Individualisierung eines Konfektionslöffels/ medizinische Notwendigkeit der Lingualtechnik

Gericht: Landgericht Düsseldorf | Aktenzeichen: 9 O 396/ 14 | Dokumententyp: Urteil | Rechtskraft: aufgehoben durch OLG Düsseldorf 23 U 87/ 17
Paragraphen: § 1 - Anwendungsbereich , § 6 - Gebühren für andere Leistungen , § 9 - Ersatz von Auslagen für zahntechnische Leistungen
Gebührennummern: 5170

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Individualisierung eines Konfektionslöffels erfüllt die Anforderungen eines individuellen Löffels. Die Befestigung von Brackets in Lingualtechnik ist medizinisch notwendig und nicht bloße Kosmetik.

Urteilstext


Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von F 1.813,23 nebst Zinsen in Höhe 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für die außergerichtlichen Anwaltskosten einen Betrag in Höhe von F 887,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2014 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger zu 58% und die Beklagte zu 42%.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Der Kläger begehrt den Ausgleich von Behandlungskosten für eine kieferorthopädische Behandlung.

Der am 14.06.1967 geborene Kläger ist mit der Beklagten über eine Krankheitskostenversicherung verbunden.

 

Diesem Vertrag liegen die allgemeinen Versicherungsbedingungen (MB/KK) mit den Tarifbedingungen und dem Tarif PRIMO SB 2 Z+ in der Fassung von Januar 2015 zu Grunde. Der Tarif beinhaltet die Übernahme der erstattungsfähigen Aufwendungen medizinisch notwendiger Behandlungsmaßnahmen zu 75%.

Die Allgemeinen Versicherungsbedingungen enthalten unter anderem die folgenden Regelungen:

II.2. Zahnleistungen

Zahnärztliche Leistungen sind im Rahmen der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ/GOÄ) bis zu deren Höchstsätzen (siehe Anhang 1) erstattungsfähig.

Zahntechnische Leistungen gemäß Anhang 5 (Preis- und Leistungsverzeichnis für zahntechnische Leistungen) sind bis zu den dort genannten Preisen erstattungsfähig.

II.2.3 Kierferorthopädische Maßnahmen

Die erstattungsfähigen Aufwendungen werden zu 75% erstattet (vgl. auch Abschnitt II.2.4 Rechnungshöchstbeträge)

Bei kieferorthopädischen Maßnahmen ist die medizinische Notwendigkeit unabhängig von der Höhe des Rechnungsbetrages dem Versicherer vor Behandlungsbeginn immer durch einen Heil- und Kostenplan nachzuweisen.

II.2.4

Für Leistungen nach Abschnitt II.2.1 bis 2.3 gelten zusammen nachstehende erstattungsfähige Rechnungshöchstbeträge, aus denen die Leistung erbracht wird:

insgesamt

1.000 € im 1. Kalenderjahr,

2.000 € im 1. bis 2. Kalenderjahr,

3.000 € im 2. bis 3. Kalenderjahr,

4.000 € im 3. bis 4. Kalenderjahr,

5.000 € im 4. bis 5. Kalenderjahr,

5.000€ jährlich ab dem 6. Kalenderjahr.

Der jeweilige Höchstbetrag bezieht sich auf die für Behandlungen im jeweiligen Kalenderjahr bzw. den jeweiligen Kalenderjahren anfallenden erstattungsfähigen Aufwendungen.

In Anhang 5 des Tarifes befindet sich eine Auflistung, nach der zahntechnische Leistungen nur bis zu einem bestimmten Preis erstattungsfähig sind.

Der Kläger begab sich in die kieferorthopädische Behandlung des Herrn Dr. C. Dieser rechnete seine Leistungen in verschiedenen Rechnungen gegenüber dem Kläger ab, welcher die Rechnungen mit der Bitte um Ausgleich an die Beklagte weiter, welche die abgerechneten Beträge teilweise kürzte und einen Teil der Behandlungskosten erstattete.

