Kompositaufbauten analog berechnungsfähig

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Dentinadhäsiv befestigte mehrfach geschichtete Kompositaufbauten sind gemäß § 6 Abs. 1 GOZ berechenbar.

Urteilstext


Tenor

Das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 205, im schriftlichen Verfahren, bei dem Schriftsätze bis zum 22.04.2014 eingereicht werden konn­ten, durch den Richter am Amtsgericht ... hat für Recht erkannt:

1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 240,60 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.9.2012 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 37 % und die Beklagte 63 % zu tragen.

3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 


Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 313a, 511 ZPO abgesehen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen jedoch unbegründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem Krankenversicherungsvertrag im Tarif ... der auch zahnärztliche Leistungen umfasst, in Verbindung mit der von ihr vollstän­dig bezahlten Rechnung ihres Zahnarztes vom 30.6.2012 einen Anspruch auf Erstat­tung weiterer Zahnbehandlungskosten von EUR 240,60 für die Leistung „dentinadhäsiv, mehrfach geschichteter Aufbau eines Zahnes" bezüglich der Zähne 17, 16 und 26.

Für diese Behandlung konnte der Zahnarzt nach § 6 Abs. 1 S. 1 GOZ in Verbindung mit Ziff. 2120 (analog) des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen pro Zahn (bei einem 2,3-fachen Gebührensatz) EUR 99,60 abrechnen. In dieser Höhe hat die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag daher die Aufwendungen der Kläge­rin zu erstatten.

Das steht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aufgrund des Gutachtens vom 16.5.2013 und des Ergänzungsgutachtens vom 24.2.2014, erstattet von der Zahnärzte­kammer Berlin durch den Sachverständigen ... zur Überzeugung des Gerichts fest.

Bei der streitgegenständlichen Behandlung handelt es sich um eine selbstständige zahnärztliche Leistung, die nicht Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen im Gebührenverzeichnis enthaltenen Leistung ist, sodass die Voraussetzun­gen für eine analoge Anwendung einer nach Art sowie Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung erfüllt sind, § 6 Abs. 1 S 1 GOZ. Der Sachverständige hat dazu im Gutachten vom 16.5.2013 nachvollziehbar dargelegt, dass die streitgegenständli­che Leistung nicht bereits in den übrigen, in der Rechnung vom 30.6.2012 abge­rechneten Positionen enthalten ist und dass diese Leistung auch nicht in einer ande­ren Ziffer des Gebührenverzeichnisses für zahnärztliche Leistungen erfasst wird. Insbe­sondere die von der Beklagten herangezogene Ziff. 2180 erfasst diese Leistung nicht, denn die hier angewandte Mehrschichttechnik ist deutlich zeitaufwändiger und da­her nicht vergleichbar mit der in der Ziff. 2180 erfassten zahnärztlichen Leistung, die sich auf Zahnaufbauten mit plastischem Aufbaumaterial zur Aufnahme einer Krone mit einfachen selbsthaftenden Zementen, Phosphat- oder Glasionomerzementen bezieht.

Auch die Gebührenziffer 2197 erfasst eine andere als die hier streitgegenständliche Leistung, da diese Ziffer zwar die Adhäsiv- nicht aber die Mehrschichttechnik umfasst. Der Einwand der Beklagten, eine Analogie sei nach § 6 GOZ nur möglich, wenn es sich bei der abzurechnenden zahnärztlichen Leistung um eine Behandlungsmethode handle, die zum Zeitpunkt der Verordnungsgebung noch nicht bekannt gewesen und daher nicht gebührenmäßig erfasst worden sei, greift nicht durch, denn nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 1 GOZ ist die analoge Anwendung von einzelnen Gebüh­renziffern auf nicht erfasste Leistungen gerade nicht auf solche Leistungen be­schränkt, die bei Inkraftreten der Verordnung noch nicht bekannt waren. Diese Voraussetzung war in der alten Fassung des § 6 Abs. 2 GOZ (bis 31.12.2011) enthalten, sodass aus dem Wortlaut der Neufassung von § 6 GOZ entgegen den Ausführungen der Beklagten gerade entnommen werden muss, dass diese Voraussetzung mit der Neufassung ab 1.1.2012 entfallen sollte.

