Bundesversammlung 2023 - Bericht der Vizepräsidentin


Dr. Romy Ermler, Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer
Berlin,

Es gilt das gesprochene Wort


Sehr geehrter Herr Minister,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Ausführungen möchte ich unter das alte Sprichwort stellen: „Wo Licht ist, ist auch Schatten!“ Aber – man vergesse keinesfalls den Umkehrschluss: „Wo Schatten ist, muss auch ein Licht sein.“

Gerade letztere Erkenntnis dürfen wir bei all den heute und morgen zu diskutierenden Themen nicht vergessen. Und damit begrüße auch ich Sie herzlich hier in Berlin.

Ich freue mich sehr, Sie anlässlich der Bundesversammlung wiederzusehen.

Der Physiker Georg Lichtenberg wusste bereits im 18. Jahrhundert: „Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird, wenn es anders wird. Aber so viel kann ich sagen: es muss anders werden, wenn es gut werden soll.“

Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang einige grundlegende Worte. Denn entgegen der landläufigen politischen Darstellung ist derzeit eben nicht alles gut für die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang nur an die neue Parodontitisstrecke. Die deutlich umfangreichere, evidenzbasierte und präventionsorientierte Parodontitistherapie verbessert maßgeblich den langfristigen Behandlungserfolg für unsere Patienten. Sie ist aber auch aufwendiger und damit teurer. Aber die damit erreichbaren gesamtmedizinischen und ökonomischen Vorteile überwiegen bei Weitem die etwas höheren Therapiekosten. Dies war allen Beteiligten bei der Entscheidung, die neue Paro-Strecke in den Leistungskatalog der GKV aufzunehmen, bekannt. 

Nur einer wusste das nicht oder wollte das nicht: Trotz aller Warnungen der Zahnärzteschaft setzte Lauterbach mal eben so die Heckenschere des GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes an und fügte damit der modernen präventionsorientierten Parodontitistherapie und – man muss es so hart sagen – den Betroffenen immensen Schaden zu. 

Da fragt man sich schon: Wo ist in Anbetracht der vielfältigen individuellen, aber auch ökonomischen Folgen Ihr Ethos als Mediziner, Herr Minister Lauterbach?

Den Schaden dieser Entscheidung haben nicht nur unsere GKV-Patienten zu tragen, sondern auch wir. Es ist schlichtweg unseriös, so mit einem freien Heilberuf und unserer zahnärztlichen Ethik umzugehen.

Moderne Zahnheilkunde und ein maximal eng geschnürtes Korsett aus Budgetierung und null Weiterentwicklung des GOZ-Punktwertes passen aber nicht zusammen.

Wenn es also anders werden muss, um gut werden zu können, ist es an der Zeit, dass die Sprachlosigkeit des Ministers und seines Ministeriums gegenüber den Heilberufen schnellstmöglich beendet wird. Wir müssen endlich in einen gemeinsamen, konstruktiven und wertschätzenden Austausch kommen, um problemlösungsfähig zu werden. Das sage ich sehr bewusst, weil es keine Einbahnstraße sein kann.

Um es mit Albert Einstein, dem genialen Wissenschaftler und herausragenden Aphoristiker, zu sagen: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

Gerade die Zahnärzteschaft hat bewiesen, dass wir gemeinwohlorientiert handeln und gestaltungsfähig sind.

Aber nun zu den Details: Ich berichte Ihnen heute aus den vier Kernthemen meiner Arbeit. Sie wissen, die Arbeit in der Bundeszahnärztekammer ist sehr vielschichtig. Daher stellt dieser Bericht nur einen kleinen Ausschnitt meiner Arbeit dar.

Und damit sind wir bereits mitten in meinem ersten sehr aktuellen und vor allem zukunftsrelevanten Thema, nämlich der zahnärztlichen Versorgung im ländlichen Raum. Zu dieser Problematik hat die Bundeszahnärztekammer Ende Oktober die Warnemünder Erklärung veröffentlicht, benannt nach dem Ort ihrer diesjährigen Klausurtagung.

Dieser Klausurtagung lag folgende Fragestellung zugrunde, die uns Frau Ministerin Drese – ihres Zeichens Ministerin für Soziales, Gesundheit und Sport im schönen Bundesland Mecklenburg-Vorpommern – vorab mit auf den Weg gegeben hatte: Was können Politik und Standespolitik gemeinsam tun, um mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte zu motivieren, in den ländlichen Raum zu gehen? Was können wir gemeinsam tun, um den Niederlassungswillen gerade junger Kolleginnen und Kollegen zu stärken?