Im Einzelnen:

Unter dem 01.04.2015 stelle Herr Dr. C die als Anlage K6 vorgelegte Rechnung über F 547,24. Dr. C rechnete hier unter anderem die Ziffer 5170 nach der Gebührenordnung für Zahnärzte („GOZ“) ab, wofür er einen Betrag in Höhe von F 80,00 ansetzte. Der Abrechnung dieser Ziffer lag zu Grunde, dass Herr Dr. C einen konfektionierten „Löffel“ zur Verwendung bei der Behandlung des Klägers individualisierte. Die Beklagte strich diese Position komplett.

Mit der als Anlage K7 vorgelegten Rechnung des vom 01.07.2015 Herr Dr. F 4.733,32 ab. Dieser Rechnung ging eine Rechnung unter dem gleichen Datum voraus, die einen Endbetrag in Höhe von F 3.983,11 aufwies. Dr. C ersetzte mit der zweiten Rechnung die Ziffer 6110 in Höhe von F 278,36 durch die Ziffer 6100 in Höhe von F 1.028,57. Der Kläger legte die Rechnungen der Beklagten mit der Bitte um tarifentsprechenden Ausgleich vor. Den Ausgleich der Abrechnung der Ziffer 6100 verweigerte die Beklagte zunächst mit der Begründung, es sei nicht angegeben, an welchen Zähnen die abgerechneten Leistungen vorgenommen worden seien. Nachdem Dr. C dies der Beklagten mitteilte, zahlte die Beklagte die Vergütung für diese Ziffer mit einem 3,5-fachen Steigerungssatz, was bei einer Zugrundelegung von 75% F 389,61 entsprach. Die Beklagte strich in dieser Abrechnung die analoge Anwendung der Ziffer GOÄ 5000 in Höhe von F 40,00. Diese Ziffer rechnete Dr. C für die Anfertigung von intra- und extraoralen Digitalaufnahmen ab, welche der Beurteilung der Beziehung zwischen Weichteilen und Zahnhartsubstanz sowie der Feststellung muskulärer Habits dienen sollten. Sie strich darüber hinaus die für eine Kontaktpunktreduzierung vorgenommene analoge Abrechnung der Ziffer 2130 GOZ und ersetzte diese durch die Ziffer 4030 GOZ in Höhe von F 5,05, woraus eine Kürzung in Höhe von F 24,95 folgte. Des Weiteren strich die Beklagte die Abrechnung der Ziffer 3100 GOZ in Höhe von F 1.028,57 und die in der Rechnung enthaltene Kostenrechnung des Fremdlabors Top-Service in Höhe von F 2.272,69.

Herr Dr. C stellte am 19.12.2015 eine Rechnung über F 1.526,78, welche der Kläger an die Beklagte mit der Bitte um tarifentsprechenden Ausgleich weiterleitete. Die Beklagte kürzte die hierin jeweils für eine Tätigkeit am 17.11.2015 und am 18.12.2015 abgerechnete Ziffer 2697 GOÄ um jeweils F 45,00 und dementsprechend die Rechnung um einen Gesamtbetrag in Höhe von F 90,00.

Unter dem 01.04.2016 rechnete Dr. C weitere F 846,51 ab. Diese Rechnung kürzte die Beklagte hinsichtlich der Ziffer 2697 GOÄ um F 45,00 und hinsichtlich der Ziffer 2197 GOZ um F 16,00.

Am 01.07.2016 stellte Dr. C eine weitere Rechnung über F 635,99, welche der Beklagten mit der Bitte um tarifentsprechenden Ausgleich vorgelegt wurde. Diese Rechnung kürzte die Beklagte hinsichtlich der Ziffer 2697 GOÄ um F 85,00.

Der Kläger hat die Behandlung inzwischen erfolgreich abgeschlossen.

Er behauptet, dass sämtliche von Dr. C vorgenommenen und abgerechneten Tätigkeiten medizinisch notwendig gewesen seien. Er ist der Ansicht, dass die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen unrechtmäßig erfolgten und ihm dementsprechend ein Anspruch auf tarifentsprechenden Ausgleich dieser Kürzungen in Höhe von 75% des Kürzungsbetrages zusteht.

