Neben den kieferorthopädischen Kernpositionen 6030 bis 6080 GOZ sind weitere Leistungen zusätzlich berechenbar

Gericht: Amtsgericht Waiblingen | Aktenzeichen: 1 C 836/19 | Dokumententyp: Urteil | Rechtskraft: unbekannt
Paragraphen: § 4 - Gebühren
Gebührennummern: 6030, 6040, 6050, 6060, 6070, 6080, 6100, 6140

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Gebührennummern 6030 bis 6080 umfassen nur die Leistungen zur Kieferumformung und Retention. Die Eingliederung festsitzender Therapiemittel ist damit nicht abgegolten und daher zusätzlich berechenbar.

 

Urteilstext


Tenor

  1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 354,33 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2019 zu zahlen.
  2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 83,54 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27.07.2019 zu zahlen.
  3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
  4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 354,33 € festgesetzt.

(ohne Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO)


Entscheidungsgründe 

Die Klage ist begründet.

1. Der Kläger hat aus dem zwischen den Parteien abgeschlossene Krankenversicherungsvertrag Anspruch auf Erstattung eines Betrages von 354,33 €‚ entsprechend 75 % der noch offenen Positionen aus der Rechnung des Dr. med.dent.  vom 16.04.2019 (Anlage K 4, Blatt 9 f. der Akte). Auch für die in dieser Rechnung enthaltenen Positionen 6100 (Eingliederung eines Klebebrackets) über 389,76 € und 6140 (Eingliederung eines Teilbogens) über 82,68 € sind von der Beklagten Leistungen zu erbringen.

Es handelt sich insoweit um medizinisch notwendige Heilbehandlungen im Sinne des § 1 Abs. 2 der MB/KK 2009 (Anlage B 1, Bl. 34 if. der Akte). Entgegen der Auffassung der Beklagten entfällt ihre Leistungspflicht nicht im Hinblick auf Ziffer 5 der Tarifbedingungen zu § 5 MB/KK. Danach besteht keine Leistungspflicht für Teile der Liquidation, die den Bestimmungen der gültigen amtlichen deutschen Gebührenordnung für Ärzte bzw. Zahnärzte nicht entsprechen oder deren Höchstsätze überschreiten, falls der Tarif nichts anderes vorsieht. Die Berechnung der Nr. 6100 und 6140 der GOZ entspricht den Bestimmungen der GOZ.

Die Nummern 6100 und 6140 sind nicht Bestandteil einer anderen Leistung des Zahnarztes, § 4 Abs. 2 GOZ.

Nach dem Aufbau und Wortlaut der Ziffer G der Anlage 1 zur GOZ kann diese nicht dahingehend verstanden werden, dass bei Anwendung des Gebührentatbestandes Nr. 6040 (Maßnahmen zur Umformung eines Kiefers einschließlich Retention, mittlerer Umfang), der in der Rechnung vom 16.04.2019 enthalten ist, daneben keine weiteren Gebührentatbestände berechnet werden könnten. Das gilt auch nicht angesichts des Absatzes 3 der Anmerkungen nach Nr. 6080 GOZ, auf welchen sich die Beklagte beruft. Wenn dort bestimmt ist, die Maßnahmen nach den Nr. 6030 bis 6080 umfassten alle Leistungen zur Kieferumformung und Retention innerhalb eines Zeitraumes von bis zu vier Jahren, kann dies nur bedeuten, dass eben die Positionen 6030 bis 6080 innerhalb von vier Jahren nicht mehrfach berechnet werden können. Nach dem Wortlaut der GOZ lässt diese Formulierung aber nicht den Rückschluss darauf zu, dass auch andere Gebührenpositionen nicht berechnet werden könnten, denn andernfalls wäre es sinnlos gewesen, die Positionen 6090 if. überhaupt in die GOZ aufzunehmen; vielmehr hätte der Abschnitt G (Kieferorthopädische Leistungen) mit der Ziffer 6080 enden müssen. Dies ist jedoch nicht der Fall; vielmehr folgen noch 18 weitere Gebührenpositionen (Nr. 6090 bis 6260).

Im Übrigen ergibt auch ein Umkehrschluss aus dem vierten Absatz der Anmerkungen nach Nr. 6080 GOZ, dass die vorliegend von der Beklagten vertretene Rechtsauffassung nicht zutreffend sein kann, In diesem Absatz wird nämlich folgendes bestimmt: „Neben den Leistungen nach den Nr. 6030 bis 6080 sind Leistungen nach den Nummern 6190 bis 6260 nicht berechnungsfähig‘. Dies lässt nur den Rückschluss darauf zu, dass die in diesem Absatz nicht erwähnte Nummern 6090 bis 6180 sehr wohl berechnungsfähig sind; andernfalls wären sie in diesen Absatz auch noch mit aufgenommen worden. Der Umstand, dass sie nicht erwähnt werden, kann nur bedeuten, dass ihre Berechnung neben den Nummern 6030 bis 6080 gerade möglich sein soll.

Diese Systematik der GOZ macht im Übrigen auch deshalb Sinn, weil sich die Ziffern 6090 bis 6180 vorwiegend mit Maßnahmen hinsichtlich der Eingliederung eines festsitzenden Retentionsgerätes befassen, für welche ein höherer Aufwand entsteht.

Von Tätigkeiten, die sich hierauf beziehen, ist in den vorhergehenden Ziffern nicht die Rede, woraus wiederum zu schließen ist, dass diese eben nicht unter die Ziffern 6030 if. fallen. Damit macht auch gerade der Absatz vier der Erläuterungen nach Nr. 6080 Sinn, wonach eben nur Leistungen nach den Nummern 6190ff. nicht berechnungsfähig sind.

Damit besteht ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auch auf Erstattung von 75 % der Positionen 6100 (389,76 €) sowie 6140 (82,68€) aus der Rechnung vom 16.04.2019; die Addition dieser beiden Positionen ergibt 472,46 € und 75 % davon 354,33 €.

2. Die Zinsforderung beruht auf § 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

3. Die Forderung auf Erstattung vorgerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten folgt aus § 286BGB, die Zinsforderung insoweit ebenfalls aus § 291, 288 Abs. 1 Satz 1 BGB.

4. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Nr. 11,711,713 ZPO.

5. Eine Zulassung der Berufung war nicht veranlasst, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern würden. Auch falls es zutreffen würde, dass, wie der Klägervertreter vorträgt, deutschlandweit zahlreiche weitere vergleichbare Fälle anhängig sind, führt dies nicht zur Erforderlichkeit der Berufungszulassung. Auch falls viele ähnliche Fälle anhängig sein sollten, folgt daraus noch nicht deren grundsätzliche Bedeutung, und falls eine Zulassung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfolgen sollte, müssten zumindest konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass die Entscheidung von anderen im Gerichtsbezirk erlassenen Entscheidungen abweicht, wozu jedoch nichts vorgetragen ist; eine rein vorbeugende Zulassung aus der Befürchtung heraus, es könnten in der Zukunft abweichende Entscheidungen ergehen, ist nicht veranlasst.

 

 

 


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