Eingliederung eines festsitzenden Retainers gesondert berechenbar

Gericht: Oberverwaltungsgericht Münster | Aktenzeichen: 1 A 2252/16 | Dokumententyp: Urteil | Rechtskraft: unbekannt
Paragraphen: § 4 - Gebühren , § 6 - Gebühren für andere Leistungen
Gebührennummern: 6010, 6030, 6050, 6080, 6100, 6140

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Eingliederung eines festsitzenden Retainers ist nicht mit den Kernpositionen nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ abgegolten.

Urteilstext


Tenor

In dem Verwaltungsgerichtsstreit hat der 1. Senat auf der mündliche Verhandlung vom 23. November 2018, auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Arnsberg vom 19. September 2016 für Recht erkannt:

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Der Beklagte wird unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides des … vom 3. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 verpflichtet, dem Kläger zu den Aufwendungen aus der Rechnung des Kieferorthopäden Dr. … vom 2. Juli 2015 eine weitere Beihilfe in Höhe von EUR 145,89 für die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers (Kleberetainers) zu gewähren.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


Tatbestand

Der Kläger ist als Landesbeamter für seine am 2. März 1998 geborene Tochter mit einem Bemessungssatz von 80 v. H. beihilfeberechtigt.

Die Tochter des Klägers befand sich seit dem 12. November 2012 in kieferorthopädischer Behandlung. Die Behandlung im Zeitraum zwischen dem 22. und 23. Juni 2015 rechnete der Kieferorthopäde Dr. … aus … unter dem 2. Juli 2015 mit insgesamt EUR 729,17 ab, wovon EUR 472,71 auf das ärztliche Honorar und EUR 256,96 auf Material- und Laborkosten entfielen. Dabei setzte er für die Behandlungstage 22. und 23. Juni 2015 jeweils die Nummer 6100 der Gebührenordnung für Zahnärzte in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 5. Dezember 2011 (GOZ) für die Eingliederung von Klebebrackets und die dortige Nummer 6140 für die Eingliederung von Teilbögen an.

Der Kläger beantragte hierfür am 17. Juli 2015 bei dem … die Gewährung einer Beihilfe. Mit Beihilfebescheid vom3. August 2015 lehnte das … Gewährung einer Beihilfe teilweise mit der Begründung ab, die GOZ sehe eine Gebühr für die Eingliederung bzw. Entfernung von Retainern nicht vor. Dafür spreche auch die dritte Abrechnungsbestimmung nach Nummer 6030 bis 6080 GOZ. Deshalb seien die Leistungen nach den Nummern 6100 und 6140 GOZ nicht beihilfefähig.

Der Kläger erhob dagegen Widerspruch und machte geltend: Es bestünden objektive Unklarheiten bei der Abrechnung der Gebühren für die Eingliederung bzw. Entfernung von Retainern. Die Bundeszahnärztekammer halte eine Separatabrechnung dieses Vorgangs neben den kieferorthopädischen Kernpositionen Nrn. 6030 bis 6080 GOZ für zulässig, weshalb die von Dr. … vorgenommene Abrechnung eine vertretbare Auslegung der Gebührenordnung darstelle. Ferner legte der Kläger zur Begründung seines Widerspruchs eine Stellungnahme des Dr.    …vom 27. Dezember 2015 vor, in der dieser im Wesentlichen ausführte: Er folge der Auffassung der Bundeszahnärztekammer, die auch durch ein Urteil des Amtsgerichts Barmbek aus dem Jahr 1988 bestätigt worden sei. Dieses Urteil gelte nach wie vor, weil sich am Wortlaut der (Abrechnungs-)Bestimmungen der Nrn. 603 bis 608 GOZ in der alten Fassung durch die neue Fassung der GOZ nichts Wesentliches geändert habe. Auch für den ersten Teil der Behandlung, der Kieferumformung, seien die hier gestrichenen Positionen für die festen Apparaturen erstattet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. November 2015 wies das … den Widerspruch des Klägers, soweit hier von Bedeutung, zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Durch die Nr. 25 des Runderlasses des Finanzministeriums für das Land Nordrhein-Westfalen zum zahnärztlichen Gebührenrecht vom 16. November 2012 habe das beklagte Land seine Rechtsauffassung zu der hier umstrittenen Gebührenfrage rechtzeitig in dem Sinne klargestellt, dass Maßnahmen zur Retention bereits in den Nummern 6030 bis 6080 GOZ berücksichtigt seien.

Am 4. Dezember 2015 hat der Kläger Klage erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen ergänzend geltend gemacht: Der im Widerspruchsbescheid genannte Erlass sei erst nach Beginn der Behandlung veröffentlicht worden. Die hier in Rede stehende Behandlung stelle den Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung seiner Tochter dar. Er habe keine Möglichkeit mehr gehabt, sich auf den Erlass einzustellen. Ungeachtet dessen bewirke allein die Klarstellung durch den Erlass nicht, dass den Aufwendungen die Angemessenheit abgesprochen werden könne, weil die Nr. 25 des fraglichen Runderlasses keine vertretbare Auslegung der Gebührenordnung durch den Dienstherrn mehr darstelle. Die Kernpositionen der Nummern 6030 bis 6080 GOZ umfassten nämlich keineswegs die gesamte kieferorthopädische Behandlung mit allen Einzelleistungen. Namentlich die handwerklichen Leistungen des Kieferorthopäden unterfielen ihr nicht. Da der dritte Absatz der Abrechnungsbestimmung nach Nummer 6080 GOZ das Eingliedern von Brackets und Bögen, also das Einsetzen einer „festen Klammer", nicht ausschließe, könne ihm keine solche Reichweite beigemessen werden wie vom Beklagten in dem Runderlass. Aus einer Zusammenschau der fraglichen Absätze der Abrechnungsbestimmung folge, dass die Absätze 2 und 3 gerade nicht die Abrechnung anderer Leistungen hätten ausschließen, sondern nur eine Beschränkung der Abrechenbarkeit der Kernpositionen hätten mit sich bringen sollen. Der Verordnungsgeber habe hiermit namentlich die mehrfache Abrechnung der Kernpositionen vor Ablauf des Vierjahreszeitraums bei einem Wechsel der Behandlungsapparatur verhindern wollen. Auch auf das Zielleistungsprinzip lasse sich die Auffassung des Beklagten nicht stützen.

