 Abs. 1 und 2 GOZ.

Die Bemessungskriterien des § 5 Abs. 2 GOZ stellen nicht auf die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Diese Aufgabe übernimmt gemäß der Amtlichen Begründung zur GOZ ´88
(Bundesratsdrucksache 276/87 vom 26.06.1987, Seite 68
) ausdrücklich der Punktwert:
Der Punktwert wird auf 11 Pfennige festgesetzt. Ihm kommt die Funktion zu, den Wert der Punktzahlen im Preisgefüge anderer Dienstleistungen zu bestimmen.“
Der Verordnungsgeber kommt der hieraus resultierenden Pflicht zur Anpassung des Punktwertes an die allgemeine Preis- und Wertentwicklung seit mehr als drei Jahrzehnten nicht nach. Während sich der Preisindex für die Lebenshaltung privater Haushalte seit 1988 um ca. 80% erhöht hat, ist der Punktwert unverändert geblieben (Quelle: Statistisches Bundesamt, Wertsicherungsrechner, 2021).

Betroffen von dieser Unterbewertung sind im Übrigen nicht nur die bei der Novellierung unverändert gebliebenen, sondern auch die bei der Novellierung neu aufgenommenen Leistungen:
Die Leistungen des Gebührenverzeichnisses sind mit Punktzahlen versehen, die das Bewertungsverhältnis der einzelnen Leistungen untereinander wiedergeben.“ (Bundesratsdrucksache 267/87 vom 26.06.1987, Seite 82)
Sofern also neue und alte Leistungen nach den Vorstellungen des Verordnungsgebers punktzahlmäßig in einem stimmigen Verhältnis zueinander stehen, sind bei nicht angepasstem Punktwert auch die neuen Leistungen im Außenverhältnis zu anderen Wirtschaftsleistungen unterbewertet.

Die Notwendigkeit der Anpassung zahnärztlicher Gebühren nach der GOZ be-legt auch die Tatsache, dass mittlerweile mehr als 80 unter sozial-versicherungsrechtlichen Aspekten dotierte Leistungen des BEMA besser vergütet werden als vergleichbare GOZ-Leistungen zum 2,3-fachen Steigerungssatz (Quelle: „ ... weniger als Bema“, LZK Westfalen-Lippe, Stand April 2021).

Zum Ausgleich der wirtschaftlichen Entwicklung bleibt ausschließlich die Anwendung des § 2 Abs. 1 und 2 GOZ, denn § 1 GOZ bindet die Zahnärzte bei der Festlegung zahnärztlicher Gebühren zwingend an die Bestimmungen der GOZ, sofern durch Bundesgesetz (z.B. den Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen, BEMA) nichts anderes bestimmt ist.


II. Zustandekommen

Das Zustandekommen einer Vereinbarung setzt gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 GOZ die persönliche Absprache zwischen Zahlungspflichtigem und Zahnarzt voraus. In der Amtlichen Begründung zur Änderung der GOZ (Bundesratsdrucksache 566/11 vom 21.09.2011, Seite 42) wird zwar ausgeführt, dass sich der Zahnarzt bei der Vereinbarung vertreten lassen kann. Eine vollständige Delegation der Absprache indes ist in Folge § 2 Abs. 2 Satz 1 nicht möglich.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der Zahlungspflichtige nicht zwingend identisch mit dem Patienten ist: Bei der Behandlung eines Minderjährigen ohne eigenes Einkommen und Vermögen bedarf es der Absprache und Vereinbarung mit dem zum Unterhalt Verpflichteten.

