Begrüßung 18. Europatag der Bundeszahnärztekammer - Welche Auswirkungen hat der Europäische Gesundheitsdatenraum (EHDS) auf das deutsche Gesundheitssystem?


Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,
Sehr geehrte Damen und Herren,

im Namen der Bundeszahnärztekammer begrüße ich Sie ganz herzlich zu unserem 18. Europatag im beeindruckenden Festsaal der Humboldt-Universität in der Luisenstraße in Berlin. Vielen Dank, dass Sie heute gekommen sind.

Im Mai 2022 hat die Europäische Kommission ihren Verordnungsvorschlag für einen Europäischen Gesundheitsdatenraum den European Health Data Space vorgelegt, der europaweit Fragen der primären und sekundären Nutzung von Gesundheitsdaten regeln soll. Die Beratungen im Europäischen Parlament und im Rat sind mittlerweile in die heiße Phase getreten.

Parallel dazu wird auch in Deutschland sehr intensiv über die Digitalisierung des Gesundheitswesens diskutiert. So hat das Bundesgesundheitsministerium Anfang März eine Digitalstrategie für das Gesundheitswesen präsentiert. In dieser Legislaturperiode des Bundestages soll ein Gesundheitsdatennutzungsgesetz sowie ein Digitalgesetz auf den Weg gebracht werden, die mit dem Europäischen Gesundheitsdatenraum korrespondieren. 

Worum geht es beim Europäischen Gesundheitsdatenraum?

Mit dem Gesundheitsdatenraum werden zunächst die Grundlagen einer primären Nutzung von Gesundheitsdaten festgelegt. Jede natürliche Person soll künftig einen individuellen Anspruch auf kostenlosen, unmittelbaren und einfachen EU-weiten Zugang zu den persönlichen Gesundheitsdaten haben. Dies sind zunächst die Patientenkurzakten. Später sollen elektronische Verschreibungen, Bildbefunde, Laborergebnisse und Entlassungsberichte hinzukommen. Dazu werden gemeinsame Standards und Austauschformate festgelegt. Spannend für Forschung und Industrie ist die Frage der sekundären Datennutzung. Diese soll im Wege des EHDS für bestimmte Zwecke und unter Wahrung von bestimmten Regeln, wie der Datenschutzgrundverordnung, erlaubt werden. Die Politik erhofft sich damit einen „Datenschatz“ zu heben, um Europa im Wettbewerb mit anderen Wirtschaftsregionen in der Welt halten zu können. Man erwartet einen Innovationsschub in den Bereichen Gesundheitsforschung, Gesundheitswesen und Biowissenschaften. Von der Diskussion heute erhoffe ich mir konkrete Beispiele, welchen Nutzen die sekundäre Datennutzung bringen kann.

Die Politik scheint sich von einer Digitalisierung des Gesundheitswesens viel zu erwarten. Angesichts des demografischen Wandels, eines wachsenden Bedarfs an Fachkräften und steigender Kosten im Gesundheitswesen sollen digitale Gesundheitsdienste einen Beitrag leisten, eine moderne und flächendeckende Gesundheitsversorgung in der EU zu gewährleisten.

Geht diese Rechnung wirklich auf?

Die ernüchternden Erfahrungen aus Deutschland zeigen, dass Digitalisierung im Alltag der Praxen allerdings kein Selbstläufer ist. Es sind bereits die technischen Probleme, etwa mit den Konnektoren, die die Kolleginnen und Kollegen vor massive Probleme stellen. Wird der Digitalisierungsdruck durch den Europäischen Gesundheitsdatenraum am Ende noch größer? Andere Länder in der EU – so heißt es – sollen schon viel weiter sein. Bei genauerer Betrachtung gibt es außer bei den Vorreitern in Skandinavien und im Baltikum aber in vielen EU-Ländern durchaus noch erheblichen Nachholbedarf. Dies zeigte eine Umfrage, die wir Anfang dieses Jahres über unseren europäischen Dachverband der Zahnärzteschaft durchgeführt haben. Vielleicht sind wir als Deutschland doch nicht so digital abgehängt, wie immer behauptet wird?

Wie kann die Digitalisierung des Gesundheitswesens funktionieren?

Zahnärztinnen und Zahnärzte sind schon immer technikaffin gewesen. Digitalisierung ist für unseren Berufsstand kein Fremdwort. Allerdings bin ich der festen Überzeugung, dass die Digitalisierung des Gesundheitssystems nur gelingen kann, wenn alle Beteiligten an Bord sind, d.h. vor allem die Heilberufe und die Patientinnen und Patienten von den Vorzügen überzeugt sind. 

Dazu müssen wir sicherstellen, dass bestehende Bedenken vom Gesetzgeber, national wie europäisch, aufgegriffen werden:

Dazu gehört, dass die sensiblen Patientendaten, die die Menschen ein Leben lang begleiten, vor Missbrauch geschützt werden. Patientinnen und Patienten müssen selbst entscheiden, welche Daten weitergegeben werden dürfen oder nicht.

Der Gesetzgeber muss dem Umstand Rechnung tragen, dass der administrative Aufwand und die Kosten, die solche Systeme und deren Unterhalt sowie Datenpflege bedeuten, im Auge behalten. Es kann nicht alles auf die Heilberufe abgewälzt werden.

Schließlich sollte eine sekundäre Datennutzung nur zu gemeinwohlorientierten Zwecken möglich sein. Es muss gut überlegt sein, wer die Daten erhält. Die Frage, wie man eine Rückverfolgbarkeit zum einzelnen Patienten ausschließt muss ernsthaft diskutiert werden.

Der heutige Europatag soll dazu dienen, Antworten auf die aufgeworfenen Fragen zu finden.

Es freut mich, dass wir für die Diskussion exzellente Rednerinnen und Redner gewinnen konnten, die uns ihre Sicht auf die Problematik vermitteln werden. Ihnen allen möchte ich für ihre Teilnahme ganz herzlich danken.

Mit diesen Gedanken möchte ich jetzt das Wort an unsere Moderatorin, Frau Jessica Hanneken, zurückgeben.

Ich wünsche uns allen einen spannenden und vor allem erkenntnisbringenden Europatag! Herzlichen Dank!

Für Rückfragen: Dr. Alfred Büttner, Telefon: +32 2 7328415, E-Mail: a.buettner@bzaek.eu


Zahnärztekammern der Länder
Positionen und Statements