Der Kläger hat beantragt,

das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Beihilfebescheides des MBU vom 3. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 zu verpflichten, ihm zu den Aufwendungen aus der Rechnung des Dr. … vom 2. Juli 2015 eine weitere Beihilfe in Höhe EUR 145,89 zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung seines Antrages hat er Bezug genommen auf den Inhalt der streitbefangenen Bescheide und ergänzend dargelegt: Eine Vorabanerkennung der kieferorthopädischen Behandlung sei nicht erfolgt.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Den streitigen Aufwendungen fehle es an der beihilferechtlichen Angemessenheit, was sich nach dem (zahn-)ärztlichen Gebührenrecht und dessen Auslegung beurteile, über das letztverbindlich die Zivilgerichte zu entscheiden hätten. Der Beklagte habe insoweit seine Rechtsauffassung im Erlasswege durchgehend klargestellt, und zwar dahin, dass Maßnahmen zur Retention bereits in den kieferorthopädischen Kernziffern (Nummern 6030 bis 6080 GOZ) berücksichtigt seien. Dabei handele es sich um eine vertretbare Auslegung der Gebührenordnung, die von einigen Zivilgerichten vertreten und auch durch den Wortlaut der neuen Abrechnungsbestimmung nach Nummer 6080 gestützt werde. Dass handwerkliche Leistungen des Kieferorthopäden den genannten Kernpositionen nicht unterfielen, möge zwar ebenfalls eine vertretbare und wohlbegründete Sichtweise darstellen. Sie werde aber nicht von einer einhelligen zivilgerichtlichen Rechtsprechung geteilt, so dass der Ausgang eines Rechtsstreits zwischen dem Kläger und dem Behandler als offen einzuschätzen sei. Eine eigenständige Bewertung durch das Verwaltungsgericht habe in einem solchen Falle nicht zu erfolgen.

Der Kläger hat die vom Senat zugelassene Berufung wie folgt begründet:

