Anatomische Abformung mit individuellem Löffel kann analog berechnungsfähig sein

Gericht: Amtsgericht Pirmasens | Aktenzeichen: 5 C 444/14 | Dokumententyp: Urteil | Rechtskraft: rechtskräftig
Paragraphen: § 6 - Gebühren für andere Leistungen
Gebührennummern: 2290, 5110, 7090, 5170

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Liegen die in der Gebühren-Nummer 5170 GOZ genannten Kriterien nicht vor, kommt eine direkte Berechnung der Gebühren-Nummer nicht in Betracht. Die anatomische Abformung mit individuellem Löffel ist in diesen Fällen analog berechnungsfähig.

Urteilstext


Tenor

1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 260,43 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 31,48 seit 20.06.2013 und aus einem Betrag von EUR 228,95 seit 24.02.2014 sowie weitere EUR 93,42 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 73% und die Beklagte 27% zu tragen. Von den Kosten der Nebenintervention trägt die Beklagte 27%. Im Übrigen trägt sie die Nebenintervenientin selbst.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung des jeweiligen Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.


Tatbestand

Die Klägerin ist bei der Beklagten privat krankenversichert. Es besteht eine Krankheitsvollversicherung. Bei Zahnersatz muss die Beklagte jedoch lediglich 75% der Heilbehandlungskosten erstatten. Die Klägerin wurde zwischen dem 15.01.2013 und dem 13.05.2013 zahnärztlich behandelt. In dieser Zeit brachte der behandelnde Zahnarzt nach eingehender Untersuchung, Erhebung eines Gingiva- beziehungsweise Parodontalindexes, computergesteuerter Tomographie im Kopfbereich und eingehender Beratung eine Füllung bei Zahn 37 an, entfernte den Zahn 36 und gliederte sodann in die Region 36 eine provisorische Brücke ein, ebenso bei Zahn 37 eine Krone als Langzeitprovisorium.
Weiterhin wurde die Klägerin im Zeitraum vom 01.12.2013 bis 20.01.2014 zahnärztlich behandelt. In der Region 14 wurde das dort befindliche Implantat freigelegt und Aufbauelemente eingefügt, insbesondere wurde aber ein Eingriff zur Vertiefung des Vestibulums in Region 14 durchgeführt. Nach Durchführung funktionsanalytischer Leistungen und Entfernung alter Restaurationen im Bereich der Zähne 15-17 und der Präparation des Zahnes 17 wurde jeweils eine Krone auf dem Implantat in der Region 14 sowie dem Zahn 17 eingegliedert, ebenso auf den Zähnen 15 und 16. Außerdem wurde eine Brücke in den Regionen 35-37 wieder eingegliedert.

Mit Rechnungen vom 15.05.2013 und vom 23.01.2014 wurden die genannten Zahnbehandlungen der Klägerin mit insgesamt EUR 6.355,36 in Rechnung gestellt. Die Beklagte erstattete die Rechnungen nur teilweise. Offen ist derzeit noch ein Betrag in Höhe von insgesamt EUR 971,92. Mit Leistungsabrechnungen vom 20.06.2013 und vom 24.02.2014 wurde die Erstattung dieser Kosten von der Beklagten abgelehnt. Auch auf eine außergerichtliche Aufforderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 07.07.2014 eine weitere Leistung ab.

Die Klägerin behauptet,

sämtliche in den Rechnungen berechnete zahnärztliche Leistungen seien medizinisch notwendig gewesen. Die Rechnungen entsprächen der Gebührenordnung für Zahnärzte und seien üblich und angemessen. Auch die in Rechnung gestellten Beträge für Materialien und zahntechnische Leistungen seien üblich und angemessen.

Insbesondere sei die digitale Volumentomographie (im Folgenden DVT) notwendig gewesen, da es angesichts der implantologischen Behandlung und umfangreicher Prothetikversorgung notwendig gewesen sei mithilfe der Computertomographie präoperativ exakte Bestimmungen der Gewebedimension in allen drei Raumrichtungen am geplanten Operationsort vorzunehmen. Es wäre vielmehr grob behandlungsfehlerhaft gewesen, auf der Grundlage einer ungesicherten Diagnostik, lediglich gestützt auf konventionelle Röntgenaufnahmen, einen entsprechenden Eingriff vorzunehmen.