Um die Quintessenz vorwegzunehmen: Die Bundeszahnärztekammer ist fest davon überzeugt, dass die qualitativ beste und die Versorgung sicherstellende Lösung nach wie vor die inhabergeführte Hauszahnarztpraxis ist.

Daraus folgt die Frage: Wie können wir mehr junge Zahnärztinnen und Zahnärzte motivieren, statt des von vielen favorisierten Angestelltendaseins sich niederlassen zu wollen? Sie alle kennen die Gründe, die zu diesem Situationsbild führen; wir alle haben diese in den letzten Jahren ausführlich diskutiert.

Kaum veröffentlicht, wurde die Warnemünder Erklärung primär dafür kritisiert, dass das Hauptproblem der mangelnden Niederlassungswilligkeit überhaupt nicht adressiert worden sei, nämlich die sinkenden Praxisgewinne. Stattdessen würde man sich an den wenig zielführenden weichen Faktoren abarbeiten.

Die Bundeszahnärztekammer hat jedoch keinen Einfluss auf die Majorität der Praxisumsätze. Allerdings stehen auch wir in der Verantwortung für eine flächendeckende zahnmedizinische Versorgung der Bevölkerung. Wir, die BZÄK, schaffen primär die Grundvoraussetzungen für das Praxisleben und gestalten das unternehmerische Umfeld; die andere Seite kümmert sich um die Gegebenheiten im GKV-System.

Wir haben uns deshalb auf von uns adressierbare Faktoren fokussiert. Vor Beginn des Studiums betrifft dies die Auswahl der Studenten. Hier benötigen auch die Hochschulen Unterstützung. Qualitativ hochwertige Ausbildung ohne ausreichende Finanzierung, das funktioniert nicht.

Nach dem Studium und in der Assistenzzeit wollen wir Hilfen bei der Standortwahl, kommunale Unterstützung und finanzielle Anreize für eine Niederlassung auf dem Land schaffen. Aber wir dürfen auch die angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte nicht vergessen. Jede Form dieser Berufsausübungen zu seiner Zeit. Viele kleine Praxen arbeiten mittlerweile mit angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzten; dadurch werden auch Übernahmen möglich und junge Kolleginnen und Kollegen beim Einstieg in die Niederlassung unterstützt.

Wenn wir also junge Zahnärztinnen und Zahnärzte für eine Niederlassung gewinnen wollen, wird dies nur mit positiven Botschaften gelingen. Nur wenn wir deutlich machen, dass Lebensziele wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie gerade dank Niederlassung erreicht werden können, wird auch die Landzahnarztpraxis an Attraktivität gewinnen.

Ein kommunaler zinsbegünstigter Kredit trägt, so banal das klingt, auch die Botschaft, dass man als Zahnärztin und Zahnarzt vor Ort gewollt und gebraucht wird. Gewollt sein und gebraucht werden – gibt es einen besseren Einstieg in ein neues soziales Umfeld?

Wenn wir also die zahnmedizinische Versorgung durch niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte in Deutschland flächendeckend erhalten wollen, müssen wir alle, Kammern, KZVen, Verbände und – nicht zu vergessen – die Universitäten, gemeinsam an einer Verbesserung der Situation arbeiten. Jeder in seinen Zuständigkeitsbereichen und – so meine Bitte – etwas gelassener und unaufgeregter an den in der Natur der Sache liegenden Schnittstellen. Die Sicherung der Niederlassung als Grundvoraussetzung für eine gute Versorgung ist eine umfassende Aufgabe des gesamten Berufstandes. Der Politik zu zeigen, dass wir neben Demonstrationen auch konstruktive Lösungsansätze andenken, das war und ist Sinn und Zweck der Warnemünder Erklärung.

Ein letztes Wort zu diesem Thema: Mit einem konsequenten und eigenverantwortlichen Niederlassungsmanagement widerlegen wir auch die systemzersetzende Doktrin von Ulla Schmidt und Karl Lauterbach, die da lautet: „Es muss endlich Schluss sein mit der Ideologie der Freiberuflichkeit!“ Es ist genau andersherum: Die Freiberuflichkeit ist die Lösung für eine flächendeckende und patientenzentrierte Versorgung!

Finanzielle Situation in den Praxen

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

aber Niederlassung muss sich auch lohnen, und da sind wir auch schon beim zweiten Brennpunkthema, der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte.

