Adhäsiv befestigter, mehrfach geschichteter Kompositaufbau

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Der mehrschichtige Aufbau verloren gegangener Zahnhartsubstanz mit Kompositmaterial in Adhäsivtechnik einschließlich Lichthärtung ist in der GOZ nicht beschrieben und daher gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnen.

Urteilstext


Tenor

In dem Rechtsstreit 18 C 65/14 hat das Amtsgericht Schöneberg, Zivilprozessabteilung 18, für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 1.129,01 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2013, vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von EUR 12,00 und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 169,50 zu zahlen.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz EUR 1.470,69 vom 13.10.2013 bis 18.11.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen. Die Kosten der Streithilfe hat die Nebenintervenientin selbst zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


Tatbestand

Der Beklagte befand sich bei Herrn Dr. ... am 20.08.2013 in zahnärztlicher Behandlung und unterschrieb anlässlich der Behandlung eine Einverständniserklärung mit dem Inhalt, dass Herr ... eine Honorarforderung an die Klägerin abtritt und diese sie im eigenen Namen geltend machen darf.

Unter dem 21.08.2013 rechnete die Klägerin über die Behandlung ab. Wegen des Inhalts der Rechnung wird auf die zur Akte gereichte Kopie derselben Bezug genommen (Bl. 13ff. d. A.). Auf die Honorarforderung in Höhe von insgesamt EUR 3.460,35 zahlte der Beklagte am 17.09.2013 EUR 1.981,25 und – nach Mahnung und Zahlungsaufforderung vom 11.10.2013 ­– am 18.11.2013 weitere EUR 341,68, insgesamt EUR 2.322,93.

Die verbleibende Forderung von EUR 1.137,42 zahlte der Beklagte trotz weiterer Mahnungen und anwaltlicher Zahlungsaufforderung vom 23.01.2014 nicht.

Die Klägerin hat zunächst das Mahnverfahren eingeleitet. Gegen den am 11.02.2014 zugestellten Mahnbescheid des AG Stuttgart hat der Beklagte Widerspruch eingelegt. Er hat ferner seiner privaten Krankenversicherung, bei der er zu 75 % für zahnärztliche Leistungen versichert ist, den Streit verkündet. Diese ist dem Rechtsstreit auf Seiten des Beklagten am 28.5.2014 beigetreten.

Nach teilweiser Klagerücknahme der Hauptforderung in Höhe von EUR 8,41, welcher konkludent zugestimmt worden ist, beantragt die Klägerin zuletzt

den Beklagten zu verurteilen, an sie EUR 1.129,01 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.11.2013, vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von EUR 12,00 und außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 169,50 zu zahlen,

den Beklagten zu verurteilen, an sie Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz EUR 1.470,69 vom 13.10.2013 bis 18.11.2013 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist mit der Streithelferin unter anderem der Ansicht, die analoge Berechnung der Nr. 2100 GOZ sei fehlerhaft. Stattdessen hätten die Ziffern 2180 und 2197 berechnet werden müssen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beschluss vom 15.8.2014 (Bl. 63 d. A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen ... vom 28.10.2014 (Bl. 122 d. A.) verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die bei den Akten befindlichen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist – soweit nach der teilweisen Klagerücknahme noch über sie zu entscheiden war – begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten aus abgetretenem Recht einen Anspruch auf Zahlung des verbleibenden Zahnarzthonorars in Höhe von EUR 1.129,01 aus §§ 630a, 630b, 611, 398 BGB i. V. m. mit der GOZ.

Auf den zahnärztlichen Behandlungsvertrag sind grundsätzlich die Vorschriften über den Dienstvertrag (§§ 611 ff. BGB) anzuwenden, § 630b BGB. Der Arzt schuldet daher in der Regel keinen Erfolg, sondern aufgrund des Behandlungsvertrages eine ärztliche Dienstleistung, während der Patient zur Zahlung der Vergütung verpflichtet ist (Palandt-Weidenkaff, 74. Aufl., Vorb. v. § 630a, Rn. 3). Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach der zwingend anzuwendenden GOZ. Nach §§ 3, 4 GOZ hat der Zahnarzt für seine Leistung Anspruch auf Gebühren. Dies sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage 1 zur GOZ) genannten zahnärztlichen Leistungen. Selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, können entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden, § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ (n. F.). Die Regelung stellt auf die Gleichwertigkeit, nicht auf die Gleichartigkeit der Leistung ab. Für die Feststellung der Gleichwertigkeit hat der Zahnarzt zunächst Art, Kosten- und Zeitaufwand der Leistung zu bestimmen (Abs. 1 Satz 2). Erst nachrangig hat der Zahnarzt eine Leistung aus den nach Absatz 2 eröffneten Leistungen des Gebührenverzeichnisses der GOÄ in der jeweiligen Fassung als Analogberechnung zu wählen. Dabei bemisst sich die „Art" nach der Vergleichbarkeit des Leistungsziels oder des Behandlungsanlasses. Der „Kostenaufwand" erfasst die bei der betreffenden Leistung anfallenden Behandlungskosten; sie sind den entsprechenden Kosten der analogen Leistungen gegenüberzustellen. Vergleichbar ist bei der Bemessung des „Zeitaufwands" vorzugehen. Die Gleichwertigkeitskriterien müssen nicht kumulativ gegeben sein (Zuck, GOZ, 1. Auflage 2012, § 6, Rn. 1).

