Voraussetzungen einer Gebührenvereinbarung und pauschale Behauptung der Unangemessenheit

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Angebliche Sittenwidrigkeit einer Gebührenvereinbarung muss substantiell dargelegt werden. Speicheldiagnostik zur Bestimmung des individuellen Kariesrisikos kann medizinisch notwendige Leistung sein.

Urteilstext


Tenor

Das Amtsgericht Düsseldorf hat für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin EUR 3.415,12 nebst Verzugszinsen in Höhe von Fünf-%-Punkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 30.08.2013 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung der restlichen Vergütung für eine erfolgte zahnärztliche Behandlung. Die Klägerin ist, ebenso wie ihr mitversicherter Sohn bei der Beklagten privat krankenversichert und macht gegen diese den Ausgleich ihrer Kosten für eine zahnärztliche Behandlung ihres Sohnes geltend.

Die Klägerin ist bei der Beklagten unter der Versicherungsnummer … privat krankenversichert. Der Versicherungsschutz des mitversicherten Sohnes umfasst auch den Tarif … der Beklagten, der die Erstattung von Aufwendungen für Zahnbehandlungen zu 100 % und die Erstattung von Aufwendungen für Zahnersatz und Kieferorthopädie zu 75 % vorsieht. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass für die streitgegenständliche Behandlung die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) mit Stand vom 31.08.1984 gelten.

Am 14.05.2013 begab sich der Sohn der Klägerin für seine zahnärztliche Behandlung in die Praxis des Zeugen Dr. … . Am selben Tage schloss der Sohn der Klägerin mit dem Zeugen Dr. … eine Gebührenvereinbarung (Anl. K 3) gemäß §§1, 2 der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), wobei die Einzelheiten hinsichtlich des Abschlusses dieser Vereinbarung, insbesondere deren Rechtswirksamkeit, zwischen den Parteien in Streit stehen.

Auf Grundlage dieser Vereinbarung führte der Zeuge Dr. … bei dem Sohn der Klägerin in dem Zeitraum vom 14.05.2013 bis zum 24.07.2013 eine aus mehreren Behandlungsschritten bestehende zahnärztliche Behandlung durch.

Unter dem 26.07.2013 stellte der Zeuge Dr. … der Klägerin für die Behandlung seines Sohnes mit Rechnung Nr. 1688/130701 einen Betrag in Höhe von insgesamt EUR 5.467,56 in Rechnung, wobei ein Teilbetrag in Höhe von 1.101,06 EUR auf die Kosten des Praxislabors entfiel. Für die Einzelheiten der Rechnung wird auf die Anl. K 4 verwiesen.

In der Folgezeit legte die Klägerin der Beklagten unter dem 28.07.2013 die Rechnung zur Erstattung vor.

Die Beklagte glich die Rechnung nicht vollständig aus. Mit Schreiben vom 06.09.2013 erstattete lediglich einen Teilbetrag in Höhe von EUR 2.052,44. Einen Betrag in Höhe von EUR 3.118,11 zog sie als Korrektur und einen weiteren Betrag in Höhe von EUR 297,01 als Selbstbeteiligung ab (Anl. K 5). Die Korrektur wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Regelhöchstsätze bzw. die Höchstsätze der Gebührenordnung für Zahnärzte überschritten worden sei.

Mit der Klage begehrt die Klägerin die Restzahlung aus der Rechnung vom 26.07.2013.