Und damit sind wir in einem seit drei Jahrzehnten andauernden Aufreger-Thema, der Gebührenordnung für Zahnärzte. Wobei das mit dem Aufreger-Thema nur für die Zahnärzteschaft gilt. Die Politik ist da ganz entspannt. Treffender formuliert: Parteiübergreifend ignorant! 

Trotz immer wieder geführter Gespräche mit allen Parteien und auf allen Ebenen änderte sich bis dato an dem zementierten Punktwert nichts. Zustimmung für unsere Forderung nach einer Anpassung des Punktwertes gibt es seitens der Politiker durchaus – jedoch nur, solange diese in der Opposition sind.

Denke ich an die Rote-Karten-Aktionen der letzten Monate, dann wären diese auch für die GOZ mehr als angebracht. Denn die politische Verweigerung, sich der zweitwichtigsten zahnärztlichen Einkommensquelle anzunehmen, kann man nur noch als vorsätzliches grobes Foulspiel bezeichnen.

Die Versuche, das BMG per Gericht oder Petition zu zwingen, sich mit dieser aus unserer Sicht katastrophalen Punktwertsituation zu befassen, waren bis dato nicht erfolgreich.

Was also tut die Bundeszahnärztekammer?

Auch wenn der Gesetzgeber seit Jahrzehnten mauert: Die GOZ ist nicht statisch. Die GOZ „lebt“ und bedarf permanenter Arbeit der Bundeszahnärztekammer. An dieser Stelle möchte ich insbesondere das Beratungsforum für Gebührenordnungsverfahren hervorheben. Denn dessen Arbeit ist für die Praxen bares Geld wert.

Inzwischen sind 59 Beschlüsse des Beratungsforums veröffentlicht worden. Die prominentesten Beschlüsse sind sicher die zur sog. Hygienepauschale und die bereits erwähnten Beschlüsse zur Umsetzung der neuen PAR-Strecke in der GOZ. Unbudgetiert wohlgemerkt.

Natürlich kann man das als lediglich punktuelle Hilfe abtun. Aber hier gilt das Eichhörnchenprinzip. Entscheidend ist doch, dass sich in den Verhandlungen des Beratungsforums mit PKV und Beihilfe eben doch etwas bewegt. Denn auch die PKV weiß: Wenn Leistungen in der GOZ hoffnungslos unterbewertet sind, wird der Privatpatient zum Patienten zweiter Klasse. Und das steht diametral dem Erfolg der privaten Voll- und Zusatzversorgung entgegen. Trotz aller Kritik an den Ergebnissen des Beratungsforums, machen wir uns nichts vor: Ohne dieses Beratungsforum würde sich überhaupt nichts tun – siehe GOÄ. Und ordnungspolitisch ist die Existenz dieses Forums ein Pfund, mit dem wir wuchern können. 

Was Sie bestimmt an dieser Stelle interessiert, ist der Stand der GOZ-Verfassungsbeschwerde: Manch einer fragt sich vielleicht, warum wir nicht längst einen Termin in Karlsruhe haben. Denn es liegt doch auf der Hand, dass eine jahrzehntelange Nichtanpassung der GOZ verfassungswidrig ist, oder?

Aber ganz so simpel ist es eben doch nicht, und deshalb müssen wir das Für und Wider eines Prozesses auch gewissenhaft abwägen. Denn die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts bietet nicht nur Chancen, sondern auch Risiken. Welche Folgen hätte eine erneute Klatsche? Wird damit die Verweigerung der Politik nicht noch weiter und für alle Ewigkeit zementiert? Wir haben nur einen Schuss. Treffen wir nicht, wird für Jahre die Tür zur Novellierung der GOZ zu sein.

Inzwischen haben wir – beraten durch einen namhaften Juristen – Ansatzpunkte ausmachen können, die uns Hoffnung machen. Derzeit tragen wir äußerst umfangreiches statistisches Zahlenmaterial zusammen, um dieses betriebswirtschaftlich zu analysieren. In einem nächsten Schritt müsste dann noch ein Kollege oder eine Kollegin gefunden werden, deren Praxis zu dem Zahlenmaterial passt und die bereit ist, ihre Daten auch vor einem Gericht offenzulegen. Auch das ist erkennbar keine leichte Aufgabe. Aber wir sind dran.