Das Verwaltungsgericht hätte statt der bloßen Vertretbarkeits- eine Vollprüfung des zahnärztlichen Gebührenrechts vornehmen müssen. Bei der gebotenen Auslegung sei die gesonderte Berechnung von Honoraren für das Eingliedern eines festsitzenden Retainers zulässig. Zwar sehe die GOZ hierfür keine spezielle Leistungsposition vor. Es gehe aber um eine selbstständige zahnärztliche Leistung und nicht um methodisch notwendige Bestandteile einer anderen Leistung. Entgegen der Auffassung des Beklagten seien nicht alle Maßnahmen zur Retention mit den Kernpositionen nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ abgegolten. Das wäre nur bei ausschließlicher und äußerst extensiver Auslegung des Wortlauts vertretbar. Die Kernpositionen fassten lediglich bestimmte, aber nicht sämtliche Leistungen einer kieferorthopädischen Behandlung zusammen. Das mache auch die systematische Auslegung deutlich. Die GOZ enthalte eine Reihe zusätzlicher Gebührenpositionen, insbesondere zu der Eingliederung oder Entfernung von (festsitzenden) Apparaturen oder Hilfsmitteln. Die vierte Abrechnungsbestimmung nach der Nummer 6080 GOZ verdeutliche im Umkehrschluss den Inhalt der Kern Positionen. Mit diesen abgegolten seien einerseits Maßnahmen zur Behandlungsführung, also Beratungen, Motivation, Mundhygieneanleitungen, aber andererseits auch Kontrolluntersuchungen und die Maßnahmen zur Eingliederung herausnehmbarer Behandlungsgeräte. Wäre auch die Eingliederung festsitzender Geräte mitumfasst, erschiene der durch die vierte Abrechnungsbestimmung normierte ausdrückliche Anwendungsausschluss sinnlos. Die Verordnungsbegründung lasse eine entsprechende Intention des Verordnungsgebers ebenfalls erkennen. Auch die Teleologie führe zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Sinn und Zweck der Einführung von Komplexleistungen sei es, im Rahmen einer kontinuierlich über einen längeren Zeitraum anhaltenden Behandlung regelmäßig anfallende Leistungen - wie hier die „intellektuellen" Behandlungsleistungen - pauschal abzugelten. Sollten auch die Gebühren für die Behandlung mit festsitzenden Geräten ausschließlich über die Kernpositionen abzurechnen sein, wäre entgegen dem Sinn der Komplexleistung eine angemessene Gebühr nicht mehr gewährleistet. Des Weiteren würde das Zielleistungsprinzip aber auch daran scheitern, dass die „handwerklichen" Leistungen nicht in der Leistungsbewertung berücksichtigt seien. Auch der Beklagte dürfte zur Eingliederung von Brackets und Bögen während der aktiven Phase der Behandlung die Gebührenpositionen 6100 und 6140 GOZ wohl erstatten. Die dritte Abrechnungsbestimmung enthalte bei richtiger Auslegung ebenfalls keinen Abrechnungsausschluss der hier streitbefangenen Leistungen. Sie stelle vielmehr eine Konkretisierung der Beschränkung der Abrechnungsfrequenz der Kernposition dar. Dies ergebe sich unmittelbar aus der Verordnungsbegründung. Die Eingliederung eines festsitzenden Retainers weise auch den gleichen Aufwand auf wie die Eingliederung eines festsitzenden Behandlungsgeräts. Es würden zwar keine „typischen Metall- brackets" eingegliedert. Vielmehr seien zur Aufnahme des (Retainer-)"Drahtes" Klebepunkte gesetzt worden. Auch das habe eine Positionierung erfordert. Diese Umstände schlössen eine direkte Abrechnung der streitigen Gebührenpositionen nicht aus, jedenfalls sei aber eine entsprechende Anwendung möglich. Eine geänderte Rechnung könne nötigenfalls jederzeit gestellt werden. Der Hilfsantrag sei vorsorglich gestellt worden.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach dem Klageantrag I. Instanz zu erkennen,
hilfsweise festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihm eine Beihilfe zu Aufwendungen für die Eingliederung eines festsitzenden Retainers zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung macht er geltend: Das Verwaltungsgericht habe zu Recht die beihilferechtliche Angemessenheit für die streitigen Gebührenpositionen verneint. Durch den Zusatz „einschließlich Retention" in den betreffenden Gebührennummern seien Maßnahmen zur Retention unzweifelhaft mit der Kernposition zusammen abgegolten. Die Retention sei im Übrigen seit langer Zeit Bestandteil der kieferorthopädischen Behandlung. Sie habe sich in den letzten Jahren auch nicht derart verändert, dass sie generell eine eigenständige Leistung neben der kieferorthopädischen Behandlung darstellen würde. Was etwaige Unsicherheiten in der Auslegung betreffe, habe der Dienstherr seine Rechtsauffassung durch Erlass klargestellt. Die Gebührennummern 6100 und 6140 GOZ eröffneten eigenständige Abrechnungsmöglichkeiten. Das bedeute jedoch nicht, dass diese auch neben den Kernpositionen beständen. Auch für die früher häufiger verwendeten herausnehmbaren Retentionsgeräte fehle es an einer eigenständigen Gebührenposition; Material- und Laborkosten könnten dagegen in Ansatz gebracht werden. Die unterschiedliche Behandlung der Retainer im Verhältnis zu den selbstständig berechenbaren aktiv therapeutischen Hilfsmitteln sei sachlich gerechtfertigt. In Bezug auf Nummer 6100 GOZ sei schon deswegen keine Gleichwertigkeit der festsitzenden Retainer gegeben, weil keine Brackets eingegliedert werden müssten. Hinsichtlich der Nummer 6140 GOZ sei der Retainerdraht einem KFO-Bogen mit dessen charakteristischen Eigenschaften (Elastizität, Rückstellkraft) ebenfalls nicht hinreichend vergleichbar. Die Berechnung der streitigen Gebührenpositionen sei deswegen auch wegen der Leistungsinhalte dieser Positionen nicht möglich. Das würde auch eine analoge Anwendung mitbetreffen, die in der Rechnung aber nicht einmal vorgenommen worden sei.

Hinsichtlich des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung des Senats vom 23. November 2018 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Verfahrensakten und des beigezogenen Verwaltungsvorganges (1 Heft) Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Berufung ist begründet.

Der Beihilfebescheid des vom 3. August 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. November 2015 ist in dem angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Der Kläger hat Anspruch auf Gewährung einer (weiteren) Beihilfe in Höhe von EUR 145,89 zu der Rechnung des Dr. … vom 2. Juli 2015, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die Leistungen des Kieferorthopäden für die Einbringung des festsitzenden Lingualretainers (Kleberetainers) können in entsprechender Anwendung der Gebührennummern 6100 und 6140 GOZ abgerechnet werden. Unschädlich ist, dass in der Rechnung nicht ausdrücklich auf die analoge Anwendung hingewiesen wird.

Der Kläger kann eine Beihilfe für die zahnärztliche Leistung der Einbringung des festsitzenden (geklebten) Lingualretainers analog den Gebührenpositionen 6100 GOZ (Eingliederung eines Klebebrackets) und 6140 GOZ (Eingliederung eines Teilbogens) verlangen.

Maßgeblich für das Bestehen eines Beihilfeanspruchs sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt des Entstehens der streitbefangenen Aufwendungen, hier im Juni 2015.

Vgl. etwa das Urteil des Senats vom 18. Mai 2018 - 1 A 1028/17-, juris, Rn. 34 f, m. w. N.

Gemäß § 77 (insbesondere Abs. 3 und 8) des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 21. April 2009 - LBG NRW 2009 -, GV. NRW. S. 224, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen vom 5. November 2009 - BVO NRW GV. NRW. S. 602, in der Fassung der Vierten Änderungsverordnung vom 15. November 2013, GV. NRW. S. 643, sind beihilfefähig die notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfange (u. a.) in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur Besserung und Linderung von Leiden und zur Beseitigung oder zum Ausgleich angeborener oder erworbener Körperschäden. Die Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Leistungen ergibt sich im Übrigen unmittelbar aus § 4 Abs. 2 BVO NRW, dessen besondere Voraussetzungen (Altersbegrenzung) nicht in Streit stehen.

Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung der Tochter des Klägers - hier das Einbringen eines festsitzenden Lingualretainers - ist unproblematisch gegeben. In der sog. Retentionsphase der kieferorthopädischen Behandlung wird das Ergebnis vorausgegangener kieferorthopädischer Maßnahmen dadurch langfristig gesichert, dass individuell hergestellte Retainer an der Lingualseite der Zähne fest eingegliedert werden, um insbesondere ein Zurückfallen der regulierten Zähne in ihre ursprüngliche Stellung sicher zu verhindern.

Der selbstständige Ansatz der Aufwendungen für das Einbringen des Lingualretainers ist beihilferechtlich angemessen. Maßgeblich ist insoweit das zahnärztliche Gebührenrecht, das der Senat im vorliegenden Fall selbst auslegen und voll überprüfen darf (dazu 1.). Danach können die kieferorthopädischen Leistungen für das Einbringen eines festsitzenden (geklebten) Lingualretainers zusätzlich zu dem (einmaligen) Ansatz der Nummern 6030 bis 6060 - hier konkret der Nummer 6050 - GOZ entsprechend den Nummern 6100 und 6140 GOZ selbständig abgerechnet werden. Dass die Rechnung vom 2. Juli 2015 keinen Hinweis auf die entsprechende Anwendung enthält, ist unschädlich (dazu 2.).

1.
Ob die Honorarforderung des Arztes für eine ärztliche oder zahnärztliche Behandlung angemessen ist, beurteilt sich nicht nur für das Rechtsverhältnis zwichen Arzt und Patient, sondern (jedenfalls soweit es wie hier keine abweichenden beihilferechtlichen Bestimmungen gibt) auch für das Beihilferecht ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der entsprechenden (zahn-)ärztlichen Gebührenordnung. Maßgebend ist insoweit die Auslegung des (zahn)ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte, die darüber letztverbindlich entscheiden.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2009 -2 C 79.08 juris, Rn. 14, und Beschluss vom 5. Januar 2011 - 2 B 55.10 -, juris, Rn. 4, jeweils m. w. N.
Ist - wie hier - eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg im konkreten Fall nicht ergangen und ist die streitige Auslegungsfrage zum ärztlichen Gebührenrecht auch nicht anderweitig von den Zivilgerichten höchstrichterlich geklärt oder durch eine einheitliche Rechtsprechung der Instanzgerichte beantwortet worden, hat der Dienstherr selbstständig zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Recht begründet sind. Da dem Dienstherrn insoweit ein Beurteilungs- oder Ermessensspielraum nicht zusteht, unterliegt diese Frage grundsätzlich der vollen verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.

Vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 - 2 C 10.95 -, juris, Rn. 20; OVG NRW, Urteil vom 15. März 2016 - 1 A 120/15 -, juris, Rn. 21.

Etwas anderes gilt nur, wenn die Berechnung von Aufwendungen auf einer (ernstlich) zweifelhaften Auslegung der einschlägigen Gebührenordnung beruht. Diese Aufwendungen sind beihilferechtlich „schon dann" als angemessen anzusehen, wenn der vom Arzt in Rechnung gestellte Betrag bei objektiver Betrachtung einer zumindest vertretbaren Auslegung der Gebührenordnung entspricht und der beihilfepflichtige Dienstherr nicht rechtzeitig für Klarheit über seine Auslegung der streitigen Gebührennummer(n) gesorgt hat.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 2009 - 2 C 79.08 -, juris, Rn. 14, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; ebenso nunmehr entsprechend zu Heilbehandlungskosten im Dienstunfallfürsorgerecht auch BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 2 C 19.16-, juris, Rn. 17 ff.

Der Vertretbarkeitsmaßstab erleichtert die beihilferechtliche Angemessenheitsprüfung ausschließlich zugunsten des Beihilfeberechtigten. Hat der Dienstherr seine Rechtsauffassung vorab nicht klargestellt und haben sich die Beihilfeberechtigten deswegen nicht rechtzeitig auf einen möglichen Ausfall an Beihilfezahlungen einstellen können, sollen objektive Unklarheiten der Gebührenordnung, die zu unterschiedlichen Auffassungen Anlass geben, nicht zu Lasten des Beihilfeberechtigten gehen. Aus Gründen der Fürsorgepflicht soll dieser nicht vor die Wahl gestellt werden, entweder auf eigenes Risiko eine rechtliche Auseinandersetzung über die objektiv zweifelhafte Rechtsposition zu führen oder den an sich auf die Beihilfe entfallenden Anteil des zweifelhaften Rechnungsbetrages selbst zu tragen.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Oktober 2017 - 2 C 19.16-, juris, Rn. 18.

Hat der Dienstherr dagegen seine Auslegung rechtzeitig vorab klargestellt, verbleibt es bei dem Grundsatz, dass die erforderliche (beihilferechtliche) Klärung den Verwaltungsgerichten obliegt, die das ärztliche Gebührenrecht umfassend auslegen.

Vgl. - eindeutig in diesem Sinne - BVerwG, Urteile vom 17. Februar 1994 - 2 C 10.92 -, juris, Rn. 12 ff., und vom 21. September 1995 - 2 C 33.94 -, juris, Rn. 12; wohl auch Urteil vom 28. Oktober 2004 - 2 C 34.03 -, juris, Rn. 17; siehe ferner ausführlich OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 29. Juni 2016 - 2 A 10634/15.OVG -, n. v., Seite 11 ff. des amtl. Abdrucks, sowie OVG NRW, Beschluss vom 8. Juni 2016 -1A 1660/15-, juris, Rn. 14.