Mitunter wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, im Rahmen dieser Absprache sei es erforderlich, dass der Zahnarzt mit dem Zahlungspflichtigen über den vorgesehenen Steigerungssatz verhandle und ggf. diesbezügliche Vorstellungen des Zahlungspflichtigen akzeptiere:
Für ein Aushandeln in diesem Sinne ist erforderlich, dass der Kläger (der Zahnarzt, Anm. d. Verf.) den in der Vereinbarung enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt – das Überschreiten des in § 5 GOZ enthaltenen Gebührenrahmens – ernsthaft zur Disposition gestellt und der Beklagten (der Patientin, Anm. d. Verf.) eine Gestaltungsfreiheit zur Wahrung ihrer eigenen Interessen mit der realen Möglichkeit eingeräumt hat, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen beeinflussen zu können.“ (OLG Hamm Az.: 3 U 26/00 vom 29.05.2002)

In der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde gegen dieses Urteil führt das Bundesverfassungsgericht (Az.: 1 BvR 1437/02 vom 25.10.2004) wie folgt aus:
„Dies stellt eine gravierende Einschränkung des von der Berufsausübungsfreiheit umfassten Preisbestimmungsrechts dar, höhlt es faktisch aus. Es ist nicht mehr gewährleistet, dass dem Beschwerdeführer überhaupt noch Raum für individuelle Vereinbarungen bleibt.“

Das AG Düsseldorf (Az.: 33 C 10350/13 vom 19.05.2014) bringt es auf den Punkt:
Auf die individuelle Aushandlung kommt es (als Wirksamkeitsvoraussetzung der Vereinbarung, Anm. d. Verf.) nicht an.“
Den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts und des AG Düsseldorf ist vollumfänglich zuzustimmen. Es ist realitätsfern, die Preisbildung zahnärztlicher Leistungen den Vorstellungen eines Leistungsempfängers zu unterwerfen, bei dem es sich in aller Regel um einen in Bezug auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten einer zahnärztlichen Praxis Unkundigen handelt.

Die persönliche Absprache besitzt dennoch erhebliche Bedeutung im Hinblick auf die Wirksamkeit der Vereinbarung.
Gemäß § 307 BGB ist die Überschreitung des Gebührenrahmens in Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht wirksam, da von wesentlichen Bestimmungen der GOZ (hier: Gebührenrahmen vom 1,0 bis zum 3,5-fachen Steigerungssatz) abgewichen wird. Allgemeine Geschäftsbedingungen sind einseitig bestimmte Regelungen, die in identischer Form in einer Vielzahl von Fällen zur Anwendung gelangen.
In Allgemeinen Geschäftsbedingungen darf der in § 5 Abs. 1 GOÄ festgelegte Gebührenrahmen nicht überschritten werden.“ (Bundesgerichtshof Az.: VIII ZR 51/91 vom 30.10.1991)
Bereits die persönliche Absprache scheint jedoch geeignet, eine Vereinbarung nach § 2 Abs.1 und 2 GOZ zu einer Individualvereinbarung zu machen, die eine solche Abweichung gestattet:

Der Senat kann daher zugunsten der Beklagten unterstellen, dass Dr. … hinsichtlich der Höhe einzelner Steigerungssätze nicht verhandlungsbereit war (ist). Dies schließt das Vorliegen einer Individualabrede hier nicht aus, da es letztlich Sache des Zahnarztes ist, ob er für ein bestimmtes Entgelt bereit ist, tätig zu werden. Eine Individualabrede liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Gebührenabrede im Hinblick auf eine konkret vorgesehene Behandlung nach individueller Besprechung der Parteien des Behandlungsvertrages getroffen wurde. Eine solche Erörterung ist grundsätzlich geeignet, den für eine Vielzahl von Behandlungsfällen vorgesehenen Vertragsbedingungen ihre Allgemeinheit zu nehmen und die für ihre Rechtswirksamkeit erforderliche Individualität zu geben.“ (OLG Düsseldorf Az.: I-4 U 70/17 vom 25.10.2019).

Nicht geeignet als Beleg für das Vorliegen einer Individualvereinbarung ist hingegen deren vollständig handschriftliche Ausfertigung:

„Der denkbare Einwand, dass eine Individualabrede doch nach wie vor dort geschlossen werden kann, wo der Zahnarzt nicht auf vor der Behandlung abgefasste Formulare zurückgreift, sondern vor den Augen des Patienten ein Schriftstück neu schreibt, führt insoweit nicht weiter. Eine solche Vorgehensweise ist praxisfern. Die Gebührenordnung selbst, die davon spricht, dass dem Patienten ein "Abdruck" des "Schriftstücks" auszuhändigen sei, macht dies deutlich. Es ist auch nicht erkennbar, inwiefern dieser Vorgang Patientenrechte stärken könnte.“ (BVerfG Az.: 1437/02 vom 25.10.2004)

Ohnehin ist eine besondere Schriftart gemäß § 305 BGB nicht dazu geeignet, geschäftlichen Vereinbarungen die Allgemeinheit zu nehmen.