Ursprünglich hat der Kläger beantragt,

1.                   festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die im Kostenvoranschlag vom 10.04.2014 aufgeführten Leistungen des Kieferorthopäden Dr. C, R-Straße, 40545 Düsseldorf, in Höhe von F 12.430,11 im tariflichen Umfang zu erstatten,

2.              die Beklagte zur Zahlung von F 887,03 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Nachdem die Beklagte die Kosten der kieferorthopädischen Behandlung teilweise übernommen hat, hatte der Kläger die Feststellungsklage mit Schriftsatz vom 25.11.2015 auf eine Zahlungsklage hinsichtlich noch offener Posten aus den Behandlungsrechnungen umgestellt. Dieser Antrag wurde letztmalig mit Schriftsatz vom 24.08.2016, auf welchen sich der Kläger in der mündlichen Verhandlung bezogen hat, erhöht.

Der Kläger beantragt nun,

2.       die Beklagte zur Zahlung von F 2.761,65 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu verurteilen,

3.       die Beklagte zur Zahlung von außergerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von F 887,03 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die in der Rechnung des Labors „Top-Service“ aufgeführten Leistungen seien nicht in Anhang 5 des Tarifes PRIMO SB 2 Z+ enthalten. Die darin abgerechnete linguale Fixierung der Brackets diene darüber hinaus rein ästhetischen Gründen und sei deshalb medizinisch nicht notwendig. Sie ist der Ansicht, dass die Abrechnung der Laborkosten hinsichtlich der Lingualtechnik schon deshalb nicht erstattungsfähig sei, da diese in der bereits vorgenommenen Abrechnung der GOZ-Ziffern 6100, 6120, 6140 und 6150 enthalten seien, was sich aus dem Anhang zur GOZ ergebe. Die Position 5170 GOZ aus der Rechnung vom 01.04.2015 sei nicht erstattungsfähig, da die vorgenommene Individualisierung eines konfektionierten Löffels nicht die Anforderungen an einen individuellen Löffel nach der GOZ erfülle. Die analoge Anwendung der Ziffer GOÄ 5000 sei nicht gerechtfertigt, da es sich bei der Kontaktpunktreduzierung um einen integralen C2 der GOZ-Ziffer 6090 handele, welche getrennt in Rechnung gestellt sei. Deshalb handele es sich um eine nicht zu ersetzende Doppelberechnung. Die Kosten der Ziffer GOÄ Nr. 2697 seien nicht erstattungsfähig, da die Einbringung von Apparaturen einen integralen C2 der kieferorthopädischen Behandlung darstelle, der nicht gesondert berechnungsfähig sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Ersatz der gesamten in Rechnung gestellten Ziffer 6100 GOZ. Diese sei zu einem 9,2-fachen Satz abgerechnet worden. Der zu Grunde liegende Tarif sehe allerdings eine Erstattung nur bis zu den Höchstsätzen der GOZ von 3,5 vor. Hinsichtlich der darüber hinausgehenden Kosten bestehe kein Anspruch auf Kostenersatz.

Das Gericht hat Beweis erhoben auf Grund der Beweisbeschlüsse vom 07.01.2016 (Bl. 111 GA) und 20.05.2016 (Bl. 156 GA) durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. H, sowie auf Grund des Beschlusses vom 04.10.2016 (Bl. 214 GA) durch Einholung eines Ergänzungsgutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Gutachten (Bl. 163 und 222 GA) verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist teilweise begründet.

I.

Die Umstellung von der ursprünglich verfolgten Feststellungs- in eine entsprechende Leistungsklage ist als Klageerweiterung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO zulässig (Greger in Zöller ZPO, 31. Auflage, § 264 Rn. 3b; BGH NJW 92, 2296).

Bei der Erhöhung der Klageforderung auf Grund der weiteren Rechnung des Herrn. Dr. C mit Schriftsatz vom 24.08.2016 (Bl. 189 GA) handelt es sich jedenfalls um eine sachdienliche Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO.

II.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 192 VVG i.V.m. den Versicherungsbedingungen ein Anspruch auf Übernahme der Behandlungskosten für medizinisch notwendige Behandlungen zu 75% zu, woraus ein Anspruch in der tenorierten Höhe folgt.