Der Umstand, dass der Dienstherr seine Auslegung vorab bekannt gemacht hat, rechtfertigt es nicht, diese Auslegung nur einer (objektiven) Vertretbarkeitsprüfung zu unterziehen. Eine solche einseitige prozessuale Privilegierung ist auch nicht deshalb geboten, weil der Beihilfeberechtigte vorrangig eine zivilrechtliche Klärung der gebührenrechtlichen Fragestellungen hätte herbeiführen müssen. Der Beihilfeberechtigte ist auch bei dieser Sachlage hierzu nicht verpflichtet und hat das Fehlen einer zivilgerichtlichen Rechtsprechung - anders als der Dienstherr die fehlende rechtzeitige Offenlegung seiner Auslegung - nicht zu verantworten. Dennoch trüge er im Rechtsstreit erkennbar das höhere Risiko. Der Ausgang eines beihilferechtlichen Rechtsstreits hinge nämlich letztlich nur noch davon ab, ob der Dienstherr seine (vertretbare) Auslegung rechtzeitig verlautbart hat. Die Klage des Beihilfeberechtigten hätte selbst dann keinen Erfolg, wenn seine abweichende Auslegung besser vertretbar wäre. Auch ansonsten besteht bei dieser Sachlage kein schützenswertes Entscheidungsmonopol der Zivilgerichte, das bei einer verwaltungsgerichtlichen Vollprüfung unterlaufen würde.

An den Inhalt des Runderlasses des Finanzministeriums des Landes Nordrhein- Westfalen vom 16. November 2012 (Az. B 3100 - 3.1.6.2.A - IV A 4) ist der Senat von vorneherein nicht gebunden.

2.
Für die Eingliederung eines Lingualretainers (Kleberetainers) können neben Gebühren nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ selbstständig Gebühren entsprechend den Nummern 6100 und 6140 GOZ angesetzt werden. Es handelt sich nicht um nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ ausgeschlossene Doppelleistungen.

Die Gebührentatbestände der Nummern 6030 bis 6080 GOZ regeln keine Gebühr für eine Komplex- oder Zielleistung, sondern eine pauschale Grundgebühr, die die (auch intellektuelle) Gesamtleistung des Kieferorthopäden als solche honoriert. Dies ergibt die Auslegung der maßgeblichen Gebührentatbestände des Abschnitts G der GOZ anhand des Wortlauts, der Systematik und der Entstehungsgeschichte (dazu a). Die Nummern 6100 und 6140 GOZ sind nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ entsprechend auf die Eingliederung eines Lingualretainers anwendbar (dazu b). Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen entfällt nicht deshalb, weil in der Rechnung vom 2. Juli 2015 ein Hinweis darauf fehlt, dass die Gebührennummern 6100 und 6140 GOZ vorliegend nur analog angewendet wurden (dazu c).

a)
Die Nummern 6030, 6040 und 6050 GOZ regeln in Abschnitt G der GOZ unter der Überschrift „Kieferorthopädische Leistungen" - gestaffelt nach geringem, mittleren und hohem Umfang - die Gebühren für Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers einschließlich Retention. Die Nummern 6060, 6070 und 6080 GOZ regeln - ebenfalls gestaffelt nach dem Umfang - die Gebühren für Maßnahmen zur Einstellung der Kiefer in den Regelbiss in der Wachstumsphase einschließlich Retention. Diese Gebührentatbestände sind identisch mit den Vorgängerregelungen in Nummern 603 bis 608 GOZ 1988. Ebenfalls unverändert geblieben sind die Absätze 2 und 4 der zugehörigen Abrechnungsbestimmung. Absatz 2 bestimmt, dass die Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 alle im Behandlungsplan festgelegten Maßnahmen innerhalb eines Zeitraums von bis zu vier Jahren umfassen. Nach Absatz 4 sind neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ Leistungen nach den Nummern 6190 bis 6260 GOZ nicht berechnungsfähig. Mit der Neufassung der GOZ im Jahr 2012 neu hinzugekommen ist Absatz 3 der Abrechnungsbestimmung, wonach die Maßnahmen im Sinne der Nummern 6030 bis 6080 GOZ alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren umfassen, und zwar unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten.

Die Gebührentatbestände der Nummern 6100 ff. GOZ regeln konkrete kieferorthopädische Leistungen, wobei die Nummern 6100 bis 6180 GOZ Leistungen im Zusammenhang mit dem Einsetzen fester Behandlungsgeräte und Hilfsmittel (Multibänder, „Zahnspangen") beschreiben. Die Nummern 6180 ff. GOZ betreffen neben Leistungen im Zusammenhang mit dem Einsatz herausnehmbarer Behandlungsgeräte sowie der Kontrolle und Vorbereitung der kieferorthopädischen Behandlungen noch Leistungen der selbstständigen Behandlung von Zahnlücken (Diastema) und eines einzelnen verlagerten Zahnes.