III. Zeitpunkt

Die Vereinbarung ist gemäß § 2 Abs. Satz 1 GOZ vor der Leistungserbringung zu treffen. Der zeitliche Abstand, in dem die Vereinbarung „vor“ der Leistungserbringung zu erfolgen hat, ist nicht legaldefiniert.
Wenngleich sich die Beurteilung des erforderlichen Zeitraumes einzelfallabhängig darstellt, so lässt sich als Handlungsgrundsatz doch postulieren, dass der Zeitraum zwischen der Vereinbarung und der darin vereinbarten Behandlung umso größer sein muss, je bedeutender die finanzielle Belastung für den Zahlungspflichtigen ist, ggf. muss dem Zahlungspflichtigen auch ermöglicht werden, Kostenerstattungen Dritter im Vorfeld der Behandlung abzuklären.
Zur plakativen Veranschaulichung: Die Vorlage von 57 Formularen - darunter Vereinbarungen gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ – über insgesamt ca. 103.000,-€ innerhalb von drei Tagen und der sich unmittelbar anschließende Behandlungsbeginn widerspricht nicht nur den Bestimmungen der GOZ, sondern verletzt bereits die Pflicht zur wirtschaftlichen Aufklärung in § 630c Abs. 3 BGB und macht die getroffenen Vereinbarungen unwirksam (OLG Celle Az.: 1 U 15/16 vom 30.01.2017).

Bisweilen wird die Auffassung vertreten, eine Vereinbarung sei lediglich vor Beginn einer (umfangreichen) Gesamtbehandlung möglich, müsse alle Behandlungsschritte umfassen und sei sowohl hinsichtlich der Leistungen und der vereinbarten Steigerungssätze unabänderlich.
Eine derartige Auslegung negiert den Umstand, dass der Verlauf und Ausgang umfangreicher Sanierungen unter Erbringung zum Beispiel endo-dontologischer, parodontalchirurgischer und implantologischer Leistungen häufig nicht mit Sicherheit vorhersag- und planbar sind.
Dieser Tatsache trägt ein Urteil des LG Frankfurt (Az.: 2/15 S 7/19 vom 15.05. 2019) Rechnung: Unstreitig wurde vor Beginn der Behandlung ein Heil- und Kostenplan erstellt, der Gebühren teilweise zum 4,6-fachen Steigerungssatz enthielt und mit dem sich der Zahlungspflichtige einverstanden erklärte.

Im Verlauf der Behandlung wurde jedoch eine Änderung der Vereinbarung sowohl hinsichtlich der geplanten Leistungen als auch des Steigerungssatzes (7,0-fach) erforderlich.
Auch eine in dieser Weise geänderte Vereinbarung genügt jedoch den Anforderungen des § 2 Abs. 1 und 2 GOZ, solange die Vereinbarung vor Erbringung der betreffenden Leistungen getroffen wird und es dem Zahlungspflichtigen freisteht,
die Behandlung zu den im Heil- und Kostenplan ursprünglich vereinbarten Bedingungen zu verlangen, eine Behandlung abzulehnen oder den erhöhten Gebührensatz vor der jeweiligen Behandlung zu unterschreiben“.

