Entfernen eines Bogens/ Eingliederung eines Retainers

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Entfernung eines Bogens ist eine nach § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnende Leistung. Für die Berechnung kommt die Geb.-Nr. 2290 analog in Betracht.

Das Eingliedern eines Retainers ist – als Maßnahme der Retention – von den Geb.-Nrn. 6040 und 6060 umfasst.

 

Urteilstext


Tenor

Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt. Das beklagte Land wird unter Änderung seines Bescheides vom 02.02.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2015 in der Fassung vom 25.11.2016 verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 33,10 € zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 65 % und das beklagte Land zu 35 %.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


Tatbestand

Der Kläger ist als Beamter des beklagten Landes zu einem Bemessungssatz von 80 % der krankheitsbedingten Aufwendungen für seine berücksichtigungsfähige Tochter K.   beihilfeberechtigt. Mit seiner Klage begehrt er die Bewilligung einer weiteren Beihilfe für die kieferorthopädische Behandlung seiner Tochter.

 

Unter dem 19.01.2015 beantragte beim beklagten Land die Gewährung einer Beihilfe u.a. für Aufwendungen, die der Kieferorthopäde Dr. C1.       mit drei Rechnungen vom 04.07.2014, 26.09.2014 und 19.12.2014 in Höhe von 326,66 €, 149,50 € und 580,55 € für eine in der Zeit von Mai bis November 2014 bei seiner Tochter durchgeführte kieferorthopädische Behandlung geltend gemacht hatte.

 

Mit Bescheid vom 02.02.2015 bewilligte das beklagte Land dem Kläger eine Beihilfe in Höhe von 633,15 €. Dabei erkannte es von den insgesamt geltend gemachten Aufwendungen in Höhe von 1.056,71 € einen Betrag in Höhe von 791,43 € als beihilfefähig an. Dabei setzte es die mit Rechnung vom 04.07.2014 angesetzte Leistung GOZ 2197 (Adhäsive Befestigung) ab, weil die Befestigung des Klebebrackets bereits von der ebenfalls abgerechneten Leistung GOZ 6100 umfasst sei. Das beklagte Land setzte ferner die vom behandelnden Arzt zweimal – jeweils einmal in den Rechnungen vom 26.09.2014 und 16.12.2014 – analog für die Entfernung eines Bogens oder Teilbogens angesetzten Positionen 2290 (Entfernung einer Einlagefüllung, einer Krone, eines Brückenankers, Abtrennen eines Brückengliedes oder Steges oder Ähnliches) ab. Dafür setzte es analog die Position GOZ 6130 mit einem Steigerungssatz von 2,3 (2x 2,56 € statt 2 x 23,28 €  = minus 41,38 €) an. Die vom Zahnarzt mit der Rechnung vom 16.12.2014 analog für den Einsatz von Lingualretainern mit einem Steigerungssatz von 3,5 berechneten Positionen GOZ 6100 (Eingliederung eines Klebebracketts) und GOZ 6140 (Eingliederung eines Teilbogens) erkannte es nicht als beihilfefähig an, weil der Einsatz von Retainern mit den gleichzeitig berechneten Positionen GOZ 6040 und 6060 abgegolten sei.

 

Den Widerspruch des Klägers vom 06.02.2015 wies das beklagte Land mit Widerspruchsbescheid vom 09.07.2015 zurück.

 

Der Kläger hat am 10.08.2015 Klage erhoben, mit der er die Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 212,22 € begehrt. Zur Begründung trägt er vor, dass die Ziffn. GOZ 2197 und 6100 nach zivilgerichtlicher Rechtsprechung nebeneinander abrechenbar seien. Der Begriff „Eingliedern“ in GOZ 6100 umfasse nicht begriffsnotwendig das adhäsive Befestigen des Klebebrackets. Mit der Ziff. GOZ 2197 werde der intraoral erforderliche Mehraufwand abgegolten. Das beklagte Land könne sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg auf den Runderlass des Finanzministeriums NRW vom 16.11.2012 berufen, weil dieser keine außenrechtlich verbindliche Auslegung der GOZ darstelle. Die Entfernung eines Bogens sei mit dem analogen Ansatz der GOZ 2290 und nicht mit dem analogen Ansatz der GOZ 6130 abrechenbar. Die Eingliederung eines Retainers sei entgegen der Auffassung des beklagten Landes neben den Positionen GOZ 6030-6080 mit dem analogen Ansatz der Positionen GOZ 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets) und 6140 (Eingliederung eines Teilbogens) gesondert abrechenbar. Die Abrechnungsvorschrift zu GOZ 6080 stehe der gesonderten Abrechnung nicht entgegen.

 

Das beklagte Land hat den streitgegenständlichen Beihilfebescheid in der mündlichen Verhandlung geändert und dem Kläger für die vom Kieferorthopäden angesetzte Leistung GOZ 2197 eine weitere Beihilfe in Höhe von 42,11 € bewilligt. Insoweit haben die Beteiligten die Klage übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.

 

Der Kläger beantragt,

 

das beklagte Land unter Änderung seines Bescheides vom 02.02.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.07.2015 in der Fassung vom 25.11.2016 zu verpflichten, ihm eine weitere Beihilfe in Höhe von 170,11 € zu bewilligen.

 

Das beklagte Land beantragt, die Klage abzuweisen.

 

Es verweist auf die der Beihilfebewilligung entgegenstehenden Bestimmungen des Erlasses des Finanzministeriums vom 16.11.2012, an den die Beihilfestellen des beklagten Landes gebunden seien.

 

Wegen weiterer Einzelheiten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorganges des Beklagten.