aa)
Dem Wortlaut der Nummern 6030 bis 6080 einschließlich der Abrechnungsbestimmung allein lässt sich nicht eindeutig entnehmen, ob überhaupt und wenn ja, welche konkreten kieferorthopädischen (Einzel)Leistungen mit diesen Gebührentatbeständen abgegolten sind. Die Gebührentatbestände knüpfen - anders als die Nummern 6100 ff. GOZ - nicht ausdrücklich an konkrete zahnärztliche Einzel- oder Zielleistungen an, sondern an den Begriff der Maßnahme. Dieser wird inhaltlich nicht leistungsbezogen, sondern durch den angezielten Behandlungserfolg - die dauerhafte (stabile) Umformung eines Kiefers bzw. die dauerhafte (stabile) Einstellung der Kiefer - umgrenzt. Einer derart weiten, final determinierten Maßnahme können im Grundsatz alle dem Erfolg dienenden Tätigkeiten des Kieferorthopäden zugeordnet werden, also jedenfalls auch die in den folgenden Tatbeständen aufgeführten Einzelleistungen. Diese Zuordnung setzen in der Sache auch die - terminologisch leider nicht stimmigen - Absätze 2 und 3 der Abrechnungsbestimmung voraus. Danach „umfassen" die Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 alle Maßnahmen des Behandlungsplans bzw. „umfassen" die Maßnahmen im Sinne der Nummern 6030 bis 6080 alle Leistungen der Kieferumformung bzw. -einstellung. Das gebührenrechtliche Verhältnis zwischen den (handwerklichen) Einzelleistungen und den Maßnahmen im Sinne der Nummern 6030 bis 6080 wird damit allerdings nicht geregelt. Die Absätze 2 und 3 schließen vielmehr ausdrücklich nur - zeitraumbezogen - eine „Doppelleistung" dieser Nummern aus.

Das Verhältnis zwischen Einzelleistungen und Maßnahmen wird dagegen vom Wortlaut her in Absatz 4 der Abrechnungsbestimmung angesprochen. Danach sind Leistungen nach den Nummern 6190 bis 6260 GOZ „neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 nicht berechnungsfähig". Davon, dass diese Einzelleistungen von vorneherein als Bestandteile der Nummern 6030 bis 6080 GOZ mit diesen Gebührentatbeständen „abgegolten" wären, was dann letztlich nur klargestellt würde, ist hier allerdings nicht eindeutig die Rede, obwohl die GOZ diesen Begriff durchaus kennt und verwendet. Die Formulierung „nicht berechnungsfähig" ist daher auch für die Auslegung offen, dass die im Grundsatz mögliche, gleichzeitige Berechnung selbstständiger Gebührentatbestände für diese Fälle (ausnahmsweise) ausgeschlossen wird.

bb)
Diese Auslegung, dass die in den Nummern 6100 ff. aufgeführten kieferorthopädischen Einzelleistungen nicht aufgrund ihrer - dem Zusammenhang mit dem angezielten Maßnahmeerfolg geschuldeten - sachlichen Zuordnung zu den in den Nummern 6030 bis 6080 GOZ genannten Maßnahmen (auch) als Bestandteil dieser Gebührentatbestände mit abgegolten sind, wird durch die Systematik der Vorschriften und ihre Entstehungsgeschichte bestätigt. Dies beruht maßgeblich darauf, dass die Gebühren nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ ungeachtet der konkreten Ausgestaltung der für den Erfolg der Maßnahme erfor-derlichen Einzelleistungen über einen Vierjahreszeitraum nur einmal pauschal, und zwar gestaffelt danach, welchen Schwierigkeitsgrad die Gesamtleistung aufweist, angesetzt werden. Vor diesem Hintergrund müssen die Absätze 2 und 3 der Abrechnungsbestimmung nicht auf die konkrete Behandlungsmethode und die verwendeten Therapiegeräte eingehen. Besonderheiten, die sich aus der Wahl der Behandlungsart oder des Behandlungsmittel für die einzelne handwerkliche Leistung ergeben, sind für die Höhe dieser Gebühr ohne Bedeutung. Entsprechend stellt der (neue) Absatz 3 der Abrechnungsbestimmung auch (lediglich) klar, dass die Gebühr für die Gesamtleistung ungeachtet der Behand-lungsmethode und der Verwendung besonderer Therapiegeräte (z. B. Loops, Bögen, Attachments bei Alignern, festsitzende Retainer oder Kunststoffschienen) in einem Vier-Jahres-Zeitraum nur einmal abgerechnet werden darf.

Vgl. Amtliche Begründung zur ersten Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte, Bundesrats-Drucksache 566/11 vom 21. September 2011, S. 62; ferner Liebold/Raff/Wissing, GOZ, Stand: Dezember 2017, GOZ 6030 - 6050, Erl. 2.2.

Demgegenüber können Gebühren für die von dem jeweiligen Gebührentatbestand nach Nummern 6100 ff. GOZ erfasste handwerkliche Tätigkeit einzeln (ggf. sogar je Zahn) angesetzt werden. Wären mit den Nummern 6030 bis 6080 GOZ diese Tätigkeiten sämtlich abgegolten, wären nicht nur die Abrechnungspositionen des Abschnitts G der GOZ praktisch bedeutungslos, sondern dies wäre auch dem tatsächlichen handwerklichen Aufwand völlig unangemessen. Dass sich die Gebühren betragsmäßig deutlich unterscheiden, ändert hieran nichts. Die Gebühren nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ sind zum einen auf einen Vier-Jahres-Zeitraum ausgelegt und bilden zum anderen die Gesamtleistung einschließlich der auch im Geldwert hoch zu veranschlagenden intellektuellen Kernkompetenz des behandelnden Kieferorthopäden ab.

Vgl. hierzu etwa Liebold/Raff/Wissing, GOZ, Stand: Dezember 2017, GOZ-Nummern 6060 - 6080, Erl. 1.