Auf Grundlage des vereinbarten Tarifes beteiligt sich der Kläger zu 25 % an den entstehenden Kosten, so dass sich der Erstattungsanspruch auf 75 % der Behandlungskosten beschränkt. Gemäß Ziffer II.2 der Versicherungsbedingungen zum Tarif Primo beschränkt sich die Einstandspflicht der Beklagten auf eine Übernahme der Kosten einer Zahnärztlichen Behandlung bis zu den in der GOZ festgelegten Höchstgrenze des 3,5-fachen Faktors der Ziffernabrechnung, § 5 GOZ.

Die Ziffer 2.3 der allgemeinen Versicherungsbedingungen, wonach vor Behandlungsbeginn ein Heil- und Kostenplan zu erstellen ist, steht dem klageweise geltend gemachten Anspruch nicht entgegen, da unter dem 10.4.2014 ein entsprechender Plan erstellt wurde.

(1) Die Beklagte ist verpflichtet, die Kosten der Individualisierung von 2 konfektionierten Löffeln zu erstatten. Die diesbezüglich in der Rechnung vom 01.04.2015 vorgenommene zweifache Abrechnung der Ziffer 5170 GOZ mit einem Faktor von 2,84 und der sich daraus ergebene Betrag von F 80,00 sind nicht zu beanstanden. Unter Berücksichtigung eines Erstattungsanspruches in Höhe von 75% der Behandlungskosten folgt hieraus eine dem Kläger zustehende Forderung in Höhe von F 60,00.

Aufgrund des von dem Gericht eingeholten Sachverständigengutachtens des Dr. H steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Individualisierung eines konfektionierten Löffels über die Ziffer 5170 GOZ abrechenbar ist und im vorliegenden Fall sowohl hinsichtlich des Löffels für den Ober- als auch für den Unterkiefer medizinisch indiziert war. Es liegen keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Qualifikation des Gutachters oder an der Zugrundelegung einer zutreffenden Tatsachengrundlage vor. Das Gutachten ist insbesondere in sich schlüssig und der Gutachter setzt sich in dem Gutachten mit einschlägiger Fachliteratur und wissenschaftlichen Methoden auseinander.

 

Aus dem Gutachten geht hervor, dass die für das Behandlungsziel zu erreichende Passgenauigkeit der Brackets mit konfektionierten Löffeln nicht erreichbar war. Deshalb mussten die Löffel individuell angepasst werden.

 

Die Anpassung der konfektionierten Löffel ist über die Ziffer 5170 abrechenbar. Dies geht aus dem Kommentar der Bundesärztekammer zur GOZ hervor, welcher zur Ziffer 5170 ausdrücklich bestimmt:

„Die Individualisierung eines Konfektionslöffels […] erfüllt die Anforderung an einen individuellen Löffel

 

Dies wird von dem eingeholten Sachverständigengutachten bestätigt.

Gegen die Höhe der Abrechnungen wurden keinerlei Einwände erhoben. Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Fehlerhaftigkeit liegen nicht vor.

(2) Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz von 75% der analogen Abrechnung der Ziffer 5000 GOÄ und somit ein dementsprechender Zahlungsanspruch in Höhe von F 30,00 zu.

Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung war unberechtigt. Aus dem Sachverständigengutachten des Dr. H ergibt sich, dass die Anfertigung der zusätzlichen Fotos forensisch indiziert war, da diese als Hilfsmittel für die Diagnostik und Planung notwendig waren.

Ausweislich der zutreffenden Ausführungen des Sachverständigen sind die angefertigten intra- und extraoralen Fotoaufnahmen nur über eine analoge Anwendung der Ziffer 5000 GOÄ abzurechnen. Auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Gutachten (Bl. 174 f. GA) wird verwiesen.

(3) Auf Grund des Gutachtens steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass die Kontaktpunktreduzierung hinsichtlich der beiden Ersatzzähne im Rahmen einer Restaurationsleistung medizinisch indiziert und dementsprechend über eine analoge Anwendung der Ziffer 2130 GOZ abrechenbar ist. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung in Höhe von F 24,95 ist dementsprechend unrechtmäßig und dem Kläger steht ein Anspruch auf Ersatz der Kosten zu 75%, folglich in Höhe von F 18,71 zu.

(4) Die Beklagte ist verpflichtet dem Kläger die Kosten aus der Rechnung des Labors Top-Service in Höhe von F 1.704,52 zu ersetzen. Die Kosten des vorstehenden Labors sind in dem Behandlungsplan enthalten.