Die in Rechnung gestellte Gebührenziffer 3240 für die Vertiefung des Vestibulums sei für eine medizinisch notwendige Heilbehandlungsmaßnahme angefallen. Es habe sich um mukogingival chirurgische Maßnahmen zur Verbreiterung des in der Implantatregion begrenzten keratinisierten unverschieblichen Weichgewebes gehandelt, von dem das Implantat umgeben sein müsse, um diesem eine gute Prognose zu gewährleisten, weshalb die entsprechende Behandlungsmaßnahme auch medizinisch notwendig gewesen sei.

Die Anordnung des Oberkiefers der Klägerin sei bewusst mit einem individuellen Löffel erfolgt, da die Zugänglichkeit mit einem Konfektionslöffel im Molarenbereich aufgrund ausgeprägt voluminöser Kiefermuskulatur erheblich erschwert gewesen sei, so dass eine gesamtheitliche Abformung des Oberkiefers als Grundlage für das Arbeitsfeld des Zahntechnikers nur mit einem individuellen Löffel möglich gewesen sei.

Zu Recht seien auch die Gebührenziffern 2290 und 5110 neben den Gebührenziffern 7080 und 7090 in Rechnung gestellt worden. Der vorherige Zahnersatz habe aufwendig von den Pfeilerzähnen entfernt werden müssen, was aufgrund der Materialstärke und Widerstandsfähigkeit einen zeitraubenden und aufwendigen Prozess dargestellt habe, der von der Mehrheit der Behandlungsfälle abgewichen sei und zu erheblichem Materialverschleiß geführt habe. Ebenso habe sich die Entfernung des laborgefertigten Langzeitprovisoriums trotz provisorischer Zementierung anspruchsvoll gestaltet, was aus der Parallelität der Pfeiler für eine Freiendbrücke resultiert habe. Auch seien mehrere Widerbefestigungen wie veranschlagt durchgeführt worden.

Die vorgerichtlichen Rechtanwaltskosten seien der Rechtsschutzversicherung der Klägerin mit Rechnung vom 06.10.2014 in Rechnung gestellt worden. Nachdem diese jedoch unter der Selbstbeteiligung der Klägerin liegen, sei ein Betrag in Höhe von EUR 150,00 von der Klägerin selbst bezahlt worden.

Mit Schriftsatz vom 07.04.2015 hat die Klägerin der Nebenintervenientin den Streit verkündet. Mit Schriftsatz vom 22.05.2015 ist diese dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten.
Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 971,92 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 254,10 seit dem 20.06.2013 sowie aus einem Betrag in Höhe von EUR 717,82 seit dem 24.02.2014 sowie weitere EUR 147,56 zu bezahlen.

Die Nebenintervenientin beantragt ebenfalls,

die Beklagte zu verurteilen. an die Klägerin EUR 971,92 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von EUR 254,10 seit dem 20.06.2013 sowie aus einem Betrag in Höhe von EUR 717,82 seit dem 24.02.2014 sowie weitere EUR 147,56 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet,

die Material- und Laborkosten seien überhöht gewesen. Auch sei das geltend gemachte zahnärztliche Honorar teilweise nicht erstattungsfähig.