Die Klägerin behauptet, dass die hinsichtlich der Behandlung ihres Sohnes geschlossene Gebührenvereinbarung nach einer persönlichen Absprache mit dem Zeugen Dr. … getroffen worden sei und meint, dass die Beklagte infolge dieser wirksamen Gebührenvereinbarung zum vollständigen Ausgleich der Rechnung verpflichtet sei, zumal sämtliche erbrachten Leistungen medizinisch notwendig gewesen seien. Die streitigen Aufwendungen für die zahnärztliche Behandlung ihres Sohnes ständen auch nicht in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen. Ein Verstoß gegen § 192 Abs. 2 VVG liege ebenso wenig vor wie ein Verstoß gegen § 138 BGB. Die Klägerin meint weiter, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Rechnungsbetrag unter Zugrundelegung Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit Stand vom 31.08.1984 zu erstatten habe. Insbesondere entspreche der von der Beklagten verwendete Begriff der "funktionellen Gebissanalyse" der seit vielen Jahren üblichen Bezeichnung "funktionsanalytische und -therapeutische Leistungen“. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Klägerin verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie EUR 3.415,12 nebst Verzugszinsen in Höhe von Fünf- %-Punkten über dem Basiszinssatz p. a. seit dem 30.08.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die getroffene Honorarvereinbarung nicht rechtswirksam vereinbart worden sei. Eine persönliche Absprache im Sinne einer persönlichen Erörterung und Erläuterung der Honorarvereinbarung zwischen dem Zeugen Dr. … und dem Sohn der Klägerin sei nicht erfolgt. Da die Individualabsprache zwischen den Parteien unwirksam sei, seien die zu erstattenden Leistungen nach GOZ zu beurteilen. Die in der Abrechnung genannten Gebührenziffern liegen jedoch über dem nach der GOZ festgelegten Höchstsatz von 3,5. Die von dem Zeugen Dr. … verlangten Gebührensätze seien auch nicht angemessen. Es liege ein Verstoß gegen § 192 Abs. 2 VVG vor, weil die Aufwendungen für die Heilbehandlung in einem auffälligen Missverhältnis zu den erbrachten Leistungen ständen. Femer sei die Vergütung auch nicht fällig nach § 10 Abs. 1 GOZ. Die Beklagte behauptet weiter, dass die unter den Gebührenziffern 5, 298, 3712, 3714, 3715, 4938 und 4715 abgerechneten Leistungen nicht medizinisch notwendig gewesen seien. Im Übrigen seien einzelne Leistungen der Gnathologie nicht zu 100 %, sondern zu 75 % zu erstatten. Hinsichtlich der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beklagten verwiesen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie durch Einvernahme des Zeugen Dr. … gemäß Beweisbeschluss vom 18.04.2014, 19.10.2015, 24.11.2016 und 29.06.2017. Für das Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sachverständigengutachten vom 15.08.2015, 24.02.2016 und 08.12.2017 sowie das Sitzungsprotokoll 04.05.2017 vom Bezug genommen.

Wegen des sonstigen Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein weiterer Zahlungsanspruch in Höhe von EUR 3.415,12 aus dem zwischen den Parteien vereinbarten Versicherungsvertrag zu.

Das grundsätzliche Bestehen eines Versicherungsfalls ist zwischen den Parteien unstreitig.

Nach den der Behandlung zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen bezieht sich die Erstattungspflicht der Beklagten nur auf medizinisch notwendige Behandlungen, denn grundsätzlich hat die Beklagte - entsprechend der weiteren tariflichen Vereinbarungen - zunächst nur für solche Behandlungen einzustehen, die in medizinischer Hinsicht notwendig gewesen sind. Sofern die Beklagte die medizinische Notwendigkeit hinsichtlich der unter den Gebührenziffern 5, 298, 3712, 3714, 3715, 4938 und 4715 abgerechneten Leistungen bestritten hat, ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass diese Positionen medizinisch notwendig gewesen sind. Nach dem in § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung ist ein Beweis erbracht, wenn das Gericht unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung überzeugt ist. Die danach erforderliche Überzeugung des Richters gebietet keine absolute oder unumstößliche Gewissheit und auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit, es reicht vielmehr ein für das praktische Leben brauchbarer Grad an Gewissheit aus, der Zweifeln Schweigen gebietet. Dieser Grad an Gewissheit ist vorliegend erreicht.