Die in der Abrechnung des Herrn Dr. C aufgeführte Position „Fremdlabor Top-Service“ bezieht sich auf die Rechnung der 3M E2 GmbH (Bl. 85 d.A.). In dieser sind die Kosten der individuellen Herstellung der Materialien der lingualen Bracket-Apparatur ausgewiesen.

Die Kosten für die Verwendung von Standardmaterialien der Behandlung sind grundsätzlich in der Abrechnung der Ziffer 6100 GOZ inbegriffen. Die Ziffer 6100 GOZ bestimmt, dass eine zusätzliche Vergütung für Mehrkosten für darüber hinausgehende Materialien gesondert berechnet werden können, wenn dies vor der Verwendung mit dem Zahlungspflichtigen nach persönlicher Absprache schriftlich vereinbart worden ist. Diese Vereinbarung hat Angaben über die voraussichtliche Höhe der einzelnen Material- und Laborkosten und die Material- und Laborkosten der in Abzug zu bringenden Standardmaterialien zu enthalten. In der Vereinbarung ist darauf hinzuweisen, dass eine Erstattung durch Erstattungsstellen möglicherweise nicht im vollen Umfang gewährleistet ist.

Eine solche Vereinbarung hat der Kläger mit dem ihn behandelnden Arzt geschlossen (Bl. 8 d.A.)

Auf Grund des eingeholten Gutachtens steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Verwendung dieser Materialien zur Anbringung der Brackets in der lingualen Technik auch medizinisch notwendig war und nicht nur unter den Gesichtspunkt der Ästhetik fällt. Der Sachverständige führt in seinem Gutachten überzeugend aus, dass vorliegend die Verwendung der lingualen Technik vorzugswürdig ist, da der Kiefer des Klägers protrudiert stehende Schneidezähne aufwies und durch die linguale Technik sowohl die Retrusion der Schneidezähne als auch die meist notwendige aktive Bisshebung leichter zu erreichen sind. Darüber hinaus kann durch diese Technik bei dem Kläger ein weiterer Knochenverlust vermieden werden. Die Anbringung einer vestibulären Apparatur könnte bei dem Kläger zu einem Verlust der Beweglichkeit der Lippen und somit unnötigen Ess- und Sprachstörungen führen.

Es kommt vorliegend nicht darauf an, ob die von dem Labor abgerechneten Leistungen in Anhang 5 enthalten sind. Der Anhang 5 bezieht sich auf die Kosten einer zahntechnischen Leistung. Die Laborkosten sind aber vorliegend im Hinblick auf Materialkosten einer zahnärztlichen Leistung nach der GOZ entstanden. Bei zahntechnischen Leistungen handelt es sich im Hinblick auf § 9 GOZ sowie den entsprechenden Kommentar der Bundesärztekammer um solche Leistungen, die durch eine handwerkliche Tätigkeit geprägt sind. Zwar weist auch das aufkleben von Brackets eine gewisse handwerkliche Prägung auf, für die Tätigkeit ist aber die Ziffer 6100 GOZ abrechenbar, so dass es sich eindeutig um eine zahnärztliche Leistung handelt und die Anlage 5 nicht anwendbar ist.

Dem Kläger steht dementsprechend ein Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von 75 % der Rechnung des Labors Top Service zu. Hieraus folgt ein Zahlungsanspruch in Höhe von F 1.704,52.

(5) Ihm stand hinsichtlich der 24.04.2015 in Rechnung gestellten Ziffer 6100 ein Anspruch auf Ausgleich von 75% dieser Ziffer zu dem Höchstsatz der GOZ (F 389,61). Dieser Anspruch ist gemäß § 362 Abs. 1 BGB durch die Zahlung der Beklagten vom 14.01.2016 durch Erfüllung erloschen.

Ausweislich der Ziffer 2 der Vertragsbedingungen zum Tarif Primo ist die Erstattungspflicht der Beklagten auf eine Erstattung des 3,5-fachen Ziffernsatzes begrenzt. Insofern zwischen dem Patienten und dem Arzt eine Abrechnung vereinbart wurde, die eine wirksame Abrechnung mit dem Faktor 9,2 vorsieht, so berührt dies das Verhältnis von Patient zum Versicherer nicht.