Im Einzelnen begründet die Beklagte die von ihr vorgenommenen Rechnungskürzungen wie folgt:

a)
Die Klägerin habe der Beklagten keine ausreichende Schweigepflichtentbindung vorgelegt, sodass eine abschließende Prüfung hinsichtlich der durchgeführten DVT nicht habe durchgeführt werden können. Daher erhebt die Beklagte insoweit die Einrede der fehlenden Fälligkeit. Darüber hinaus sei ein DVT medizinisch nicht erforderlich gewesen.

b)
Die anatomische Abformung des Kiefers mit individuellem Löffel nach Gebührenziffer 5170 GOZ sei nicht medizinisch notwendig gewesen. Eine ausgeprägte voluminöse Kiefermuskulatur könne unproblematisch abgehalten werden.

c)
Bei der Wundversorgung mittels Kollagenkegel habe es sich um eine sog. "Verlangensleistung" gehandelt. Solche Verlangensleistungen gingen über das Maß des medizinisch Notwendigen hinaus und stünden nicht unter Versicherungsschutz.

d)
Die medizinische Notwendigkeit der Vertiefung des Vestibulums sei nicht nachvollziehbar.

e)
Die mit den Gebührenziffern 2290 GOZ und 5110 GOZ liquidierten Leistungen seien bereits über die Gebührenziffern 7080 und 7090 als unselbständige Teilleistungen erfasst und abgegolten, sodass eine gesonderte Berechnung nach den beanstandeten Gebührenziffern vor dem Hintergrund des in § 4 Abs.2 GOZ verankerten Zielleistungsprinzips ausgeschlossen sei.

f)
Hinsichtlich der Material- und Laborkosten sei zu Recht ein Teilrechnungsbetrag in Höhe von EUR 648,48 von der Erstattung ausgenommen worden. In dieser Höhe seien die Kosten nicht angemessen im Sinne von § 9 GOZ.

Hinsichtlich der geltend gemachten vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten bestreitet die Beklagte, dass diese bereits ordnungsgemäß in Rechnung gestellt und von der Klägerin erstattet worden seien. Außerdem bestehe keine Aktivlegitimation der Klägerin.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nebst mündlicher Erläuterung. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten vorn 31.01.2016 und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 20.04.2016 Bezug genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten des sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

I.
Die Klage ist zulässig, hat in der Sache jedoch nur teilweise Erfolg.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf weitere Kostenerstattungen in Höhe von 260,43 EUR aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Krankenversicherungsvertrag. Im Übrigen hat die Klage in der Hauptsache keinen Erfolg.

Der Sachverständige ist in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, dass sich - ohne Berücksichtigung der tariflichen Bestimmungen - eine Nacherstattungssumme zu Gunsten der Klägerin in Höhe von EUR 314,85 ergibt Darüber hinaus hält das Gericht einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 32,34 für erstattungsfähig. Nachdem im Rahmen des Versicherungsvertrages zwischen den Parteien im Rahmen von Zahnersatz unstreitig eine Erstattung lediglich von 75% erfolgt, beträgt die tatsächlich von der Beklagten zu leistende weitere Erstattungssumme EUR 260,43.

Das Gericht hegt zunächst keine Bedenken gegenüber der Eignung der Sachverständigen für das vorliegende Themengebiet. Der Sachverständige wurde von der Bezirksärztekammer Pfalz vorgeschlagen. Dabei ist davon auszugehen, dass die Kammer bereits aufgrund ihrer eigenen sach- und Fachkunde grundsätzlich solche Sachverständige benennt, die zur Beantwortung der betroffenen Beweisfragen auch tatsächlich geeignet sind. Der Sachverständige wurde auch vor Erstattung des Gutachtens von beiden Parteien akzeptiert. Bedenken an dem Unterfallen der Beweisfragen in seinen Fachbereich hat der Sachverständige selbst ebenfalls nicht geäußert, was bei Zweifeln seine Verpflichtung gewesen wäre. Bei den Beweisfragen handelt es sich dabei gerade um solche Fragen, die im Zuge einer Implantatbehandlung entstanden sind. Auch wenn hier teilweise Fragen betroffen sind, die radiologische und prothetische Leistungen betreffen, handelt es sich dabei dennoch um Komplexe, die gerade auch im Rahmen der Implantologie von Relevanz sind. So erscheinen etwa Maßnahmen der Implantologie ohne vorherige radiologische Befunde kaum durchführbar. Von einer entsprechenden Qualifikation des Sachverständigen ist nach alledem auszugehen.