Doch auch wenn wir erfolgreich sein sollten: Bis es zur Umsetzung kommt, dauert es noch einige Jahre. Daher: Der Ausschuss GOZ-Strategie unterstützt Maßnahmen, die auf die stärkere Nutzung der Möglichkeiten der GOZ abzielen. Dazu gehören zunächst die §§ 5 und 6 der GOZ. Beide helfen, die Gebührenhöhe korrekt zu bestimmen. Die GOZ-Analyse zeigt, dass hier noch viel Potenzial besteht. Wo dennoch kein betriebswirtschaftlich stimmiges Honorar mehr zur Verfügung steht, ist eine Honorarvereinbarung nötig. Über einen Appell der Bundesversammlung zu dieser Frage werden wir später noch im Rahmen der Anträge beraten.

Die Kammern flankieren diesen Aufruf bereits vielfältig durch ein umfassendes Informationsangebot, das sich wirklich sehen lassen kann. Der Ausschuss GOZ-Strategie befüllt deshalb mit Unterstützung der GOZ-Referate der Zahnärztekammern einen „Werkzeugkasten GOZ“ mit Informationsmaterialien, Mustervereinbarungen und Musterschreiben zur Honorarvereinbarung gem. § 2 Abs. 1 GOZ. Diese hervorragende GOZ-Arbeit wird in einer Datenbank zusammengeführt, die alle Kammern nutzen können.

Von diesem GOZ-Werkzeugkasten werden alle Kammern und im Ergebnis auch alle unsere Kolleginnen und Kollegen profitieren können.

Digitalisierung

Kommen wir zu meinem dritten Thema zahnärztlicher „Freude“, der Digitalisierung.

Ich sagte ja eingangs, wo Schatten ist, ist auch Licht. Denn es laufen ja auch Dinge gut in der Digitalisierung. Röntgen, fräsen, Online-Terminmanagement usw. Ich sag’s, wie es ist: In gute, sinnvolle digitale Vorgänge investieren wir gern. Weil Innovationen uns Zahnärzten im Blut liegen. Weil wir im höchsten Maße technikaffin sind. Das gilt insbesondere auch für die Digitalisierung unserer Praxen. Und das seit Mitte der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts.

In den USA ist es nicht ungewöhnlich, dass sich Patienten, wenn sie in eine Zahnarztpraxis kommen, digital selbst einchecken. Oder dass nach dem Ende der Behandlung Diagnosen samt Prozedere mittels Diktat am Behandlungsstuhl digital erfasst und mittels KI automatisch in die jeweiligen Abrechnungsziffern übersetzt werden. Das sind sinnvolle, unsere Praxen und die Arbeit erleichternde digitale Anwendungen. So könnte ich mir die Praxis der Zukunft durchaus vorstellen …

Es ist daher ein Treppenwitz der Geschichte, wenn die Politik uns vorwirft, gegen die Digitalisierung zu sein, und uns sogar noch Blockadehaltung vorwirft. In unserer täglichen Behandlung ist Digitalisierung Standard.

Wogegen wir uns stellen, ist eine Digitalisierung, bei der man uns zu Beta-Testern wenig zielführender, irrlichternder staatlicher Wunschvorstellungen macht!

Wenn ich so darüber nachdenke, gibt es nur zwei Arten von Digitalisierung: die anwendungsorientierte, die mit Praktikerinnen und Praktikern entwickelt wird … und die, die meint, ohne die Anwenderexpertise auszukommen, Stichwort „Gematik“.

Welche TI-Anwendungen funktionierten denn auf Anhieb, brachten einen Nutzen und generierten für alle, ich betone: alle Beteiligten, einen Mehrwert?

Bis dato keine. Ich kann dem Minister jedoch eine Anwendung nennen, die funktioniert und genau das tut, was sie soll: das elektronische Beantragungs- und Genehmigungsverfahren, kurz EBZ. Natürlich keine Entwicklung der Gematik, sondern eine der Anwender.

Deswegen fordern wir erneut, dass eine Digitalisierung, die nur den Krankenkassen nützt, auch nur von diesen bezahlt wird.

Doch das Thema Digitalisierung wächst mittlerweile weit über die TI und die damit verbundenen Problematiken hinaus, wird gewissenermaßen zu einem Brennpunktthema heilberuflicher Tätigkeit.

