Geb.-Nrn. 6100 GOZ und 6110 GOZ neben den Kernpositionen nach Geb.-Nr. 6030 ff.

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Geb.-Nrn. 6100 und 6110 GOZ sind neben den Geb.-Nrn. 6030 bis 6080 GOZ gesondert berechenbar.

Urteilstext


In dem Rechtsstreit der_ ,Klägerin, gegen die  _Versicherung AG ,Beklagte, hat das Amtsgericht Köln auf die mündliche Verhandlung vom 22.01.2025 durch die Richterin _ am Amtsgericht  für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 766,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.02.2024 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
 
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand


Die Parteien streiten um Leistungsansprüche der Klägerin für eine  kieferorthopädische Behandlung aus einem bei der Beklagten bestehenden privaten Krankheitskostenzusatzversicherungsvertrag.

Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine Zahnzusatzversicherung, der die Erstattung kieferorthopädischer Leistungen bis zu einem Rechnungsbetrag von 4.500 EUR zu einem tariflichen Erstattungssatz von 100% vorsieht. Versicherte Person ist der Sohn der Versicherungsnehmerin, _. Der Sohn der Klägerin unterzog sich einer kieferorthopädischen Behandlung in der Praxis des Dr.med.dent. K in Köln. Dieser lag ein Heil- und Kostenplan vom 20.01.2023 zugrunde, für welchen die Beklagte eine eingeschränkte Kostenzusage erteilt hatte. Dr. K rechnete seine Leistungen u.a. mit den streitgegenständlichen Rechnungen vom 23.05.2023 (Anl. K5, BI. 34 f. dA.), 19.06.2023 (Anl. K6, BI. 36 dA.) und 11.07.2023 (Anl. K7, BI. 38 f. dA.) ab. Die Beklagte erstatte hiervon jeweils die zu den Ziffern 6100 und 6110 GOZ (Eingliederung bzw. Entfernung von Klebebrackets/Attachments) abgerechneten Beträge, insgesamt 766,79 EUR, nicht.

Die Klägerin ist der Ansicht, die Leistungen seien gebührenrechtlich rechtmäßig abgerechnet worden und daher durch die Beklagte an sie zu erstatten.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 766,79 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die für die Befestigung bzw. Entfernung der Klebebrackets in Ansatz gebrachten Gebühren (6100 GOZ und 6110 GOZ) seien bereits Teil der Zielleistung 6050 bzw. 6060 GOZ. Ein zusätzlicher Ansatz scheide deshalb aus.

Es wird weiter auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe



Die zulässige Klage ist begründet.


1.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 766,79 EUR aus § 192 Abs. 1 WG in Verbindung mit dem zwischen den Parteien geschlossenen Krankheitskostenversicherungsvertrag.

Nach § 192 Abs. 1 WG ist der Versicherer bei der Krankheitskostenversicherung verpflichtet, im vereinbarten Umfang die Aufwendungen für medizinisch notwendige Heilbehandlung wegen Krankheit oder Unfallfolgen und für sonstige vereinbarte Leistungen zu erstatten.

Neben der hier nicht in Streit stehenden medizinischen Notwendigkeit der Behandlung ist der Anspruch des Versicherungsnehmers auf eine Versicherungsleistung auf die Erstattung rechtlich begründeter Aufwendungen beschränkt. Voraussetzung für die Erstattungspflicht des Versicherers ist daher ein wirksamer und fälliger Vergütungsanspruch des Arztes gegen den Versicherungsnehmer. Ein solcher Vergütungsanspruch und damit eine entsprechende Leistungspflicht entsteht nur, wenn die Liquidation den gebührenrechtlichen Bestimmungen, namentlich der GOA, der GOZ und des KHEntgG, enstspricht (Spickhoff/ Eichelberger, 4. Aufl. 2022, WG § 192 Rn. 30; vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 24. Februar 2017 - 20 U 10/17; OLG Karlsruhe, Urteil vom 28. März 2017 - 12 U 143/16).

Es besteht ein Anspruch besteht auf die Erstattung von insgesamt 766,79 EUR für den Ansatz der Gebühren Ziff. 6100 und 6110 GOZ. Die Rechnungen des Behandlers stehen insofern im Einklang mit den einschlägigen gebührenrechtlichen Bestimmungen der GOZ. Die berechneten Ziff. 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel) und 6110 GOZ (Entfernung eines Klebebrackets einschließlich Polieren und gegebenenfalls Versiegelung des Zahnes) sind als selbständige Leistungen neben den Ziff. 6030 bis 6080 GOZ gesondert abrechenbar. Die Nummer Ziff. 6100 und 6110 GOZ sind nicht bereits Bestandteil einer anderen Leistung des Zahnarztes, § 4 Abs. 2 GOZ.