In Bezug auf die nahezu gleichlautende Regelung der GOÄ hat der BGH (Az.: III ZR 106/97 vom 19.02.1998) ausgeführt:
Allerdings ist aus der Begründung des Verordnungsentwurfs der Bundesregierung zu § 2 Abs. 2 GOÄ 1982, der dieselbe Terminologie benutzt, zu entnehmen, dass die Leistung nicht mit dem Begriff der Behandlung gleichzusetzen ist. Denn es wird dort ausgeführt, die Vereinbarung könne auch noch während einer laufenden Behandlung für zukünftige Leistungen getroffen werden (Bundesratsdrucksache 295/82, S. 13)“
Dem Zahlungspflichtigen muss allerdings zuzumuten sein, sich in diesem Behandlungsstadium gegen die Vereinbarung zu entscheiden und die Fortsetzung der Behandlung ggf. alio loco vornehmen zu lassen.

Entscheidend für die Wirksamkeit der Vereinbarung ist also, dass der Zahlungspflichtige zum Zeitpunkt des Abschlusses in seiner Entschließungsfreiheit und Entscheidungsfähigkeit nicht beeinträchtigt sein darf und nicht unter zeitlichem Druck steht.
Eine Vereinbarung mit einem finanziellen Umfang von ca. 40.000,-€ nach zweistündiger Behandlung unter Anästhesie und die Vornahme der vereinbarten Leistungen im unmittelbaren Anschluss daran genügt nicht den Anforderungen der GOZ (OLG Celle Az.: 11 U 88/08 vom 11.09.2008).

Auch in Bezug auf Notfall- und akute Schmerzbehandlungen sind abweichende Vereinbarungen grundsätzlich möglich. Die Hilfeleistung darf gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 GOZ allerdings nicht vom Abschluss einer diesbezüglichen Vereinbarung abhängig gemacht werden.
Nur ergänzend soll darauf hingewiesen werden, dass der Zahlungspflichtige in seinen kognitiven Fähigkeiten auch nicht durch Alkohol- oder Drogenkonsum beeinträchtigt sein darf.


IV. Ausgestaltung

Die Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ ist in Schriftform zu treffen, das heißt, in einem Schriftstück, das von Zahnarzt und Zahlungspflichtigem eigenhändig unterschrieben wird (§126 Abs. 2 BGB). Die eigenhändige Unterschrift kann auch durch eine qualifizierte elektronische Signatur ersetzt werden (§ 126a BGB).
Die Unterzeichnung durch eine nichtzahnärztliche Mitarbeiterin an Stelle des Zahnarztes führt zur Unwirksamkeit der Vereinbarung (OLG Düsseldorf Az.: 8 U 146/94 vom 9.11.1995, Quelle: Urteilssammlung ZÄK Nordrhein, 7. Auflage).
Der Zahlungspflichtige muss einen Abdruck der Vereinbarung erhalten.

Die Anforderungen an Inhalt und Form der schriftlichen Vereinbarung sind stringent: Die Vereinbarung einer von der GOZ abweichenden Punktzahl einer Leistung ist ebenso wenig möglich wie die Vereinbarung eines abweichenden Punktwertes. Auch die Vereinbarung eines Pauschalhonorars ist nicht möglich:
Eine Anwendung der Gebührenordnung für Ärzte belastet den Arzt auch nicht unverhältnismäßig. Ihm steht es frei, im Rahmen des § 2 GOÄ eine abweichende Vereinbarung mit den an seinen Leistungen Interessierten zu treffen. Das erlaubt zwar keinen Pauschalpreis, lässt aber Raum insbesondere für eine von § 5 GOÄ abweichende Vereinbarung des Gebührensatzes.“ (Bundesgerichtshof Az.: III ZR 223/05 vom 23.03.2006)

Ohnehin bindet § 10 Abs. 1 GOZ i.V.m. Anlage 2 (Rechnungsformular) die Fälligkeit der Vergütung an eine Rechnungslegung gemäß den Bestimmungen der GOZ. Bereits diese machen die Berechnung von Pauschalhonoraren unmöglich. Somit besteht als einzige Möglichkeit, abweichend von den Bestimmungen in § 5 Abs. 2 GOZ, den Steigerungssatz zu vereinbaren.
Neben der Gebührennummer, der Bezeichnung der Leistung (= Leistungsbeschreibung, ggf. sinnerhaltend verkürzt), dem vereinbarten Steigerungssatz und dem sich daraus ergebenden Betrag darf und muss in die Vereinbarung nur noch die Information aufgenommen werden, dass eine Erstattung der Vergütung durch Erstattungsstellen nicht in vollem Umfang gewährleistet ist.