Der Regelungsgehalt Allgemeiner Versicherungsbedingungen, wie der im Streit stehenden Klausel, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, die sich nach dem Verständnis eines durchschnittlichen, um Verständnis bemühten Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse richtet (vgl. BGHZ 123, 83). Maßgeblich ist hierbei primär der Wortlaut der Klausel.

Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer wird die vorliegende Klausel dahingehend verstehen, dass bei Leistungen, die nach der GOZ abzurechnen sind, der dort enthaltene Höchstsatz von 3,5 auch in Verhältnis zwischen ihm und seiner Versicherung gilt und sein Anspruch dementsprechend beschränkt ist. Anders lässt sich die Wendung „bis zu“ auch nach einem allgemeinen Verständnis nicht auslegen. Die Formulierung „bis zu“ bzw. der Begriff „Höchstsatz“ ist bereits nach allgemeinem Sprachverständnis eindeutig im Sinne einer Obergrenze zu verstehen (OLG Hamm, 25.03.2015 r+s 2015, 510, beck-online).

Gegen die Wirksamkeit dieser Klausel bestehen auch keine Bedenken. Aus den vorstehenden Gründen besteht eine Unklarheit der Klausel nach § 305 Abs. 2 BGB nicht. (OLG Hamm a.a.O.)

Hinsichtlich der Transparenz der Klausel führt das OLG Hamm (a.a.O.) zutreffend aus:

Das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verlangt eine möglichst klare, einfache und präzise Darstellung der vertraglichen Regelungen. Wirtschaftliche Nachteile und Belastungen für den Vertragspartner sind so deutlich zu machen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann (Palandt/Grüneberg, BGB 74. Aufl. 2015, § 305, Rn. 21; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG 29. Aufl. 2015, Einl. I, Rn. 153; BGH, r + s 2009, 420). Einem durchschnittlichen VN erschließt sich mit dem Verweis auf die jeweils gültigen amtlichen Gebührenordnungen ohne weiteres, dass die zu erstattenden Zahnarztkosten nach gesetzlichen Regelwerken, nämlich den in Bezug genommenen Gebührenordnungen, zu berechnen sind und dass diese bestimmte Höchstsätze beinhalten, deren Überschreitung nicht erstattet wird.

[…]

Im Übrigen ist ein Verstoß gegen das Transparenzgebot, aus § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht schon dann gegeben, wenn der Versicherte keine oder nur eine erschwerte Möglichkeit hat, die betreffende Regelung zu verstehen. Das Transparenzgebot soll der Gefahr vorbeugen, den VN von der Durchsetzung bestehender Rechte abzuhalten. Erst in der Gefahr, dass der Versicherte wegen unklar abgefasster AGB seine Rechte nicht wahrnimmt, liegt eine unangemessene Benachteiligung i. S. v. § 307 Abs. 1 BGB (BGH, VersR 2013, 344). Eine solche Gefahr ist hier weder dargelegt noch sonst erkennbar. Dass sich die Rechtsstellung des Kl. durch den Verweis auf die Gebührenordnungen verschlechtert, zeigt die Berufung nicht auf.

Die Klausel benachteiligt den Versicherungsnehmer auch nicht unangemessen, da ein berechtigtes Interesse des Versicherers daran besteht, seine Leistungspflicht auf die Höchstsätze der jeweiligen Gebührenordnung zu begrenzen (OLG Hamm, a.a.O.).

(6) Hinsichtlich der analogen Abrechnung der Ziffer 2697 GOZ besteht kein Anspruch des Klägers auf Ausgleich der Kosten, da schon kein Anspruch seitens des behandelnden Arztes gegen den Kläger besteht. Auf Grund der Ausführungen des Sachverständigen steht zur Überzeugung des Gerichtes fest, dass die Anbringung einer Drahtligatur C2 der Bogen-, bzw. Teilbogentechnik ist. Diese Tätigkeit ist mit der Ziffer 6050 GOZ abgegolten, so dass für eine analoge Abrechnung der Ziffer 2697 GOZ kein Raum ist.