Auch durch sein Gutachten hat der Sachverständige keinen Anlass zu Zweifeln an seiner Eignung gegeben. Das Gutachten ist in sich schlüssig, nachvollziehbar und detailliert und zeugt von Fachkenntnis. Methodische Vorgehensweise und Ergebnisse sind im Wesentlichen nicht zu beanstanden.

Das Gericht sieht nach alledem keinen Grund, die Eignung des Sachverständigen in Frage zu stellen und folgt nach eigener kritischer Prüfung überwiegend dessen Feststellungen. Im Einzelnen:

a)
Nach den Feststellungen des Sachverständigen war die Durchführung eines DVT bei der Klägerin nicht medizinisch notwendig. Der Sachverständige ist insoweit zu dem Ergebnis gelangt, dass im relevanten Bereich bei der Klägerin ein fast ideales Knochenlager vorliegt, das in keiner Weise ein DVT zur Erstdiagnostik rechtfertigen würde. Ein OPG hätte demnach ausgereicht, um die Situation zusammen mit der klinischen Untersuchung vollständig und umfassend zu erfassen. Dabei handelt es sich bei einem OPG nicht nur um ein kostengünstigeres Verfahren, sondern auch um ein solches mit erheblich geringerer Strahlenbelastung für den Patienten.
In der Konsequenz ist das DVT nicht ersatzfähig. Dieses umfasst die Positionen 5370 und 5377 der Rechnung vom 15.05.2013.

Zu erstatten sind die Kosten jedoch in der Höhe, in der sie für ein alternativ durchzuführendes OPG ohnehin angefallen wären. Nach den Ausführungen des Sachverständigen stellt ein OPG ein Minus zum DVT dar und wäre vorliegend anstelle des DVT durchzuführen gewesen. Die für das DVT in Rechnung gestellten Kosten sind demnach auf die Höhe der Kosten eines OPG zu deckeln, da die Kosten in dieser Höhe so oder so notwendig waren. Dabei ist es auch nicht von Relevanz, dass tatsächlich ein OPG nicht durchgeführt worden ist. Nach den Angaben des Sachverständigen ist mit der Durchführung eines DVT ein OPG im Grunde miterfüllt worden. Soweit ein „Mehr" zur medizinisch notwendigen Maßnahme durchgeführt wird, muss dieses dennoch in der Höhe ersatzfähig bleiben, wie die Kosten auch bei Durchführung der günstigeren Variante angefallen wären. Dies ergibt sich schon aus der Vorschrift des § 5 Abs.2 MB/KK.

Die Kosten des DVT sind daher in der Höhe der Kosten eines alternativ durchzuführenden OPG in Höhe von EUR 41,97 erstattungsfähig.

Die Beklagte kann dem auch nicht die Einrede der fehlenden Fälligkeit entgegenhalten. Die Klägerin hat ausweislich der beiden vorgelegten Schreiben vom 14.12.2013 (Bl.109 d. A) und vom 16.02.2014 (Bl.113 d. A.) eine Schweigepflichtsentbindung erteilt. Soweit diese der Beklagten nicht ausreichte, wäre es jedenfalls nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an der Beklagten gewesen, der Klägerin mitzuteilen, welche weiteren Voraussetzungen ihre Schweigepflichtentbindung enthalten muss. Stattdessen hat die Beklagte sich pauschal darauf berufen, die Klägerin müsse das von der Beklagten übersandte Formular ausfüllen. Die Klägerin kann jedoch nicht an ein von der Beklagten vorgefertigtes Formular gebunden sein. Von der Beklagten wäre insofern zu verlangen gewesen, dass sie die Klägerin auf die Mängel und weiteren Anforderungen der Schweigepflichtsentbindung hinweist Gerade für einen Laien sind diese nicht ohne Weiteres erkennbar. Nachdem die Beklagte keine entsprechenden Hinweise erteilt hat, scheidet eine Berufung auf die Einrede fehlender Fälligkeit nach Auffassung des Gerichts aus. Es wäre unbillig, die Klägerin die Konsequenzen für unterbliebene bzw. jedenfalls eingeschränkte Information durch die Beklagte tragen zu lassen. Dies gilt umso mehr, als die Klägerin bereits zweifach entsprechende Erklärungen abgegeben hatte.