Das Gericht stützt seine Überzeugung dabei auf die Ausführungen des Sachverständigen Dr. … in dessen Gutachten vom 08.12.2017. Der Sachverständige hat seine Feststellungen präzise und nachvollziehbar formuliert und stringent begründet. Das Gericht hat keinen Anlass dazu, an dessen fachlicher Qualifikation zu zweifeln. So stellte er fest, dass die Gebührenziffer 5 (EUR 38,21) eine notwendige Behandlung beeinhaltete, da die durch die Behandlung bedingten veränderten anatomischen Bedingungen im Rahmen einer symptombezogenen (Nach-) Untersuchung kontrolliert werden mussten, sodass der Ansatz der Position sowie die Erbringung der insoweit erbrachten Leistung aus Sicht des Sachverständigen auch ohne Hinzuziehung der Karteikarte unter Betrachtung des Behandlungsverlaufs als medizinisch nachvollziehbar anzusehen ist. Ferner kam der Sachverständige auch in Bezug auf die übrigen Positionen (mit Ausnahme der Nr. 1000) zu dem Ergebnis, dass diese im Rahmen einer Speicheldiagnostik zur Bestimmung des individuellen Kariesrisikos des Sohnes der Klägerin durch Bestimmung individueller Parameter wie den chemischen Eigenschaften des Speichels seiner Menge und der Anwesenheit relevanter Bakterienstimme und der von Pilzen prinzipiell auch ohne Herbeiziehung der Karteikarte medizinisch notwendig waren. Dabei bedurfte es auch nicht der Auswertung der diesbezüglichen Ergebnisse, da sich die Frage der medizinischen Notwendigkeit ex-tunc und nicht ex-post stellt, die diesbezüglichen Ergebnisse daher für die Beurteilung ohne Relevanz sind. Dass die in Ansatz gebrachten Leistungen ex-tunc zur Ermittlung des Kariesrisikos des Sohnes der Klägerin notwendig gewesen sind, hat der Sachverständige auch mit der Beifügung der Stellungnahme der DGZMK untermauert. Letztlich stellte der Sachverständige klar, dass die Gebührenziffer 1000 als zentraler Baustein einer präventionsorientierten Zahnheilkunde über jeden Zweifel erhaben als medizinisch notwendig anzusehen ist.

Somit ist zu konstatieren, dass sämtliche erfolgten Behandlungen medizinisch notwendig gewesen sind.

Die Erstattungspflicht der Beklagten hinsichtlich zahnärztlicher Behandlungen des Sohnes richtet sich nach Jarif 741, wobei die Allgemeinen Versicherungsbedingungen mit Stand vom 31.08.2014 gelten. Diese sehen eine Erstattung von 100 % für Zahnbehandlung, Inlays und Zahnprophylaxe und eine Erstattung von 75 % für Zahnersatz, funktionsanalytische und - therapeutische Leistungen sowie Kieferorthopädie vor, jeweils im Rahmen der GOZ und GOA, ohne Begrenzung auf die Höchstsätze.

Die Beklagte hat zu Unrecht Abzüge von der Rechnung vorgenommen, indem sie Leistungen aus dem Bereich der Gnathologie (5170, 0060, 6010, 6020 und 7010) dem Zahnersatz respektive den funkionsanalytischen und -therapeutischen Leistungen) zugeordnet hat mit der Folge, dass diese Positionen nur zu 75 % zu erstatten seien. Tatsächlich ist die Beklagte insoweit zur 100 % igen Erstattung verpflichtet. Das gleiche gilt hinsichtlich der Erstattungsquote, soweit die Beklagte kieferorthopädische Leistungen der Kieferorthopädie zugeordnet hat. Gnathologische (auch funktionsanalytische und - therapeutische) Leistungen bzw. Leistungen der "funktionellen Gebissanalyse" fallen unter den allgemeinen Begriff der Zahnbehandlung (vgl. Amtsgericht Düsseldorf, Urt. vom 12.10.2017 - 39 C 198/16). Darunter lassen sich nämlich nach den Erläuterungen des Sachverständigen Untersuchungen des Kauorgans subsumieren zur Diagnose von Störungen um Bewegungsablauf des Kausystems und der Feststellung von krankhaften Gewebeveränderungen, besonders der Okklusion (Zahnkontakt beim Zubeißen), der Kiefergelenke und der Kaumuskulatur (Myorthrapathien). Der Sachverständige hat auch konstatiert, dass der Begriff der Kieferorthopädie eng zu fassen ist und bei einer kieferorthopädischen Behandlung durchaus Leistungen aus anderen Bereichen der GOZ/GOÄ zum Ansatz kommen, aber genauso auch kieferorthopädische Leistungen - so wie im vorliegenden Fall die Gebührenziffern 600, 601, 602 und 619 - für andere Maßnahmen außerhalb einer kieferorthopädischen Behandlung zum Ansatz kommen können. Auch die übrigen Einwendungen der Beklagten verfangen nicht. Das Gericht macht sich insofern die Ausführungen des Sachverständigen zu eigen. So führte der Sachverständige insbesondere aus, dass die Nr. 5170 nicht im Hinblick auf eine Vorbehandlung für eine spätere Prothese erbracht wurde.

Die Abzüge der Beklagten sind daher zu Unrecht erfolgt.