(7) Ziffer II.2.4 der AVB steht dem Anspruch auch nicht entgegen. Im Hinblick auf die vorliegend berechtigten Leistungen sind die Höchstsätze in keinem der Kalenderjahre überschritten worden. Dass die Höchstsätze auf Grund weiterer, nicht streitgegenständlicher Rechnungen überschritten wurden, wurde nicht vorgetragen.

III.

Der Kläger verfügt gegen die Beklagte über ein Anspruch auf Ersatz der außergerichtlich entstandenen Anwaltskosten über die §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 BGB in Höhe von F 887,03.

IV.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB. Die Rechtshängigkeit bestimmt sich nach § 261 Abs. 1 und Abs. 2 BGB, sodass der Anspruch auf Zinszahlung gemäß § 187 Abs. 1 BGB jeweils an dem auf die Zustellung des jeweiligen Schriftsatzes folgenden Tag beginnt. Mit Schriftsatz vom 27.11.2015, der Beklagten am 11.12.2015 zugegangen, hat der Kläger sein Hauptbegehren in einen Zahlungsanspruch umgewandelt. Hierbei hat der Kläger sämtliche vorliegend zugesprochenen Positionen bereits geltend gemacht, sodass hinsichtlich des Hauptantrages ein Zinsanspruch seit dem 12.12.2015 besteht.

Der Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Anwaltskosten hat der Kläger bereits mit der Klage geltend gemacht, welche der Beklagten am 19.12.2014 zugestellt worden ist. Dementsprechend besteht ein Zinsanspruch seit dem 20.12.2014.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 91a Abs. 1 ZPO. Durch das streitige Verhandeln zu der Kostentragungspflicht hinsichtlich des Feststellungsantrages haben die Parteien den die Leistungsklage überschreitenden Teil der Feststellungsklage konkludent und übereinstimmend für erledigt erklärt (BGH 12.03.1991, XI ZR 148/90, NJW-RR 1991, 1211; Vollkommer in Zöller ZPO, § 91a Rn. 10). Die Kostentragung hinsichtlich des erledigten Teils richtet sich nach § 91a Abs. 1 ZPO, wonach das Gericht über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen durch Beschluss entscheidet. Die Beklagte befand sich zum Zeitpunkt der Klageerhebung in Verzug, § 192 Abs. 8 S. 2 Alt. 2 VVG. In dem Schreiben vom 11.04.2014 liegt keine Anerkennung des Behandlungsplanes, sondern eine weitgehende Ablehnung des selbigen, so dass die Klage vorliegend geboten war und die Kosten nicht entsprechend § 93 ZPO dem Kläger aufzuerlegen sind. Hinsichtlich des erledigten Teils war die Klage in Höhe von 75% der berechtigten Behandlungskosten begründet. Die Parteien haben sämtliche streitigen Positionen der Rechnungen in die Leistungsklage eingeführt. Dementsprechend handelt es sich bei den von der Beklagten außergerichtlich erbrachten Leistungen um den ursprünglich begründeten Teil der für erledigt erklärten Forderung.

VI.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

VII.

Der Streitwert wird festgesetzt auf F 9.944,09 bis zum 01.12.2015, auf F 2.584,65 vom 02.12.2015 bis zum 26.08.2016 und auf F 2.761,65 seit dem 27.08.2016.

Der Streitwert der positiven Feststellungsklage richtet sich nach den erwarteten Behandlungskosten von 12.430,11, wobei bei der Berechnung des Streitwertes positiver Feststellungsklagen ein Abschlag von 20% vorzunehmen ist (Herget in Zöller ZPO, 3. Auflage, § 3 Rn. 16 Unterpunkt „Feststellungsklage“).

Rechtsbehelfsbelehrung

A) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Landgericht Düsseldorf statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 F übersteigt oder das Landgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Düsseldorf, X-Straße, 40227 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

B) Gegen den Beschluss nach § 91 a Abs. 1 ZPO ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wenn der Wert der Hauptsache 600,00 F und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 F übersteigt. Die sofortige Beschwerde ist bei dem Landgericht Düsseldorf, X-Straße, 40227 Düsseldorf, oder dem  Oberlandesgericht Düsseldorf, D-Allee, 40474 Düsseldorf, schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Landgericht Düsseldorf oder dem  Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses.

 

 

 


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