Die gebührenrechtliche Selbstständigkeit der in den Nummern 6100 ff. GOZ aufgeführten Einzelleistungen entspricht schließlich auch dem Willen des Verordnungsgebers. Danach soll Absatz 4 der Abrechnungsbestimmung klarstellen, dass neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ die Leistungen nach den Nummern 6190 bis 6260 GOZ nicht berechnungsfähig sind. Damit könnten - so der Umkehrschluss des Verordnungsgebers - die übrigen Leistungen des Abschnitts G sowie diagnostische Leistungen außerhalb dieses Ab-schnitts (z. B. Abformung, Röntgen) neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ berechnet werden.

Vgl. Amtliche Begründung zur ersten Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte, Bundes- rats-Drucksache 566/11 vom 21. September 2011, S. 62.

Nach dem Kontext sind die „übrigen" Leistungen nach Abschnitt G jedenfalls die Leistungen nach den Nummern 6100 bis 6180 GOZ. Dies wird nach dem Kenntnisstand des Senats von den Beihilfestellen im Land Nordrhein-Westfalen im direkten Anwendungsbereich der Nummern 6100 und 6140 - Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel und Eingliederung eines Teilbogens - auch anerkannt.

Dafür, dass der zweite Satz der Amtlichen Begründung Leistungen der Retention, die bei Vorliegen der Vorgaben des § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ in analoger Anwendung dieser Nummern abrechenbar sind, nicht einbezieht, bietet die sprachliche Fassung keinen Anhalt.

Einer solchen Differenzierung steht im Übrigen auch die Fassung der Nummern 6030 bis 6080 GOZ einschließlich der Abrechnungsbestimmung klar entgegen. Die Nummern 6030 bis 6080 GOZ regeln die Abrechnung der Retention in gleicher Weise wie die Abrechnung der Umformung eines Kiefers bzw. der Einstellung des Kiefers. Es heißt insoweit wörtlich (nur): „einschließlich der Retention". Das ist nicht nur so zu verstehen, dass auch die Retentionsphase zu der Gesamtleistung als solcher gehört und in die Abrechnungsfrequenz der Nummern 6030 bis 6080 GOZ einzubeziehen ist. Mittelbar folgt daraus auch, dass die Einzelleistungen der Retention in derselben Weise selbstständig berechnungsfähig sind, wie die ausdrücklich aufgeführten Einzelleistungen der aktiven Behandlungsphase, vorausgesetzt die Vorgaben des § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ sind erfüllt. Andernfalls hätte es in erkennbarer Weise der Normierung differenzierender Kriterien für Maßnahmen der Retention bedurft. Mit Ausnahme der (ausdrücklich in Absatz 4 der Abrechnungsbestimmung als nicht berechnungsfähig ausgeschlossenen) Nummer 6210 GOZ (Kontrolle des Behandlungsverlaufs oder Weiterführung der Retention einschließlich kleiner Änderungen der Behandlungs- oder Retentionsgeräte, Therapiekontrolle der gesteuerten Extraktion) fehlt es hieran.

Vgl. etwa Liebold/Raff/Wissing, GOZ, Stand: Dezember 2017, 6030 - 6050, Erl. 2.2, und GOZ 6060 - 6080, Erl. 2.2, fünfzehnter und neunzehnter Spiegelstrich, auch zur Eingliederung festsitzender Kleberetainer.

Dass es bereits unter Geltung der alten GOZ „umstritten" gewesen sein soll, ob Retentionsmaßnahmen zusätzlich zu der Grundgebühr berechnet werden dürften, stellt diese Auslegung nicht in Frage. Dass es zu der Vorgängerfassung der GOZ insoweit eine einheitliche Auslegung in der Rechtsprechung der Zivilgerichte gegeben hätte, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich.

cc)
Auch aus dem - für den Anwendungsbereich der Gebührenordnung für Zahnärzte in § 4 Abs. 2 GOZ niedergelegten - Zielleistungsprinzip folgt nicht, dass zusätzliche handwerkliche Einzelleistungen im Rahmen der Kieferumformung oder Retention, wie hier die Eingliederung eines festsitzenden Lingualretainers, notwendig Bestandteil der pauschalen Grundgebühr nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ wären.

Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Nach § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ ist eine Leistung methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist. Grundvoraussetzung für die Abrechnung ist infolgedessen, dass es sich um eine selbstständige (zahn)ärztliehe Leistung handelt, wobei prinzipiell alle im Gebührenverzeichnis beschriebenen Leistungen hierfür in Betracht kommen.

Vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - III ZR 147/09 -, juris, Rn. 7, und vom 13. Mai 2004-III ZR 344/03-, juris, Rn. 7.

Wie oben ausgeführt betreffen die Nummern 6030 bis 6080 GOZ keine Zielleistung in diesem Sinne, sondern sie gelten pauschal die Gesamtleistung als solche ab.

dd)
Ergänzend wird angemerkt, dass auch die Rechtsprechung (u. a. der Zivilgerichte) zu der (früheren) Streitfrage, ob die Nummern 2100 und 2197 GOZ nebeneinander abrechenbar sind,

vgl. statt vieler BayVGH, Urteil vom 6. Juni 2016 - 14 BV 15.527 -, juris, mit zahlreichen weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung der Zivilgerichte in Rn. 22,

jedenfalls mittelbar diese Auslegung stützt. Dürfte bei einer kieferorthopädischen Behandlung die Nummer 6100 GOZ (Eingliederung von Klebebrackets) neben den Nummern 6030 bis 6080 GOZ nicht gesondert abgerechnet werden, würde sich die Frage nach einer Konkurrenz der Nummern 6100 und 2197 GOZ bei einer kieferorthopädischen Behandlung von vorneherein nicht stellen.

b)
Die Voraussetzungen für eine entsprechende Anwendung der Nummern 6100 und 6140 GOZ für die Eingliederung eines Kleberetainers liegen vor. Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ können selbständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses der GOZ berechnet werden. Das Einbringen eines festsitzenden Kleberetainers ist nach Art, Kosten- und Zeitaufwand mit den Leistungen nach Nummern 6100 und 6140 GOZ gleichwertig.

