Adhäsive Befestigung eines Klebebrackets

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Geb.-Nr. 2197 GOZ ist für die adhäsive Befestigung eines Klebebrackets neben der Geb-Nr. 6100 GOZ berechenbar.

Urteilstext


Tenor



Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Hohe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Hohe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Berufung wird zugelassen.


Tatbestand



Die Klägerin begehrt Rückzahlung geleisteten kieferorthopädischen Honorars.

Die Klägerin ist Kostenschuldnerin der Rechnung der Beklagten vom 23.12.2022 (Rechnungs-Nr.:00161654). Diese Rechnung bezieht sich auf die kieferorthopädische Behandlung der Pflegetochter der Klagerin, _. Die in Rechnung gestellten Leistungen sind vollumfänglich von den Beklagtenerbracht worden. Die Rechnung ist von der Klägerin vollständig beglichen worden.

Bei der Rechnungstellung haben die Beklagten insgesamt dreimal die Gebühr nach Nr. 2197 neben der Gebühr nach Nr. 6100 der Anlage 1 (Gebührenverzeichnis für zahnärztliche Leistungen) der Gebührenordnung der Zahnärzte (GOZ) in Ansatz gebracht. Hierfür sind insgesamt 386,86 EUR in Rechnung gestellt worden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 23.12.2022 (Bl. 5 f. d.

A.) Bezug genommen.
Der Ehemann der Klägerin ist für den Betrag grundsätzlich beihilfeberechtigt Er reichte die entsprechende Rechnung der Beklagten daher bei der Beihilfestelle ein. Die Beihilfestelle teilte dem Kläger - unter Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.03.2021 (5 C 11/19) - mit, dass die Gebühr nach Nr. 2197 der Anlage 1 der GOZ nicht neben der Gebühr nach Nr. 6100 der Anlage 1 der GOZ abrechenbar sei. Zuvor war dies der Klägerin nicht bekannt gewesen.
Unter Berufung auf dieses Urteil forderte die Klägerin, vertreten durch ihren Ehemann, die Beklagten zur Rückforderung eines Betrages in Höhe von 386,86 EUR auf. Die Beklagten lehnten eine Rückerstattung ab.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass eine Gebühr nach Nr. 2197 der Anlage 1 der GOZ nicht neben einer Gebühr nach Nr. 6100 der Anlage 1 der GOZ abgerechnet werden könne.
Die Klägerin beantragt - mit der den Beklagten unter dem 10. bzw. 12.05.2023 zugestellten
Klageschrift -, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Hohe von 386,86 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Ansicht, dass die Gebührenposition 6100 und zusätzlich die Gebührenposition 2197 - insofern kumulativ- abrechenbar seien.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsatze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dr. _. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dr. _ vom 06.11.2024 (BL 183 ff. d. A.) Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe



Die zulässige Klage ist unbegründet.
l.
Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages in Hohe von 386,86 EUR zu. Insbesondere folgt ein solcher Anspruch nicht aus § 812 Abs. 1 S. 1. 1. Alt BGB.
Die entsprechende Zahlung des kieferorthopädischen Honorars erfolgte aufgrund zulässiger Abrechnung der unstreitig durchgeführten kieferorthopädischen Behandlungen, mithin mit Rechtsgrund.
Nach Ansicht des Gerichts waren im Streitfall die Gebühren nach Nr. 2197 neben den Gebühren nach  Nr. 6100 der Anlage 1 der GOZ abrechenbar (so auch in vergleichbaren Fallkonstellationen Amtsgericht Waiblingen, Urteil vom 21.07.2022 – 7 C 533/20, - bestätigend LG Stuttgart, Urteil vom 15.02.2023 - 4 S 153/22,; Landgericht Hildesheim, Urteil vom 24.07.2014 -1 S 15/14,)

Nach Ansicht des Gerichts wäre eine Gebühr nach Nr. 2197 neben der Gebühr nach Nr. 6100 der Anlage 1 der GOZ nur dann nicht abrechenbar, wenn einzig die adhäsive Befestigung im Rahmen der Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel eine Behandlung darstellen würde, welche den allgemein anerkannten fachlichen Standards entspricht.
Hiervon ist das Gericht indes nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht überzeugt.

Gemäß § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO hat das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung als wahr oder nicht wahr zu erachten ist. Die hiernach erforderliche Überzeugung des erkennenden Gerichts erfordert keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, sondern vielmehr nur einen für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit, der vernünftigen Zweifel zwar nicht ausschließt, diesen jedoch Schweigen gebietet (BGH, Urteil vom 03.06.2008 - VI ZR 235/07,).
Nach diesen Maßstäben ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass einzig die adhäsive Befestigung im Rahmen der Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel eine Behandlung darstellt, welche den allgemein anerkannten fachlichen Standards entspricht.
Der Sachverständige Dr. _ in seinen schriftlichen Gutachten vom 06.11.2024 in nachvollziehbarer und überzeugender Weise zu der Beurteilung gelangt, dass die adhäsive Befestigung von Brackets im Rahmen der Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel nur eine der möglichen Behandlungsalternativen für das Aufkleben von Brackets darstelle.
Das Gericht schließt sich den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen nach eigener Prüfung vollumfänglich an. Zunächst ist der Sachverständige als Fachzahnarzt für Kieferorthopädie für die vorliegende Beweisfrage besonders geeignet. Zudem hat der Sachverständige sein Ergebnis sorgfältig und in einer überzeugenden Art und Weise begründet.

Zur Begründung führt der Sachverständige insbesondere aus, dass als Alternative zu Bracketklebern auf Kunststoffbasis kunststoffverstärkte Kleber auf Glasionomerbasis zur Verfügung stehen und zurBracketklebung eingesetzt werden wurden. Im Fachgebiet der Kieferorthopädie seien im  Zeitpunkt der streitgegenständlichen Leistungserbringung sehr unterschiedliche Bracket-Klebesysteme gebräuchlich gewesen und seien in der Fachwelt einzelfallbezogen unterschiedlich zum Einsatz gekommen.

II.
Der geltend gemachte Zinsanspruch besteht mangels Zuspruch in der Hauptsache ebenfalls nicht.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit
folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

IV.
Die Berufung wird zugelassen (§ 511 Abs. 4 S. 1 ZPO). Zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung im Hinblick auf die Frage, ob die Gebühr nach Nr. 2197 neben der Gebühr nach Nr. 6100 der Anlage 1 der GOZ bei der Eingliederung eines Klebebrackets mittels Adhäsionstechnik
abrechenbar ist, ist - insbesondere aufgrund des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom
05.03.2021 - 5 C 11/19 (NVwZ-RR 2021, 909) - eine Entscheidung des Berufungsgerichts erforderlich.

Der Streitwert wird auf 386,86 EUR festgesetzt.
 


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