Entscheidungsgründe

 

Soweit die Beteiligten die Klage in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO eingestellt. Im Übrigen hat die Klage hat lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung einer weiteren Beihilfe in Höhe von nur 33,10 €. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

 

Nach beihilferechtlichen Grundsätzen sind Aufwendungen beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (vgl. § 3 Abs. 1 BVO NRW). Bei der Behandlung durch Ärzte und Zahnärzte beurteilt sich die Angemessenheit ausschließlich nach dem Gebührenrahmen der maßgebenden ärztlichen Gebührenordnung. Besteht zwischen dem behandelten Beihilfeberechtigten und dem behandelnden Arzt Streit über die Berechtigung der ärztlichen Honorarforderung, ist für die Entscheidung, ob nach den Maßstäben des Beihilferechts Aufwendungen für ärztliche Leistungen angemessen sind, die Auslegung des ärztlichen Gebührenrechts durch die Zivilgerichte maßgebend. Ist – wie hier - eine Entscheidung im ordentlichen Rechtsweg nicht ergangen, hat der Dienstherr – und im Streitfall das Verwaltungsgericht – zu prüfen, ob die vom Arzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Gebührenrecht begründet sind,

 

              vgl. BVerwG, Urteil vom 16.12.2009 – 2 C 79/08 -, NVwZ-RR 2010, 365.

 

Der Kieferorthopäde hat für das Entfernen eines Bogens oder eines Teilbogens zutreffend die Ziff. 2290 GOZ analog angesetzt. Bei dem Entfernen eines Bogens oder Teilbogens handelt es ich wie bei dem Eingliedern eines Bogens oder Teilbogens (vgl. Ziff. 6140 GOZ) um eine selbständige Leistung. Ist eine selbständige zahnärztliche Leistung nicht in das Gebührenverzeichnis aufgenommen, kann für diese Leistung eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung des Gebührenverzeichnisses der GOZ berechnet werden (§ 6 Abs. 1 Satz 1 GOZ). Die Ziff. 2290 GOZ ist eine der Entfernung eines Bogens oder Teilbogens gleichwertige Leistung. Mit der Leistung 2290 GOZ wird die Entfernung anderer mit einem Bogen vergleichbarer zahntechnischer Apparaturen wie etwa einer Einlagefüllung, einer Krone, eines Brückenankers oder Steges abgegolten. Den gegenüber der Eingliederung eines Bogens oder Teilbogens geringerem Aufwand für das Entfernen des Bogens trägt der Ansatz der Ziff. 2290 GOZ angemessen dadurch Rechnung, dass für die Position 2290 GOZ mit 180 ein geringerer Punktwert als für das Eingliedern des Bogens nach Ziff. 6140 besteht, die einen Punktwert von 210 vorsieht,

 

              vgl. AG Pankow-Weißensee, Urteil vom 10.01.2014 - 6 C 46/13 -, juris.

 

Die für die Eingliederung eines Retainers mit der Rechnung vom 19.12.2014 analog berechneten Ziffn. 6100 und 6140 GOZ hat der Kieferorthopäde zu Unrecht angesetzt. Der Ansatz ist durch die Abrechungsvorschrift zu Ziff. 6080 GOZ ausgeschlossen. Nach dieser Abrechnungsvorschrift umfassen die Maßnahmen im Sinne der Nummern 6030 bis 6080 alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren, unanhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegräten. Die Eingliederung von Lingualretainern ist eine Maßnahme der Retention. Sie ist nach der genannten Abrechnungsvorschrift von den mit der Rechnung vom 19.12.2014 gleichzeitig abgerechneten Positionen 6040, 6060 GOZ umfasst.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Hierbei entsprach es billigem Ermessen i.S.V. § 161 Abs. 2 VwGO, dem beklagten Land die Kosten hinsichtlich des erledigten Teils des Streitgegenstandes aufzuerlegen, weil es den Kläger mit der Bewilligung einer weiteren Beihilfe zu der Position GOZ 2197 klaglos gestellt hat. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung an das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen zu, wenn sie von diesem zugelassen wird. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

 

  • 1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
  • 2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
  • 3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
  • 4. das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
  • 5. ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

 

Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte - ERVVO VG/FG - vom 7. November 2012, GV. NRW. S. 548) zu beantragen. Der Antrag auf Zulassung der Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Die Gründe, aus denen die Berufung zugelassen werden soll, sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils darzulegen. Die Begründung ist schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bei dem Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Aegidiikirchplatz 5, 48143 Münster, einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

 

Vor dem Oberverwaltungsgericht und bei Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird, muss sich jeder Beteiligte durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Als Prozessbevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, die die Befähigung zum Richteramt besitzen, für Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts auch eigene Beschäftigte oder Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts mit Befähigung zum Richteramt zugelassen. Darüber hinaus sind die in § 67 Abs. 4 der Verwaltungsgerichtsordnung im Übrigen bezeichneten ihnen kraft Gesetzes gleichgestellten Personen zugelassen.

 

Die Antragsschrift sollte dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.

 

Beschluss

 

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 212,22 € festgesetzt.

 

Gründe

 

Der festgesetzte Betrag entspricht der Höhe der streitigen Geldleistung (§ 52 Abs. 3 GKG).

 

Rechtsmittelbelehrung

 

Gegen diesen Beschluss kann schriftlich, zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Verwaltungsgerichten und Finanzgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (Elektronische Rechtsverkehrsverordnung Verwaltungs- und Finanzgerichte - ERVVO VG/FG - vom 7. November 2012, GV. NRW. S. 548) bei dem Verwaltungsgericht Köln, Appellhofplatz, 50667 Köln, Beschwerde eingelegt werden.

 

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

 

Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro übersteigt. Die Beschwerdeschrift sollte dreifach eingereicht werden. Im Fall der elektronischen Einreichung nach Maßgabe der ERVVO VG/FG bedarf es keiner Abschriften.

 

 

 

 

 


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