Entgegen der Ansicht des Beklagten und der Streithelferin war hier eine analoge Anwendung der Nr. 2100 GOZ gerechtfertigt. Entsprechend der Neufassung des § 6 Abs. 1 GOZ führt der Sachverständige Herr ... aus, dass der Zahnarzt bei der Ermittlung einer gleichwertigen Gebühr einen Ermessensspielraum besitzt. Die getroffene Auswahl einer Analogziffer ist folglich vom Gericht nur eingeschränkt überprüfbar. Herr ... macht in seinem Gutachten differenzierte Ausführungen und berücksichtigt insbesondere die seit dem 01.01.2012 bestehende Neufassung der GOZ und des Gebührenverzeichnisses. Diese trage der Fortentwicklung der zahnärztlichen Versorgung Rechnung, insbesondere erklärt der Sachverständige nachvollziehbar, dass die Dentinadhäsivtechnik durch neue Gebührenpositionen berücksichtigt worden ist. Er nimmt die Einwendungen des Beklagten auf, der die Berechnung mittels der Nr. 2180 und 2197 GOZ für geboten gehalten hat und führt hierzu aus, dass eine Berechnung mit diesen Gebühren die noch höheren Kosten für Kompositmaterialien und die von dem behandelnden Zahnarzt angewandte Mehrschichttechnik unberücksichtigt lassen würde. Er gibt weiter an, dass es der Systematik des Gebührenverzeichnisses widerspreche, eine für sich stehende zahnärztliche Leistung gebührentechnisch durch zwei Gebühren darzustellen. Die erfolgte „Aufbaufüllung in Mehrschichttechnik mit Kompositmaterial incl. Konditionen" sei einerseits verfahrenstechnisch ohne adhäsive Befestigung nicht lege artis ausführbar, andererseits ist sie im Gebührenverzeichnis der GOZ nicht aufgeführt.

Herr ... kommt unter Berücksichtigung des Inhalts der (neuen) Gebührenpositionen nach ausführlicher Berücksichtigung der vorliegend ausgeführten Behandlung zu dem Ergebnis, dass diese nach Kosten-, Material- und Zeitaufwand mit der Nr. 2100 gleichwertig ist, eine analoge Anwendung mithin gerechtfertigt gewesen ist. Das Gericht schließt sich der nachvollziehbaren Begründung des Sachverständigen nach eigener Würdigung der Gesamtumstände an.

Die streitgegenständliche Rechnung ist – nach der teilweisen Klagerücknahme – auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Nach § 5 Abs. 1 GOZ bemisst sich die Höhe der einzelnen Gebühr nach dem Einfachen bis Dreieinhalbfachen des Gebührensatzes, wobei der 2,3-fache Satz die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung abbildet. Soweit das 2,3-fache des Gebührensatzes nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 GOZ überschritten worden ist, enthält die Rechnung eine auf die einzelne Leistung bezogen für den Zahlungspflichtigen verständliche und nachvollziehbare schriftliche Begründung. Diese Steigerung ist nach den Ausführungen des Sachverständigen ... aufgrund der besonderen Größe der Defekte und der Anzahl der einzubringenden Schichten an Aufbaumaterial gerechtfertigt.

Die Vergütung war im Übrigen nach § 10 Abs. 1 GOZ fällig, da dem Beklagten als Zahlungspflichtigen eine Rechnung erteilt worden ist, die den Anforderungen des § 10 Abs. 2 i. V. m. der Anlage 2 zu GOZ entspricht.

Der Zinsanspruch folgt unter Verzugsgesichtspunkten aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Nach der Zahlungsaufforderung vom 11.10.2013 befand sich der Beklagte unter Berücksichtigung einer Postlaufzeit jedenfalls ab dem 13.10.2013 in Verzug. Aufgrund der weiteren Zahlung von EUR 341,68 am 18.11.2013 reduzierte sich die offene Hauptforderung.

Die Mahnkosten in Höhe von EUR 12,00 und die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 169,50 für das Schreiben vom 23.01.2014 sind ebenfalls unter Verzugsgesichtspunkten begründet.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 101 ZPO, die der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711ZPO.

 


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