Der in das Schriftstück aufgenommene Hinweis, dass dem Zahlungspflichtigen eine Ausfertigung der Vereinbarung ausgehändigt wurde, scheint unschädlich zu sein. Weitere Erklärungen darf die Vereinbarung nicht erhalten.
Sinn und Zweck dieser strikt anzuwendenden Formvorschriften besteht darin, den Zahlungspflichtigen nicht vom wesentlichen Inhalt der Vereinbarung abzulenken, nämlich der Information über von ihm ggf. selbst zu tragende Kosten.
Hinweise in der schriftlichen Vereinbarung z.B. auf eine angestrebte „weit überdurchschnittliche Qualität und Präzision“ der Behandlung suggerieren unter Umständen, dass diese ohne den Abschluss der Vereinbarung nicht zu erwarten sei. Das wiederum erscheint geeignet, den Zahlungspflichtigen in seiner freien Willensbildung zu beeinflussen (Bundesgerichtshof Az.: III ZR 356/98 vom 9.03.2000).
Derartige oder vergleichbare Inhalte müssen in der schriftlichen Vereinbarung unterbleiben.

Möglich ist in bestimmtem Umfang auch die Vereinbarung von Gebühren „auf Vorrat“. Häufig können im Vorfeld einer Behandlung die zu erwartenden Leistungen nur grob eingegrenzt werden. Eine Vereinbarung kann wirksam sein, wenn Gegenstand der Vereinbarung auch Leistungen sind, die im Anschluss nicht zur Ausführung gelangen.
Der Umfang der vereinbarten Leistungen sollte allerdings an der individuellen Behandlungssituation ausgerichtet sein und sich z.B. bei einem 10-jährigen Kind und einem zahnlosen erwachsenen Patienten unterscheiden (sinngemäß u.a.: AG Düsseldorf Az.: 27 C 16307/13 vom 11.04.2018). Auch bei einer derartigen Gestaltung handelt es sich um eine Individualvereinbarung.

Liegt der Rechnungslegung eine wirksame Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 zugrunde, ist in der Rechnung eine Begründung für erhöhte oder vom Gebührenrahmen abweichende Steigerungssätze nicht erforderlich:
Honorarvereinbarungen i.S.v. § 2 GOZ werden von der Begründungspflicht aber gerade nicht erfasst.“ (OLG Köln Az.: 9 U 39/19 vom 14.01.2020, im gleichen Sinn OLG Nürnberg Az.: 8 U 861/17 vom 30.11.2020)


V. Wirksamkeit

Trotz Beachtung aller Vorgaben kann die verordnungs- und rechtskonform zustande gekommene Vereinbarung unwirksam sein, nämlich dann, wenn deren Vergütung Wucher im Sinne des § 138 BGB darstellt.
Die Beurteilung der Vereinbarung als sittenwidriges und daher unwirksames Rechtsgeschäft setzt das Vorhandensein zweier Tatbestandsmerkmale voraus, wobei beide gegeben sein müssen:

  1. Die Ausnutzung der Zwangslage, der Unerfahrenheit, des Mangels an Urteilsvermögen oder der erheblichen Willensschwäche des Zahlungspflichtigen
    und
  2. Gebühren, die in einem auffälligen Missverhältnis zur Leistung stehen.

Die Verwirklichung des Tatbestandsmerkmals zu 1. lässt sich durch Einhaltung des vorstehend beschriebenen Procederes vermeiden.
Die Beurteilung des Sachverhaltes unter 2. auf Grundlage einer Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ stellt offenkundig auch in der Rechtsprechung ein Problem dar.
Von Wucher wird in der Rechtsprechung dann ausgegangen, wenn der Preis für eine Leistung mindestens doppelt so hoch ist wie dies der Marktüblichkeit entspricht.