Es steht zwischen den Parteien nicht im Streit, dass es sich bei den im Rahmen der hier gewählten Alignertherapie eingesetzten Attachments um eine Form der Klebebrackets handelt als Befestigungselemente der kieferorthopädischen Korrekturapparatur handelt.

Ausweislich der Leistungsbeschreibung zu GOZ Ziff. 6080 umfassen die Maßnahmen im Sinne der GOZ Ziff. 6030 bis 6080 zwar alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention bzw. zur Einstellung des Unterkiefers in den Regelbiss innerhalb eines Zeitraums von bis zu vier Jahren, unabhängig von den angewandten Behandlungsmethoden oder den verwendeten Therapiegeräten. Sie honorieren damit die intellektuelle Leistung des Zahnarztes, die geplanten Zahnbewegungen zielgerichtet durchzuführen und zu steuern und den Behandlungsfortschritt zu überwachen. Damit erfassen die GOZ-Nrn. 6030 bis 6080 alle Zielleistungen, die speziell zur kieferorthopädischen Behandlung im eigentlichen Sinne gehören.

Indes beschreiben die Ziffern 6100 GOZ (Eingliederung) bzw. 6110 GOZ (Entfernung) wie auch die weiteren Ziffern bis 6180 jeweils bestimmte kieferorthopädische Einzelleistungen, deren gesonderte Berechnung neben Zielleistungsziffern 6030 bis 6080 GOZ ausweislich des Verordnungstextes gerade nicht ausgenommen ist. Als nicht gesondert berechnungsfähig benannt sind dort lediglich die Ziffern 6190 bis 6260 GOZ. Es handelt sich bei den Leistungen der Ziffern 6100 bis 6180 GOZ um Maßnahmen, die nicht zwingend Bestandteil einer kieferorthopädischen Behandlung sein müssen, sondern in Abhängigkeit von den verwendeten Therapiegeräten stehen.

Neben der Systematik des Verordnungstextes spricht für die gesonderte Abrechenbarkeit der Ziffern 6100 und 6110 GOZ letztlich, dass diese weitestgehend ohne Anwendungsbereich wären, sähe man die Eingliederung bzw. das Entfernen von Brackets stets von den Zielleistungsziffern 6030 bis 6080 GOZ erfasst. Ohne Verwendung einer entsprechend geplanten und gefertigten Apparatur, welche an den Brackets bzw. Attachments verankert wird, macht das Befestigen eines Brackets an einem Zahn schwerlich einen Sinn.
 
Dieses Verständnis des Verordnungstextes findet nach Auffassung des Gerichts seine Stütze in einem obiter dictum des Bundesverwaltungsgericht im Urteil vom 05.03.2021 (5 C 11/19} zu Fragen der Abrechenbarkeit der Eingliederung von Klebebrackets im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung. Das BVerwG führt ihm Rahmen der Diskussion zur - hier nicht in Streit stehenden - zusätzlichen Abrechenbarkeit der Ziff. 2197 GOZ (analog) unter Rn. 14 aus:

Die zwischen den Beteiligten allein im Streit stehende Frage, ob für die Eingliederung von Brackets im Rahmen einer kieferorthopädischen Behandlung neben der zweifelsfrei einschlägigen Nummer 6100 auch die Nummer 2197 Anlage 1 GOZ in Ansatz gebracht werden darf, hat der Beklagte zutreffend verneint. (Hervorhebungen diesseits).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den von der Beklagten in Bezug genommenen Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.02.2021 (5 C 7/19} und 05.03.2021 (5 C 8/19) zum Lingualretainer. Die Sachverhalte sind nicht vergleichbar, da die zitierten Urteile die Retentionsversorgung und, anders als das Urteil vom 05.03.2021 (5 C 11/19}, nicht den hier gegenständlichen Gebührenansatz bei der Eingliederung von Brackets außerhalb der Retainerversorgung behandeln.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

II.
Die Kostenentscheidung und die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus§§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Der Streitwert wird auf 766,79 EUR festgesetzt.

 


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