Eingliederung eines festsitzenden Retainers gesondert berechenbar

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Eingliederung eines festsitzenden Retainers ist nicht mit den Kernpositionen nach den Nummern 6030 bis 6080 GOZ abgegolten und daher nach GOÄ-Nr. 2698 berechenbar.

Urteilstext


Tenor

1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 468,93 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 05.11.2015 zu zahlen.

2.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4 %, der Beklagte 96 %. Hiervon ausgenommen sind die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten, die dem Kläger auferlegt werden.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Beschluss

1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 468,93 zzgl. Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 05.11.2015 zu zahlen.

2.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4 %, der Beklagte 96 %. Hiervon ausgenommen sind die durch die Anrufung des unzuständigen Gerichts entstandenen Mehrkosten, die dem Kläger auferlegt werden.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Entscheidungsgründe

I.
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Kläger hat gegen den Beklagten einen Vergütungsanspruch aus § 630a Abs. 1 BGB in Bezug auf folgende Leistungen: EUR 174,86 nach Ä2698 für die Eingliederung des festsitzenden Retainers, EUR 35,76 nach BEB 0732 für Desinfektionsleistungen, EUR 74,48 nach BEB 1234 für die Einprobe des Übertragungstrays, EUR 46,04 nach BEB 0823 für die Erstellung eines Konstruktionsplans und weitere EUR 137,79 für die in den Rechnungen ausgewiesenen und bislang nicht bezahlten Leistungen. Im Übrigen war die Klage abzuweisen.

1.
Die am 11.03.2015 erbrachte Leistung „Anlegen und Fixation einer Schiene am unverletzten Ober- oder Unterkiefer" nach Ziffer Ä2698 in Höhe von EUR 174,86 wurde berechtigterweise abgerechnet. Der Kläger durfte die Honorarleistung Ä2698 für die Eingliederung des festsitzenden Retainers im Ober- und Unterkiefer zusätzlich zu der Gebührennummer GOZ 6040 verlangen. Diese durfte gesondert abgerechnet werden, denn die Honorarleistungen GOZ 6030 bis 6080 umfassen zwar alle Leistungen zur Einstellung der Kiefer in den Regelbiss einschließlich Retention, aber nur in Bezug auf deren Kernpositionen, worunter die Eingliederung eines festsitzenden Retainers nicht fällt. Dies ergibt sich aus Wortlaut und Begründung des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ).

Das Gebührenverzeichnis der GOZ enthält seit der Ersten Verordnung zur Änderung der Gebührenordnung für Zahnärzte vom 21.09.2011 folgende Regelung: „Die Maßnahmen im Sinne der Nummern 6030 bis 6080 umfassen alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren, unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten. Neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 sind Leistungen nach den Nummern 6190 bis 6260 nicht berechnungsfähig." Die Begründung des Kabinettentwurfs enthält im Übrigen folgenden Passus: „Die Ergänzung des dritten Absatzes der Abrechnungsbestimmung stellt klar, dass die Gebührennummern 6030 bis 6080 auch dann nur einmal in einem Vier-Jahres-Zeitraum abgerechnet werden dürfen, wenn besondere Behandlungsmethoden angewandt oder besondere Therapiegeräte (z. B. Loops, Bögen, Attachments bei Alignern, festsitzenden Retainer oder Kunststoffschienen) verwendet werden. Der vierte Absatz der Abrechnungsbestimmung stellt klar, dass neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 die Leistungen nach den Nummern 6190 bis 6260 nicht berechnungsfähig sind. Damit können die übrigen Leistungen des Abschnitts G sowie diagnostische Leistungen außerhalb dieses Abschnitts (z. B. Abformungen, Röntgen) neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 berechnet werden" (BR- Drs. 566/11, S. 62).

Hieraus folgt, dass die Einpassung festsitzender Retainer gesondert abgerechnet werden kann. Zwar regelt das Gebührenverzeichnis, dass alle genannten Leistungen unabhängig von der angewandten Behandlungsmethode von den Nummern 6030 bis 6080 umfasst sind.

Dass der Verordnungsgeber hierbei auch bestimmte Maßnahmen in Bezug auf festsitzende Retainer im Blick hatte, ergibt sich aus der Begründung des Kabinettentwurfs, wo diese als besondere Therapiegeräte innerhalb des Leistungsinhalts der Nummern 6030 bis 6080 ausdrücklich benannt werden. Aber der Bundeszahnärztekammer ist in ihrer Einschätzung zu folgen, dass mit der Berechnung nur vorbereitende Maßnahmen, z. B. Abformungen zur Herstellung von Behandlungsgeräten, sowie die Eingliederung von herausnehmbaren Apparaturen u. ä. abgegolten sind, während spezielle Maßnahmen wie die Eingliederung von Bögen gesondert abgerechnet werden können. Dies folgt zwingend daraus, dass die Verordnung lediglich für die Leistungen 6190 bis 6260 einen Ausschluss erklärt, die übrigen Leistungen des Abschnitts G sowie diagnostische Leistungen außerhalb dieses Abschnitts neben den Leistungen nach den Nummern 6030 bis 6080 aber berechnet werden können. Denn wenn Positionen wie die Eingliederung eines Teilbogens (GOZ 6140) oder die Eingliederung von Brackets (GOZ 6110) gesondert abrechenbar sind, ist daraus zu schließen, dass diese Leistungen eben nicht zum Bestandteil der Kernpositionen 6030 bis 6080 gemacht wurden. Die Sachverständige erklärt überzeugend, dass aufgrund der Identität des Verfahrens bei festsitzenden Retainern für diese das gleiche gelten muss wie für Brackets und Teilbögen. Dass die Eingliederung eines festsitzenden Retainers nicht nach Abschnitt G, sondern nach der GOÄ erfolgt, ist dabei unschädlich. Denn die GOZ hat gerade nicht nur bestimmte Abrechnungspositionen erlaubt, sondern umgekehrt den Ausschluss auf bestimmte Honorarleistungen beschränkt, unter die die Eingliederung eines festsitzenden Retainers nicht fällt.

