Aushandeln im Einzelfall im Sinne von § 2 Abs. 2 GOZ

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Ein persönliches ohne Einschaltung von Dritten geführtes Gespräch zwischen Arzt und Patient, das sich auf den Einzelfall, also die konkret geplante Behandlung bezieht, ist ein Aushandeln im Einzelfall im Sinne von § 2 Abs. 2 GOZ. Die Vereinbarung wird dadurch zumindest soweit auf das individuelle Behandlungserfordernis des Patienten abgestimmt, wie dies zum jeweiligen Zeitpunkt möglich ist.

Urteilstext


Tenor


Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.451,71 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.07.2018 zu zahlen. 

Die Berufungsrücknahme der Beklagten hat den Verlust des Rechtsmittels zur Folge. 

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte mit Ausnahme der Mehrkosten der Verweisung, 
welche der Kläger zu tragen hat. 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 

Die Revision wird nicht zugelassen. 

Streitwert: bis 3.000 EUR (Berufung des Klägers: 1.649,41 EUR; Berufung der Beklagten: 802,30 EUR).
Gründe: 
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2,544 Abs. 2, 313a ZPO) 

I. 

Die Berufung des Klägers hat Erfolg. Er hat einen Anspruch auf 3.688,24 EUR x 75 % - 208,18 EUR
(bereits erstattet) - 106,29 (Teilklagerücknahme) = 2.451,71 EUR. Über die bereits tenorierten 802,30 
EUR sind also weitere 1.649,41 EUR zuzusprechen. 

Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 GOZ sind bei Abschluss der konkreten, hier streitentscheidenden 
Honorarvereinbarung18.09.2021 erfüllt worden. Auch sonst sind keine Unwirksamkeitsgründe gegeben. 
Hierzu nimmt die Kammer zunächst vollumfänglich Bezug auf den erteilten Hinweis vom 18.02.2021. 


Auszug aus dem Hinweisbeschluss vom 18.02.2021:
„ … Dies hat zur Folge, dass die Vereinbarung zumindest soweit auf das individuelle Behandlungserfordernis des Patienten abgestimmt sein muss, wie dies zum jeweiligen Zeitpunkt möglich ist. Damit würde einerseits berücksichtigt, dass die Vereinbarung zwingend vor dem Behandlungsbeginn abgeschlossen werden muss, andererseits aber auch dem Schutzgedanken des § 2 Abs. 2 GOZ Rechnung getragen. Würde es ausreichen, wenn ein Patient quasi pauschal die gesamte oder einen Großteil der GOZ, nur mit höheren Gebührensätzen, abzeichnen würde, wäre für ihn nicht im Ansatz abschätzbar, mit welchen Änderungen im Vergleich zu den in der GOZ vorgesehenen Sätzen er rechnen müsste. Ist die Vereinbarung jedoch schon auf die anstehenden Behandlungsschritte zugeschnitten, so kann der interessierte Patient schnell erfassen, was genau für ihn teurer wird. Für eine weitergehende Einengung der tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift im Wege der Auslegung fehlt es also an einer Stütze in der Verordnung….“


Auch unter Berücksichtigung der Einwände der Beklagtenseite vom 09.03.2021 kommt sie zu keinem 
anderen Ergebnis.

1. 

So hält die Kammer an ihrer Ansicht fest, dass sich die streitgegenständliche zweite Vereinbarung vom 
18.09.2012 auf einen "Einzelfall" bezog. 

Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass der Begriff "Behandlungsbeginn" über den Wortlaut von § 2 
Abs. 2 GOZ hinausgeht. Das Verständnis der Kammer und das der Beklagten weichen inhaltlich jedoch 
im Ergebnis kaum voneinander ab. Dies wird deutlich, wenn man den vorangestellten Satz im Beschluss 
mit einbezieht. Demnach muss die Vereinbarung soweit auf das individuelle Behandlungserfordernis 
abgestimmt sein, wie dies "zum jeweiligen Zeitpunkt" möglich ist. Es kommt also nicht stets auf den 
Zeitpunkt vor dem allerersten Behandlungsschritt an, sondern auf den Zeitpunkt, ab dem ein 
Behandlungserfordernis erkennbar wird. Stellt sich beispielsweise bei den vorbereitenden 
Untersuchungen die Notwendigkeit einer kieferorthopädischen Behandlung heraus, kann dann eine 
(weitere) Individualvereinbarung abgeschlossen werden, die sich auf diese Art von 
Behandlungsmaßnahmen bezieht. Diese (weitere) abgeschlossen worden sein, bevor mit den 
Behandlungsmaßnahmen begonnen wird. 