Überdies ist im Rahmen des hiesigen Verfahrens nunmehr eine vollständige Überprüfung der streitgegenständlichen Rechnungsposition erfolgt, sodass spätestens zum jetzigen Zeitpunkt Fälligkeit eingetreten ist.


b)
Hinsichtlich der Abformung des Unterkiefers mittels eines individuellen Löffels bestand nach den Feststellungen des Sachverständigen ebenfalls keine medizinische Notwendigkeit. Die Position 5170 in der Rechnung vom 15.05.2013 ist demnach nicht erstattungsfähig.

Anders beurteilt das Gericht hingegen die Erstattungsfähigkeit im Hinblick auf die Abformung des Oberkiefers mit einem individuellen Löffel. Hier ist der Sachverständige zu dem Ergebnis gelangt, dass - wie bereits im Bereich des Unterkiefers - keine anatomischen Besonderheiten erkennbar sind, die eine Abrechnung der Position 5170 rechtfertigen würden. Allerdings sei hier die Herstellung des individuellen Löffels medizinisch notwendig gewesen. Die Kosten zur Herstellung des individuellen Löffels seien daher zu erstatten. Dies betreffe die Herstellung des individuellen Löffels selbst, die Herstellung des Modells sowie die Herstellung des vorher durchgeführten Abdrucks zur Herstellung des Modells.

Die einschlägige Kommentarliteratur geht indes davon aus, dass die Notwendigkeit eines individuellen Löffels auch ohne anatomische Besonderheiten bei der Reform der GOZ im Jahr 2012 schlicht nicht berücksichtigt worden ist. Die Abformmethode entspreche dabei aber genau derjenigen nach GOZ 5170. Wolle man eine Anwendbarkeit der GOZ 5170 in diesen Situationen verneinen, sei - nach der Positionierung der BZÄK - auf die Möglichkeit der analogen Berechnung nach § 6 Abs.1 GOZ zurück zu greifen (vgl. Liebold/Raff/Wissing, Kommentar GOZ, GOZ-ZE-5170, 2.6).

Eine direkte Anwendbarkeit der GOZ 5170 kommt unterdessen nach Auffassung des Gerichts nicht in Betracht. Position 5170 GOZ lautet ihrem Wortlaut nach wie folgt: „Anatomische Abformung des Kiefers mit individuellem Löffel bei ungünstigen Zahnbogen- und Kieferformen und/oder tief ansetzenden Bändern oder spezielle Abformung zur Remontage, je Kiefer". Nachdem eine ungünstige Zahnbogen- oder Kieferform hier gerade nicht vorliegt, besteht für eine direkte Anwendung der Position 5170 GOZ kein Raum.

Das Gericht folgt jedoch insoweit der Kommentarliteratur, als in dieser Situation eine analoge Berechnung nach § 6 Abs.1 GOZ vorzunehmen ist. § 6 Abs.1 S.1 GOZ sieht vor, dass selbstständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden können.

Nachdem die vorgenommen Abformmethode genau derjenigen nach GOZ 5170 entspricht, bestehen beim Gericht keine Bedenken, von der Vorschrift des § 6 Abs.1 S.1 GOZ Gebrauch zu machen und eine analoge Berechnung vorzunehmen.

Dies erscheint dem Gericht gegenüber der vom Sachverständigen vertretenen Auffassung, dass nur das Material für den individuellen Löffel zu berechnen und die Abformung im Übrigen in Ziffer 2200 enthalten sei, vorzugswürdig. Da eine Vergleichbarkeit der Abformung mit der anatomischen Abformung nach GOZ 5170 gegeben ist, erscheint vor dem Hintergrund der Vorschrift des § 6 Abs. 1 GOZ die analoge Anwendung von GOZ 5170 in dieser Situation konsequenter.