Letztlich gehen die Einwendungen der Beklagten gegen die Gebührenhöhe fehl. Die am 14.05.2013 getroffene Gebührenvereinbarung ist nach Auffassung des Gerichts wirksam. Die Individualvereinbarung entspricht den Anforderungen des § 2 Abs. 2 GOZ. Das Gericht ist nämlich nach der vorläufigen Bewertung des Ergebnisses der Beweisaufnahme mit dem notwendigen Grad an Gewissheit davon überzeugt, dass diese erst nach einer persönlichen Absprache im Einzelfall getroffen worden ist. Der notwendige Grad an Gewissheit ist vorliegend erreicht.

Der Zeuge Dr. … hat ausführlich angegeben, dass der Patient, der Sohn der Klägerin, zunächst einen Anamnesebogen ausgefüllt habe und ihm dann die vom Zeugen eigens erstellte Gebührenvereinbarung übergeben worden ist, die dieser zunächst lesen konnte. Sodann habe der Zeuge dem Sohn der Klägerin den Inhalt der Gebührenvereinbarung nach dessen üblichem Vorgehen erklärt, auch wenn dieser es gar nicht habe hören wollen, da er von seinem Vater geschickt und bereits informiert worden sei. Die Erinnerung des Zeugen an das Gespräch ist insbesondere deswegen glaubhaft, weil der Zeuge nachvollziehbar erläuterte, dass der Punkt des Abschlusses der Gebührenvereinbarung aus seiner Sicht besonders wichtig sei, da er regelmäßig sicherstellen will, dass der Abschluss der Gebührenvereinbarung den Anforderungen der Rechtsprechung genügt, die der Zeuge aufgrund seiner bisherigen "Gerichtserfahrung" zu kennen glaubt. So konnte der Zeuge neben dem Zitieren von Formulierungen des Oberlandesgerichts Düsseldorf bekunden, dass er seine entwickelte Checkliste abgearbeitet habe, die er zur Sicherstellung eines wirksamen Abschlusses der Gebührenvereinbarung entwickelt hat.

Danach ist die Gebührenvereinbarung entgegen der Ansicht der Beklagten als rechtswirksam vereinbart anzusehen.

Die Gebührenvereinbarung wurde auch im Einzelfall i .S. d. § 2 Abs. 1 Satz 1 GOZ getroffen. Sie wurde nämlich, was zwischen den Parteien unstreitig ist, anlässlich der streitgegenständlichen Behandlung des Sohnes der Klägerin und damit für einen. Einzelfall getroffen. Für das Vorliegen eines Einzelfalles ist auch unerheblich, dass und ob der behandelnde Zahnarzt, der Zeuge Dr. …, mit all seinen Patienten Gebührenvereinbarungen abschließt, denn Bezugspunkt der Prüfung, ob ein Einzelfall im Sinne der Norm vorliegt, ist ausschließlich die Vereinbarung selbst. Es ist nicht erkennbar, dass der Normgeber die Möglichkeit, eine solche Vereinbarung zu treffen, für Zahnärzte dahin begrenzen wollte, dass diese nur mit einigen ihrer Patienten entsprechende Vereinbarung schließen können. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass in der streitgegenständlichen Gebührenvereinbarung auch Gebührenziffern für Leistungen aufgeführt sind, die im Rahmen der streitgegenständlichen Behandlung nicht durchgeführt worden sind. Der Zeuge Dr. … hat insoweit nämlich nachvollziehbar bekundet, dass im Vorfeld einer Behandlung eine Vereinbarung nur in groben Umrissen eingegrenzt werden könne, beispielsweise in Bezug auf Eigenschaften der Patienten wie das Alter. So könne im Vorfeld hinsichtlich potentiell notwendiger Leistungen zwischen der bevorstehenden Behandlung eines Kindes von bis zu zehn Jahren und der eines Erwachsenen differenziert werden, so dass auch eine andere Gebührenvereinbarung geschlossen werden könnte. Ferner ergibt sich eine mögliche Differenzierung aus der Art der zu erwartenden zahnärztlichen Behandlung, so beispielsweise, wenn Im Vorfeld bekannt ist, dass ein Patient keine Zähne mehr hat. In anderen Fällen ist nach den plausiblen Bekundungen des Zeugen Dr. … nicht möglich, im Vorfeld näher einzugrenzen, welche Leistungen notwendig und welche Gebührenziffern damit ausgelöst werden würden, da der Umfang der Behandlung noch nicht erkennbar gewesen ist.