Im Ergänzungsgutachten vom 24.2.2014 kommt der Sachverständige unter Berück­sichtigung der Angaben zur Behandlungsdauer und zum Materialeinsatz in nachvoll­ziehbarer Weise dazu, dass nach den in § 6 Abs. 1 S. 1 GOZ genannten Kriterien hier konkret die Gebührenziffer 2120 für die Abrechnung der streitgegenständlichen Leis­tung heranzuziehen ist. Die von der Beklagten favorisierte Kombination aus den Ge­bührenziffern 2180 und 2197 ist hingegen nicht in gleicher Weise geeignet, weil die dort erfassten Arbeiten vom Arbeitsaufwand und im Hinblick auf die fehlende Mehr­schichttechnik eben nicht vergleichbar sind. Die vom Zahnarzt herangezogene Ziff. 2150 ist ebenfalls nicht gleichwertig, weil bei einer Einlagenfüllung, die Gegenstand der Ziff. 2150 ist, höhere Anforderungen an die Geschicklichkeit und die Präzision zu erfüllen sind. Es bieten sich daher grundsätzlich die auch Leistungen in Adhäsiv- und Mehrschichttechnik erfassenden Gebührenziffern 2060, 2080, 2100 und 2120 des Ge­bührenverzeichnisses an. Der Sachverständige kommt wiederum nachvollziehbar wegen der großen Menge des für die Rekonstruktion von Zahnhartsubstanz verwen­deten Materials und des erheblichen Zeitaufwandes zu der Einschätzung, dass aus dem Kreis der möglichen Gebührenziffern hier konkret die Ziff. 2120 am besten ge­eignet ist, um die streitgegenständliche Leistung abrechnen zu können. Das Gericht schließt sich auch insoweit den überzeugenden Ausführungen des Gutachtens an.

Soweit die Beklagte das Ergebnis der Beweisaufnahme mit der Begründung anzwei­felt, bei der Zahnärztekammer handle es sich um eine Interessenvertretung der Zahnärzte, sodass das Ergebnis vorhersehbar gewesen sei, greift dieser Einwand nach Auffassung des Gerichts nicht durch, denn bei der Zahnärztekammer handelt es sich um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die zur Neutralität verpflichtet ist. Auffällig ist im Übrigen, dass dieser Einwand nicht unmittelbar nach der Ankündi­gung des Gerichts im Beweisbeschluss vom 28.2.2013, die Zahnärztekammer mit der Erstellung des Gutachtens beauftragen zu wollen, erhoben worden ist, sondern erst nach Vorliegen des Gutachtens vom 16.5.2013. Im Übrigen folgt das Gutachten im Ergebnis den Ausführungen des Zahnarztes der Klägerin gerade nicht in vollem Um­fang, sodass die pauschale Befürchtung der Beklagten sich nicht bestätigt hat.

Unter Berücksichtigung des von der Beklagten nicht bezweifelten Gebührensatzes von 2,3 ergibt sich danach pro Zahn ein zugrunde zu legender Betrag von EUR 99,60 , also bei drei Zähnen ein Betrag von EUR 298,80. Da die Beklagte für diese Leistung bisher EUR 58,20 erstattet hat, steht der Klägerin noch ein Zahlungsan­spruch auf die Differenz von EUR 240,60 zu.

Wegen der weitergehenden Forderung ist die Klage aus den dargelegten Gründen jedoch unbegründet.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufi­gen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Berufung gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hier eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die angesprochenen Fragen zur Auslegung und Anwendung von § 6 Abs. 1 GOZ und des Gebührenverzeichnisses zur GOZ sind so stark einzelfallbezogen, dass das Urteil über den Einzelfall hinaus keine Bedeutung hat.


Ausdruck Urteil - PDF