Hinsichtlich der Abformung des Unterkiefers mit einem individuellen Löffel ist die Position GOZ 5170 - wenn auch nur analog - demnach der Höhe nach mit einem Betrag von EUR 32,34 zu berücksichtigen.

c)
Das Einlegen eines Genta-Coll Kegels war nach dem Ergebnis des Sachverständigengutachtens medizinisch nicht geboten. Im Gegenteil hat der Sachverständige im Rahmen seiner mündlichen Anhörung sogar erörtert, die Einsetzung des Genta-ColI Kegels sei kontraproduktiv gewesen. Auch sofern es sich um eine Verlangensleistung gehandelt haben sollte, wie in der Rechnung vom vermerkt, besteht eine Ersatzfähigkeit somit nicht.

d)
Soweit die Kosten einer Vestibulumplastik geltend gemacht werden, konnte der Sachverständige in den Behandlungsunterlagen keine Dokumentation dahingehend auffinden, dass eine solche tatsächlich durchgeführt worden ist. Auch im Rahmen der körperlichen Untersuchung der Patientin konnte der Sachverständige keine Narbenbildung erkennen, die auf eine solche Maßnahme hätte schließen lassen. Macht der Versicherungsnehmer aber Ansprüche gegen seine Krankenversicherung auf Erstattung von Kosten für medizinische Maßnahmen geltend, so ist er nach den allgemeinen Beweislastregeln dafür darlegungs- und beweisbelastet, dass diese Maßnahmen auch tatsächlich durchgeführt worden sind. Nachdem ein Nachweis jedoch nicht erbracht worden ist, kann eine Kostenerstattung für die Vestibulumplastik nicht verlangt werden. Demgemäß sind die Positionen 3240 und 0510 in der Rechnung vom 23.01.2014 nicht zu erstatten.

e)
In Bezug auf die Gebührenziffern 2290 und 5110 (2x) in der Rechnung vom 23.01.2014 hat der Sachverständige festgestellt, dass die Gebührenziffer 2290 vollständig zu streichen ist. Diese betreffe Leistungsinhalt, der bereits mit der Position 7100 vollständig abgegolten sei. Statt der beiden Positionen 5110 sei die Position 7100 insgesamt siebenmal zu erstatten. Das Lösen und Wiedereinsetzen der Brücke sei Bestandteil der Position 7100, sodass diese hier dreimal im Unterkiefer und viermal im Oberkiefer zu berechnen sei, insgesamt mit einem Betrag von EUR 181,09. Dem schließt sich das Gericht an. Die Ausführungen des Sachverständigen erscheinen insoweit plausibel.

f)
Zuletzt sind die Labrokosten bis zu einem Wert von EUR 2.075,93 zu erstatten, sodass hierauf ein Betrag in Höhe von EUR 91,83 nachzuzahlen ist. Das Gericht folgt auch insoweit den Ausführungen des Sachverständigen. Bedenken hinsichtlich seiner Berechnungsmethode bestehen nach eigener kritischer Würdigung durch das Gericht nicht.

Der Sachverständige ist davon ausgegangen, dass Eigenlaborpreise um fünf niedriger sind als die entsprechenden Preise gewerblicher selbständiger Labore. Die Gründe hierfür hat der Sachverständige dem Gericht im Rahmen seiner Anhörung schlüssig und nachvollziehbar dargelegt. So müssen Eigenlabore etwa keine Fahrdienste vorhalten, haben in der Regel eine konstantere Auslastung und eine reduzierte Verwaltung. Vor dem Hintergrund, dass ein Eigenlabor direkt an eine Zahnarztpraxis angegliedert ist, erscheint dies dem Gericht durchaus plausibel.

