Urteilstext
Tenor
Das Landgericht Hildesheim - Zivilkammer 7 - hat auf der mündlichen Verhandlung vom 21.Oktober 2016 für Recht erkannt:
Die Berufung der Klägerin beim Amtsgericht ... wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gebührenstreitwert der Berufung: bis EUR 1.000,00.
Gründe
I.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Verordnungsgeber entgegen der Auffassung des Amtsgerichts mit der Abrechnungsbestimmung nach der Gebührenordnungsposition 6080 gerade nicht die Berechnungsfähigkeit regelmäßig anfallender Nebenleistungen habe beschränken wollen.
Vielmehr sollte hierdurch allein die Ansatzfrequenz der Kernpositionen selbst beschränkt werden, nicht aber die Abrechnung anderer Positionen. Ebenso fehl gehe der Ansatz des Vordergerichts, aus der Delegation der Leistung an Fachpersonal ein Argument für eine fehlende Berechnungsfähigkeit abzuleiten. Es handele sich nach $ 4 Abs. 2 GOZ um eigene Leistungen des Zahnarztes. Entgegen der Bewertung des Amtsgerichts zeige die systematische Auslegung, in deren Rahmen der 4. Absatz der Abrechnungsbestimmung nach der Gebührenordnungsposition 6080 einbezogen werden müsse, dass eine extensive Auslegung nicht dem Willen des Verordnungsgebers entspreche. Jedenfalls werde aus der amtlichen Begründung zur GOZ-Novelle in aller Klarheit der Wille des Verordnungsgebers deutlich, mit der Abrechnungsbestimmung nach der Gebührenordnungsposition 6080 gerade keine weitergehenden Abrechnungsausschlüsse regeln zu wollen. Tatsächlich sollten die Kernpositionen die Behandlungsführung über einen Zeitraum von 4 Quartalen abbilden.
Von diesen seien Beratung, motivatorische Gespräche, Behandlungskontrollen usw., also der intellektuelle Teil der kieferorthopädischen Behandlung umfasst, gerade aber nicht die "handwerklichen" Leistungen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils
1.
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von EUR 614,40 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 572,49 seit dem 04.08.2015 und aus EUR 42,91 seit dem 03.05.2016 zu zahlen und
2.
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, zukünftig die Gebührenposition 2290 GOZ im Zusammenhang mit der kieferorthopädischen Behandlung der beiden Kinder der Klägerin zu übernehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die zwischen den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden.
Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg.
1.
Zutreffend hat das Amtsgericht entschieden, dass die Klägerin von der Beklagten aus der zwischen den Parteien bestehenden Krankenkostenversicherung keine Erstattung der ihrem Ehemann gegenüber jeweils unter Ziffer GOZ 2290 abgerechneten Kosten für kieferorthopädische Behandlungen ihrer Kinder in den Jahren 2014 bis 2016 in Höhe von insgesamt EUR 614,40 gemäß S 192 Abs. 1 WG beanspruchen kann.
Eine gesonderte Abrechnungsfähigkeit der im Zusammenhang mit der kieferorthopädischen Behandlung der Kinder der Klägerin erbrachten Verrichtungen zur Entfernung von Bögen oder Teilbögen nach GOZ 2290 ist nicht gegeben, weil diese Leistungen bereits im Rahmen der unstreitig durch die Beklagte erfolgten Erstattung der Kernpositionen aus GOZ 6030 bis 6080 vollständig berücksichtigt worden sind.
Der Frage, ob allein der Wortlaut der einschlägigen Abrechnungsbestimmungen maßgeblich gegen eine gesonderte Vergütungsfähigkeit der streitgegenständlichen Leistungen spricht, kommt im Ergebnis keine streitentscheidende Bedeutung zu. Ebenso wenig kommt es darauf an, dass die durch die Klägerin erstattet verlangten Leistungen gemäß Ziffer 2290 GOZ nicht im Bereich der kieferorthopädischen Leistungen (Abschnitt G) aufgeführt sind, sondern ausdrücklich zu den konservierenden Leistungen (Abschnitt C) zählen. Schließlich kann auch die Frage, ob die Entfernung von Bögen oder Teilbögen aus einer Zahnspange überhaupt unter das Tatbestandsmerkmal ,,Ähnliches" nach Ziffer 2290 GOZ subsummiert werden kann, unbeantwortet bleiben. Denn die Systematik der Rechtsverordnung sowie Sinn und Zweck der genannten Abrechnungsvorschriften schließen eine zusätzliche Abrechnungsfähigkeit der Leistungen nach Ziffer 2290 GOZ neben den nach Ziffern 6030 bis 6080 zu berechnenden Leistungen aus.