Soweit die Beklagte ausführt, weshalb bei Zugrundelegung der durch die Kammer geäußerten 
Rechtsauffassung die erste Vereinbarung vom 10.01.2012 unwirksam sein müsste, ist diese Frage 
bewusst offengelassen worden und die Kammer tut dies auch weiterhin, da deren Beantwortung für die 
hiesige Klageforderung nicht relevant. ist. 

Soweit die Beklagte in Bezug auf die tatsächlich streitgegenständliche Vereinbarung vom 
15./18.09.2012 anführt, der Behandlungsplan habe nicht auf die streitgegenständliche 
Gebührenvereinbarung Bezug genommen, ist dies unzutreffend. Die Kammer verweist auf Seite 3, 
dritter Absatz des Behandlungsplans vom 15.09.2012 (Anlage K 8) sowie die damals beigefügte 
Vereinbarung (Anlage K 9). Ebenfalls unschädlich ist, dass die Vereinbarung nicht nur Leistungsziffern 
aufführt, die bei der von Beginn an geplanten Aligner-Behandlung einschlägig sein könnten. Der 
Behandlungsplan führt ausdrücklich aus, dass in der anliegenden Gebührenvereinbarung auch in 
Betracht kommende Alternativleistungen aufgeführt sind. Solche Ziffern stehen zumindest dann der 
Bejahung einer Vereinbarung im Einzelfall nicht entgegen, wenn mit der Notwendigkeit eines Wechsels 
der Behandlungsart zur Erreichung des ursprünglichen Ziels grundsätzlich gerechnet werden muss. 
Dies ist im vorliegenden Einzelfall bereits deshalb zu bejahen, weil sich im Laufe der Zeit herausgestellt 
hat, dass zumindest Teile der gesteckten Ziele alleine mit Alignern nicht zu erreichen waren und damit 
die Alternativ-Behandlung tatsächlich umgesetzt werden musste. 


2. 

Die Beklagte stützt sich ferner darauf, dass der Kläger nicht im Ansatz abschätzen konnte, mit welcher 
Vergütung er im Vergleich zu der in der GOZ Vorgesehenen rechnen müsste, sprich wie viel teurer die 
Behandlung für ihn werden würde. Grund hierfür sei, dass der behandelnde Zahnarzt über viele Jahre 
sich stets wiederholende gleichartige Leistungen unter dem erhöhten Satz abgerechnet habe. Dies 
führe zur Unwirksamkeit der Gebührenvereinbarung. Der zulässige Inhalt einer Gebührenvereinbarung 
wird jedoch in § 2 Abs. 2 S. 2 und 3 GOZ festgelegt. Diesen sehr engen Rahmen hält die 
streitgegenständliche Vereinbarung ein und schöpft ihn gleichzeitig aus. Zudem wird der Patient 
durchaus in die Lage versetzt, die Mehrkosten abzuschätzen. Greift man das Beispiel mit den 
Klebebrackets auf, war für den Kläger deutlich erkennbar, dass er zukünftig für jedes Bracket bei einem 
Steigerungssatz von 5,9 einen Betrag von 54,75 EUR wird zahlen müssen. Durch einfache Multiplikation 
mit der Zahl der jeweils eingebrachten Brackets wären die Gesamtkosten problemlos zu ermitteln 
gewesen. Mehr als Nummer und Bezeichnung der Einzelleistung, Steigerungssatz und Einzelbetrag 
braucht und darf in einer Gebührenvereinbarung nicht aufgeführt werden; dies gilt insbesondere für die 
prognostizierte Anzahl der anfallenden Einzelleistungen oder eine ungefähre Gesamtsumme.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die erstinstanzliche Teilklagerücknahme ändert nichts an 
der Kostenquote. da es mangels Gebührensprung zu keinen Mehrkosten gekommen ist. Etwaige 
Mehrkosten der Verweisung waren dagegen nach § 281 Abs. 3 S. 2 ZPO dem Kläger aufzuerlegen. 
Soweit die Beklagte ihre Berufung zurückgenommen hat, beruht die Kostenentscheidung auf § 516 Abs. 
3 ZPO.

Die weiteren Nebenentscheidungen haben ihre Grundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713, 544 Abs. 2 ZPO. 

III.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche 
Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen 
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht erfordern.


Ausdruck Urteil - PDF