Für die Frage, ob die Eingliederung des Lingualretainers mit der Eingliederung eines einzelnen Klebebrackets nach Nummer 6100 GOZ gleichwertig ist, ist die an dem einzelnen Zahn durchgeführte kieferorthopädische Leistung und nicht der jeweils erforderliche Gesamtaufwand je Kiefer maßgeblich. Die danach zu betrachtenden handwerklichen Leistungen unterschieden sich nach Art und Zeitaufwand nicht wesentlich. Werden Klebebrackets eingegliedert, um nachfolgend orthodontische Hilfsmittel wie einen Teilbogen eingliedern zu können, muss jede einzelne Klebestelle für ein Bracket wie auch das Bracket selbst auf dem betroffenen Zahn passgenau so gesetzt werden, dass das einzusetzende Hilfsmittel seine Funktion effektiv und ohne Irritationen erfüllen kann. Entsprechendes gilt für die Positionierung der Klebestellen, mittels derer der aus Draht bestehende Lingualretainer direkt auf den Zähnen befestigt wird. Auch diese Klebestellen müssen so gewählt werden, dass es nach dem Einkleben des Retainers zu keinerlei Irritationen kommt und der Behandlungserfolg der kieferorthopädischen Therapie langfristig stabilisiert wird. Der Umstand, dass es insoweit an einer Leistung fehlt, die dem in Nummer 6100 GOZ zusätzlich enthaltenen Aufsetzen des einzelnen Klebebrackets auf die Klebestelle entspricht, ist unerheblich. Diese Teilleistung ist nämlich im Verhältnis zu der Teilleistung der korrekten Positionierung der Klebestellen nach Art und Zeitaufwand nur von untergeordneter Bedeutung.

Auch das eigentliche Einsetzen des Kleberetainers ist nach Art und Zeitaufwand jedenfalls nicht weniger aufwändig als das Eingliedern eines Teilbogens im Sinne der Nummer 6140 GOZ. Der Retainer wird direkt auf der Zahnoberfläche - zudem erschwerend auf der lingualen Seite der Zähne - angebracht, während der Teilbogen (nur noch) - labial - in bereits vorhandene Halterungen (nämlich die Klebebrackets) eingeführt werden muss. Dass beim Lingualretainer die (neben den Nummern 6100 und 6140 GOZ nicht zusätzlich abrechenbaren) Materialkosten für die Klebebrackets entfallen, ist auch vor diesem Hintergrund in dem noch erforderlichen Kostenvergleich unbeachtlich, zumal Lingualretainer von vorneherein weniger Zähne betreffen.

c)
Es ist unbeachtlich, dass die Rechnung vom 2. Juli 2015 nicht ausdrücklich darauf hinweist, dass die Gebührennummern vorliegend analog angewendet wurden. Ist eine zahnärztliche Leistung nach einer bestimmten Nummer der GOZ abgerechnet worden, obwohl es sich um eine entsprechende Leistung im Sinne des § 6 Abs. 1 GOZ handelt, und ist dies entgegen § 10 Abs. 4 GOZ nicht in der Rechnung vermerkt, ändert dies weder etwas an der beihilferechtlichen Angemessenheit und Notwendigkeit der Leistung noch an der Fälligkeit des geltend gemachten Betrages. Der Beihilfeanspruch besteht vielmehr auch dann, wenn zwar die in der Rechnung angeführte Gebührennummer nicht einschlägig ist, die zahnärztliche Leistung aber nach einer anderen Gebührennummer zu honorieren ist. Dies gilt auch bei entsprechender Anwendung einer Gebührennummer. Maßgeblich ist allein, ob dem Zahnarzt das geforderte Honorar von Rechts wegen zusteht, die Gebührenforderung also im Ergebnis in Einklang mit der zahnärztlichen Gebührenordnung steht. Das setzt zwar grundsätzlich auch deren Fälligkeit voraus, weil dem Beamten nur dann tatsächlich (berücksichtigungsfähige) Aufwendungen entstanden sind. Ein in der Rechnung ausgewiesener Betrag wird indes schon dann fällig, wenn die Rechnung die für die tatsächlich ausgewiesene Gebührennummer maßgeblichen formellen Vorgaben des § 10 GOZ erfüllt. Dies ist hier der Fall. Die Fälligkeit setzt nicht voraus, dass die Rechnung den formellen Anforderungen entspricht, die nach dem materiellen Gebührenrecht gelten würden.

Vgl. zum gleich gelagerten ärztlichen Gebührenrecht: BVerwG, Urteil vom 20. März 2008 - 2 C 19.06 -, juris, Rn. 19 ff.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 10, § 711 der Zivilprozessordnung.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO und des § 127 des Beamtenrechtsrahmengesetzes nicht gegeben sind.

(Rechtsmittelbelehrung)


Ausdruck Urteil - PDF

Zahnärztekammern der Länder
Positionen und Statements