Tendenziell ist in der Rechtsprechung festzustellen, dass die Bestätigung der Berechtigung und Wirksamkeit derartiger Vereinbarungen, und dies auch in Folge der Aussagen zahnärztlicher Sachverständiger, an bestimmte Voraussetzungen geknüpft wird.
Bezug genommen wird bei der gerichtlichen Bestätigung der Wirksamkeit dieser Vereinbarungen zum Beispiel zu besonderer Qualität und Präzision der Behandlung oder sogar zu §5 Abs. 2 GOZ (beispielhaft OLG Köln vom 28.11.2018 Az.: 5 U 65/16, AG Stuttgart vom 12.05.2017 Az.: 9 C 3152/16, AG Düsseldorf vom 5.02.2015 Az.: 27 C 9542/13).

So erfreulich diese Urteile für die betroffenen Zahnärzte im Einzelfall auch sind, so falsch sind die Entscheidungsgründe hierfür aus gebührenrechtlicher Sicht.

Im Widerspruch zu den vorstehenden Urteilen hat der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 51/91 vom 30.10.1991) entschieden, dass eine herausragende berufliche Qualifikation, die möglicherweise zu einem qualitativ besonders hochwertigen Behandlungsergebnis führt, bei der Honorarbemessung keine Rolle spielen darf.
Gerade die Anwendung des § 2 Abs. 1 GOZ soll ermöglichen, eine Honorarvereinbarung zu treffen, die unter Loslösung von den Bemessungskriterien des § 5 Abs. 2 GOZ und unabhängig von einer im Ergebnis möglicherweise höheren Qualität der Behandlung die Fälligkeit der Vergütung sicherstellt.
Andere Gerichte ziehen andere Maßstäbe zur Beurteilung der Angemessenheit heran. So hat das AG Karlsruhe (Az.: 6 C 1670/15 vom 4.09.2015) eine Vereinbarung über den 27,5171-fachen Steigerungssatz für wirksam erklärt, weil sich daraus eine Vergütung des Zahnarztes in Höhe von 300,- bis 350,-€ je Stunde errechnen ließ.
Das LG Düsseldorf (Az.: 9 S 31/14 vom 26.04.2018) stellt fest, dass Wucher erst dann vorliegt, wenn der Zahnarzt eine Vergütung verlange, die das Doppelte der üblicherweise in Vereinbarungen nach § 2 Abs. 1 und 2 GOZ festgelegten Gebühren für gleichartige Leistungen übersteige.
Ohnehin tragen vor Gericht im Streitfall die Versicherung/der Zahlungspflichtige die dezidierte Beweislast für die Sittenwidrigkeit der beanspruchten Gebühren, ein pauschales Bestreiten der Angemessenheit reicht nicht (§138 Abs. 2 ZPO).

Festzuhalten bleibt, dass die Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ „dem Gesetzeswortlaut nach materiell an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft“ ist (Bundesverfassungsgericht Az.: BvR 1437/02 vom 25.10.2004).
Es muss also im Rahmen der Berufsausübungsfreit möglich sein, Vergütungsvereinbarungen ausschließlich aus wirtschaftlichen Erwägungen zu treffen.

Vielleicht ist auch ein in anderem Zusammenhang ergangenes Urteil des AG München (Az.: 171 C 7243/19 vom 8.01.2020) der Weisheit letzter Schluss:
In einer vom Grundsatz der Vertragsfreiheit geprägten freien Marktwirtschaft muss es grundsätzlich den Parteien überlassen werden, eine angemessene Vergütung für eine konkrete Leistung zu bestimmen. (…) Wenn ein Anbieter dauerhaft überteuerte Angebote macht, wird er entweder seine Preisvorstellungen reduzieren müssen oder aber vom Markt verschwinden.“

Unter Beachtung der vorstehenden Regeln stellt die Vereinbarung gemäß § 2 Abs. 1 und 2 GOZ die einzige Möglichkeit dar, auf rechtssichere Art und Weise eine wirtschaftlich angemessene Honorierung zahnärztlicher Tätigkeiten darzustellen.


Zahnärztekammern der Länder
Positionen und Statements