Eine Abrechnung nach der Position Ä2698 ist im Übrigen auch inhaltlich richtig. Die Sachverständige erläutert, dass die Leistung des Eingliederns eines festsitzenden Retainers dem Arbeitsvorgang und Arbeitsumfang der Gebührenposition Ä2698 entspricht.

2.
Der Kläger hat auch einen Anspruch auf die nach BEB 0732 abgerechneten Kosten für die Desinfektion im Eigenlabor in Höhe von insgesamt EUR 35,76. Es handelt sich hierbei um eine medizinisch notwendige Desinfektionsmaßnahme, die immer beidseitig - also sowohl seitens der Zahnarztpraxis als auch seitens des Dentallabors - erfolgen muss, um die Übertragungskette von pathogenen Keimen zu unterbrechen. Wie die Sachverständige überzeugend ausführt, ist dies auch dann erforderlich, wenn die Laborarbeiten in den Räumlichkeiten der Praxis im Eigenlabor stattfinden. Denn es herrschen unterschiedliche Schutzmechanismen in den Behandlungsräumen, in denen üblicherweise stark geschützt mit Mundschutz und Handschuhen gearbeitet wird, und dem Dentallabor und der Gipsküche, wo die Menschen üblicherweise weniger geschützt agieren. Das Gericht schließt sich nicht der von der Beklagten in Bezug genommenen Auffassung des LG Hagen (Urt. v. 07.05.2013 - 4 0 358/10) an, das berücksichtigt, dass der dortige Sachverständige die Desinfektion als eine Selbstverständlichkeit erachtete, wie auch das Händewaschen vor der Behandlung eines Patienten eine Selbstverständlichkeit sei, für die der Zahnarzt keine Berechnung vornehme. Vielmehr überzeugen die gutachterlichen Wertungen im hiesigen Verfahren, dass es sich statt um „übliche Praxisabläufe" um eine selbständige, abrechenbare Laborleistung handelt. Denn die Desinfektion begründet einen nicht unerheblichen zeitlichen Mehraufwand im Labor (Für eine Routinedesinfektion werden die Abdrücke für 10 bis 15 Minuten in eine Tauchlösung gelegt, wobei auf eine vollständige Benetzung geachtet werden muss; Luftblasen am Abdruck müssen durch mehrmaliges Eintauchen vermieden und abschließend die Desinfektionslösung für 15 Sekunden unter fließendem Wasser abgespült werden).

3.
Die Laborleistung BEB 1234 (Einprobe Übertragungstray) in Höhe von EUR 74,48 wurde ebenfalls berechtigterweise abgerechnet.

Die Sachverständige hat überzeugend erläutert, dass es sich bei der Leistung um die Überprüfung des Übertragungstrays nach der Einprobe handelt und dies eine selbständige Laborleistung ist, die neu im Laborkatalog aufgenommen und berechnet werden konnte, da sie selbständig neben der GOZ 6100 steht und damit nach § 9 GOZ abrechenbar ist.

4.
Die Erstellung des Konstruktionsplans konnte als Laborleistung BEB 0823 in Höhe von EUR 46,04 abgerechnet werden.

Wie die Sachverständige überzeugend ausführt, ging diese Leistung weit über die bloße Dokumentationspflicht des Zahnarztes hinaus, da Anweisungen für die Techniker enthalten waren. Der angesetzte Preis liegt zwar über dem Durchschnittsgroßstadtpreis von ca. EUR 30,00 - 36,00, ist nach Überzeugung des Gerichts aufgrund der nicht in Zweifel gezogenen Bewertung der Sachverständigen aber noch als angemessen vertretbar.

5.
Dagegen wurde die Leistung BEB 0005 („Modell vorbereiten") in Höhe von insgesamt EUR 36,56 für das Beseitigen von Abformfehlern nicht berechtigterweise abgerechnet. Unter den Leistungsinhalt fällt nicht das Beseitigen von Abformfehlern, sondern nur nachfolgende Laborvorgänge am bearbeiteten Modell, die nach den nachvollziehbaren Angaben der Sachverständigen vorliegend nicht erforderlich waren. Denn es bedurfte nicht etwa eines Freilegens von Halteelementen, weil Retentionsschienen, wie die Sachverständige erläutert, keine Halteelemente und Schrauben enthalten.

6.
Für den Restbetrag in Höhe von EUR 137,79 besteht ein Anspruch aus § 630a Abs. 1 BGB. Die Beklagte hat trotz gerichtlichen Hinweises nicht substantiiert dargelegt, was sie der restlichen, mit Vorlage der Rechnung vom 31.03.2015 schlüssig dargelegten Forderung des Klägers von insgesamt EUR 505,49 über die zu den unter 1. bis 5. geltend gemachten Einwände hinaus entgegenhält.

II.
Der Kläger hat einen Anspruch auf die beantragten Zinsen aus §§ 280, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3, 288 Abs. 18GB.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 281 Abs, 3 Satz 2 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 11, 713 ZPO.


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