Dieses Vorgehen und das Verständnis dieses Vorgehens als Vereinbarung im Einzelfall ist von der GOZ gedeckt, denn diese sieht in § 2 Abs. 1 Satz 1 ausdrücklich als zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung vor, dass die Vereinbarung vor der Erbringung,der Leistung durch den Zahnarzt getroffen werden muss, normiert also ausdrücklich einen Zeitpunkt, zu dem das genaue Leistungsspektrum noch nicht in allen Einzelheiten absehbar ist. Ein anderes Verständnis der Vorschrift würde zu dem Ergebnis führen, dass für den Fall, dass während der Behandlung eine im Vorfeld nicht vorausgesehene, unvorhergesehene Leistung notwendig wird, der Zahnarzt die Behandlung unterbrechen müsste, um mit dem - ggf. betäubten Patienten - nachzuverhandeln was, abgesehen von der problematischen zivilrechtlichen Wirksamkeit einer Einigung unter derartigen Voraussetzungen, vom Normgeber nicht gewünscht sein kann. Der Abschluss einer Vereinbarung im Einzelfall liegt also auch vor, wenn die Gebührenvereinbarung zunächst alle denkbaren zahnärztlichen Leistungen mitsamt der entsprechenden Gebührenziffern erfasst, im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung aber nicht alle dieser Leistungen erbracht werden.

Die Beklagte kann sich auch nicht auf die Nichtigkeit der Vereinbarung nach § 138 BGB wegen unangemessener Steigerung der Gebührensätze bzw. auf § 192 Abs. 2 VVG wegen eines auffälligen Missverhältnisses von erbrachten Leistungen berufen,

wofür sie die Dariegungs- und Beweislast trägt. Die Beklagte hat ein auffälliges Missverhältnis im Sinne der vorgenannten Vorschrift nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Voraussetzung für einen Leistungsausschluss nach den vorgenannten Vorschriften ist ein auffälliges Missverhältnis von Aufwendungen und den jeweiligen Leistungen (Amtsgericht Düsseldorf, Urt. vom 21.01.2016, 27 C 11833/14). An diesbezüglichem Vortrag mangelt es hier. Es fehlt an hinreichendem Vortrag zu dem durchschnittlichen Wert der konkreten Leistung als Ausgangspunkt für die Bewertung eines auffälligen Missverhältnisses bzw. einer Sittenwidrigkeit, dazu, inwieweit eine Diskrepanz zwischen den ärztlichen Leistungen und dem abgerechnetem Honorar bestand und ob die Klägerin bzw. ihr Sohn nicht möglicherweise in den Genuss einer überdurchschnittlichen Qualität und Präzision der zahnärztlichen Leistung und eines hochwertigen Praxisaufwandes gekommen ist, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass gerichtsbekannt ist, dass der Zeuge Dr. … mit einer besonderen Art und Güte seine Tätigkeit verrichtet.

Die Vergütung des Zahnarztes des Klägers ist auch fällig, § 10 Abs. 1 GOZ.

Einer schriftlichen Begründung nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ bedurfte es nicht, da eine schriftliche Begründung für den Zahnarzt im Hinblick auf die von ihm in Ansatz gebrachten Steigerungssätze nach § 10 Abs. 3 Satz 1 GOZ nur dann besteht, wenn keine Gebührenvereinbarung nach § 2 GOZ getroffen wird. Wie oben festgestellt, ist jedoch eine wirksame Gebührenvereinbarung zwischen den Parteien getroffen worden.

Nach alledem kann die Klägerin die weitere Zahlung beanspruchen.

Der Zinsanspruch ist begründet nach §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagte wurde unstreitig unter dem 28.07.2013 zur Zahlung aufgefordert. Da es sich dabei um einen Sonntag handelte ist davon auszugehen, dass der Beklagten die Rechnung drei Tage später am 31.07.2013 zur Prüfung vorlag. Unter Berücksichtigung einer Überprüfungsfrist befand sich die Beklagte daher jedenfalls seit dem 30.08.2013 in Verzug.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO.

Der Streitwert wird auf 3.415,12 EUR festgesetzt. Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1.
wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 600,00 übersteigt oder

2.
wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung

dieses Urteils schriftlich bei dem Landgericht Düsseldorf, Werdener Straße 1, 40227 Düsseldorf, eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Düsseldorf zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Düsseldorf durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.


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