Weiterhin legte der Sachverständige zugrunde, dass eines Überschreitung des Durchschnittspreises um bis zu 20% noch angemessen erscheine. Im Rahmen der mündlichen Gutachtenerläuterung hat der Sachverständige hierzu angegeben, dies entnehme er seiner Erfahrung. Es gebe durchaus Labore, die in diesem Preisniveau liegen. Aufschläge von bis zu 20% gebe es dabei auch hinsichtlich der Materialkosten. Auch dies erscheint dem Gericht nachvollziehbar. Eine gewisse Bandbreite muss im Rahmen von Durchschnittswerten einbezogen werden. Ein Spielraum von 20% erscheint dem Gericht dabei noch angemessen.

Das Gericht hat auch insoweit keine Bedenken, als der Sachverständige einen Vergleich lediglich mit zwei Dentallaboren angestellt hat. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass dieser Vergleich seinem Umfang nach durchaus überschaubar ist. Jedoch hat der Sachverständige gerade solche Laboratorien herangezogen, die er selbst aus seiner langjährigen beruflichen Erfahrung kennt und deren Preise er daher - auch aufgrund seiner Tätigkeit in einem Qualitätszirkel - sehr präzise einzuordnen wusste. Gründe, Zweifel an der Repräsentativität dieser Labors und ihrer angesetzten Kosten zu hegen sieht das Gericht daher nicht.

Insbesondere hatte sich die Berechnung der angemessenen Kosten auch nicht an der BEB zu orientieren. Bei der Frage der Angemessenheit ist zu berücksichtigen, welche Kosten für Leistungen vergleichbarer Qualität und Arbeitsaufwand in zahntechnischen Laboren üblicherweise angesetzt werden. Diese üblicherweise angesetzten Kosten müssen sich in der Praxis nicht zwingend auf Grundlage der BEB orientieren, sodass gegen die Vorgehensweise des Sachverständigen, Vergleichsangebote einzuholen, keine Bedenken bestehen.

Der Sachverständige hat die beiden herangezogenen Vergleichslabore in seinem Gutachten auch namentlich genannt und die entsprechenden Kostenvoranschläge in Abschrift vorgelegt. Seine Feststellungen sind damit entgegen dem Vortrag der Beklagten ohne Weiteres nachvollziehbar und überprüfbar.

Eine ergänzende schriftliche Stellungnahme war nach alledem entgegen dem Antrag der Beklagten nicht mehr einzuholen. Die Ausführungen des Sachverständigen waren insgesamt plausibel und verständlich und bildeten eine ausreichende Grundlage, um das Verfahren seinem Abschluss zuführen zu können. Im Übrigen dürfte die Beklagte mit ihren weiteren Ergänzungsfragen aus dem Schriftsatz vom 12.05.2016 ohnehin präkludiert sein, da im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 20.04.2015 ausreichend Gelegenheit bestand, den Sachverständigen zu noch offenen Fragen zu befragen.

Aus alledem ergibt sich ein Gesamtbetrag von EUR 347,23. Unter Zugrundelegung einer Kostenübernahme zu 75% ergibt dies eine Endsumme von EUR 260,43.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sind in Höhe eines Betrages von EUR 93,42 erstattungsfähig gemäß §§ 280 Abs.1, 2, 286 BGB. Die Klägerin hat dem Gericht glaubhaft dargetan, dass sie aufgrund der mit ihrer Rechtsschutzversicherung vereinbarten Selbstbeteiligung hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten aktivlegitimiert ist. Weiterhin hat die Klägerin dem Gericht glaubhaft dargelegt, dass aufgrund der Selbstbeteiligung die zunächst der Rechtsschutzversicherung gestellte Rechnung von der Klägerin selbst in Höhe von 150 EUR beglichen worden ist Ein weiteres Bestreiten ist nach diesem Vortrag nicht mehr erfolgt, sodass die Einholung des klägerseits angebotenen Beweises nicht mehr erforderlich war.

Der Zinsanspruch beruht auf §§ 280 Abs.1, 2, 286, 288 BGB.

II.
Die Kostenentscheidung resultiert aus § 92 Abs.1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr.11, 711 ZPO.

Beschluss:
Der Streitwert wird auf EUR 971,92 festgesetzt.


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