Das in § 4 Abs. 2 GOZ niedergelegte Zielleistungsprinzip verbietet die zusätzliche Berechnung der Entfernung von Bögen nach Ziffer 2290 GOZ, weil es sich insoweit gerade nicht um eine medizinisch notwendige Leistung handelt. Denn das Ausgliedern eines Bogens ist notwendiger Bestandteil einer Wiedereingliederung. Gemäß § 4 Abs. 2 GOZ kann für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dabei ist eine Leistung dann methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist. Für die zahnärztlichen Leistungen zur Eingliederung der streitbetroffenen Bögen hat der Verordnungsgeber in der Gebührenordnung für Zahnärzte ausdrücklich gesonderte Positionen mit den Ziffern 6140 bis 6160 vorgesehen. Für das Ausgliedern eines Bogens ist dagegen in der GOZ keine gesonderte Position enthalten. Dies wird vor allem durch einen Vergleich mit Ziffer 2702 GOA verdeutlicht. Dort hat der Verordnungsgeber im Abschnitt IX (Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie) für die Entfernung eines Bogens eine gesonderte Vergütung vorgesehen, im Bereich der GOZ jedoch ausdrücklich darauf verzichtet (vgl. Landgericht Bayreuth, Urteil vom 28. Januar 2015, 13 S 113114). Da einerseits die Aufnahme einer entsprechenden gebührenrechtlichen Position im Zusammenhang mit dem Entfernen von Bögen bei der Novellierung der GOZ ausdrücklich nicht erfolgt ist und andererseits nach dem Referentenentwurf zur Verordnung der Novelle der GOZ 2012 es gerade die Zielsetzung des Verordnungsgebers war, dass "vielfach aufgetretene gebührenrechtliche Streitpunkte" geklärt werden sowie "häufig erbrachte, bisher nicht im Gebührenverzeichnis aufgenommene Leistungen" Aufnahme finden sollten, leitet sich hieraus die Schlussfolgerung ab, dass das Entfernen der Bögen bewusst nicht als eigenständige Position vom Verordnungsgeber hinterlegt worden ist. Vor dem Hintergrund der in der Abrechnungsbestimmung nach der Position 6080 GOZ enthaltenen Regelung, wonach mit den Positionen 6030 bis 6080 alle Leistungen zur Umformung bzw. Einstellung des Kiefers abgegolten sein sollen, ergibt sich hieraus, dass die vorliegend gesondert berechneten Leistungen zur Entfernung von Bögen bzw. Teilbögen bereits in den vorgenannten Kernpositionen enthalten sind.
Dieses Auslegungsergebnis wird nicht zuletzt dadurch bestätigt, dass die mit den Ziffern 6030 bis 6080 abgegoltenen Kernpositionen einen verhältnismäßig großen Aufwand darstellen. So werden hier bis zu 3600 Leistungspunkte angerechnet. lm Vergleich dazu steht das verhältnismäßig einfache Entfernen eines Bogens im Aufwand deutlich zurück. Es leuchtet unmittelbar ein, dass das Eingliedern und Einführen eines Bogens in den kleinteiligen medizinischen Apparat einer Zahnspange deutlich komplizierter und aufwendiger ist als das spätere Ausgliedern bzw. Entfernen eines Bogens, was daher demgegenüber vergleichsweise wenig Aufwand und Zeit erfordern dürfte. Dabei fällt ebenso in das Gewicht, dass diese Aufgabe - was zwischen den Parteien unstreitig ist - häufig an das medizinische Fachpersonal delegiert wird, was ebenfalls ein Indiz dafür darstellt, dass das Entfernen von Bögen bereits methodisch notwendiger Bestandteil der Zielleistung der Ziffern 6030 bis 6080 GOZ ist und gerade keine selbstständige zahnärztliche (aufwendige) Leistung darstellt.
2.
Die Feststellungsklage ist zulässig, insbesondere besteht zu Gunsten der Klägerin auch das notwendige Feststellungsinteresse im Sinne des § 256 Abs. 1 ZPO. Da eine gesonderte Abrechnungsfähigkeit der Gebührenposition 2290 GOZ im Zusammenhang mit der kieferorthopädischen Behandlung der beiden Kinder der Klägerin aus den vorstehenddargelegten Gründen nicht gegeben ist, ist die Klage indes unbegründet.
3.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Parteien vom 02. und 10.11.2016 haben der Kammer keine Veranlassung gegeben, die Wiedereröffnung der geschlossenen Verhandlung anzuordnen, §§ 296a,156 ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 543 Abs. 2 ZPO).