Denn mit dem Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung des Gesundheitswesens und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz – beide sind derzeit in der parlamentarischen Beratung im Bundestag – geht es nicht mehr nur um die üblichen Digitalisierungen à la Gematik, die das Gesundheitswesen schneller, besser, transparenter und billiger machen sollen. Vielmehr sind fundamentale Veränderungen im Hinblick auf den Datenschutz, die Speicherung und die Verknüpfung sowie die Verwendung von Daten durch Dritte geplant. Dazu passt das europäische Vorhaben, einen gemeinsamen Gesundheitsdatenraum zu schaffen. Die Datensammlung dient hier aber nicht – oder nicht hauptsächlich – den Patientinnen und Patienten, sondern den Unternehmen.

Wir haben ein ausführliches Positionspapier zum sog. EHDS erarbeitet, aus dem klar hervorgeht, dass wir eine Primärdatennutzung begrüßen. Allerdings darf dies nicht zum Schaden der Praxisinhaberinnern und ‑inhaber oder der Patientinnen und Patienten sein. Ein weiteres Bürokratiemonster können wir nicht gebrauchen. Und: Die Kosten müssen von denen getragen werden, die sie verursachen! Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen sind gerade nicht unsere Praxen!

Ich war am Mittwoch bei zwei Anhörungen als Sachverständige für den zahnärztlichen Blick auf diese zwei großen Digitalisierungsvorhaben vom Deutschen Bundestag eingeladen:

Eine der vorgesehenen Regelungen soll es den Krankenkassen ermöglichen, auf Basis der ihnen vorliegenden Informationen über ihre Versicherten, also unseren Patientinnen und Patienten, bestimmte Empfehlungen aussprechen zu können. Will sagen: Die Krankenkasse kann anhand der Abrechnungsdaten sehen, dass Patient X eine bestimmte Medikation erhält. Wenn dann die Zahnärztin ein anderes Medikament anwendet, das eventuell nicht dazu passt, soll nicht etwa der Hausarzt oder die Zahnärztin das Patientengespräch übernehmen – das soll die Krankenkasse erledigen. Damit wird das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient entwertet. Ich sehe, ehrlich gesagt, eher uns als Partner der Patienten als die Krankenkassen. Stellen Sie sich das mal bei Ihrem Auto vor: Da soll die Versicherung ja auch nur bezahlen. Diese Kritik haben wir sowohl in einer schriftlichen Stellungnahme als auch diese Woche mündlich vorgetragen.

Es ist ja durchaus sinnvoll, Daten zum Wohle der Patientinnen und Patienten zu sammeln und auszuwerten – es gibt viele Daten, die wir in der Zahnärzteschaft benötigen. Aber mein Eindruck ist, dass die Datensammlungswut etwas überhandnimmt: Daten, Daten, Daten. Das BMG sprach letztens von der Schaffung eines „Datenökosystems“.

Aber damit das Datensammeln auch funktioniert, wird flugs ein weiteres neues Institut gegründet: das Kompetenzzentrum für Interoperabilität im Gesundheitswesen, abgekürzt KIG. Dessen Aufgaben sind die Spezifikation technischer, semantischer und syntaktischer Standards, Profile und Leitfäden. Denn irgendwie muss man ja an die strukturierten Daten kommen.

Mithilfe dieser Daten ist dann auch den Krankenkassen eine völlig neue Rolle im Hinblick auf ihre Versicherten zugedacht. Denn Lauterbach will die Kassen zu datenbasierten Managern der Gesundheit – Gesundheit bitte in Anführungsstrichen – ihrer Versicherten machen. Das ist kein Witz, sondern Lauterbachs Vorstellung von einer besseren Medizin, indem die Kassen zum Beispiel aufgrund der ihnen vorliegenden Daten als Watchdog der Medikation eines Versicherten fungieren. Oder aktiv werden sollen, wenn schwerwiegende Gefährdungen der Gesundheit erkennbar werden. Was immer das heißen mag.

Hier legt der Staat ganz bewusst die Axt an das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient.

Falls Sie sich fragen, wo die Daten herkommen: aus der ePA! Im Übrigen dieselbe Datenquelle, dann zwar anonymisiert, die für all die Forschungs- und Industrieprojekte zur Verfügung stehen soll. Damit – O-Ton Lauterbach – Deutschlands Forschung wieder an die Weltspitze gelangt.

Und so geht er weiter, der Weg der „Staatsmedizinisierung“ à la Lauterbach: Die Selbstverwaltung ist aus den Digitalisierungsprozessen ausgeschlossen, die Gematik wird verstaatlicht. Passt doch alles in Bild.

Wie der Hase rennt, zeigt die UPD. Diese ist bereits unter die Staats-Räder gekommen. In bereits sechs Wochen soll die UPD in eine von den Kassen finanzierte Stiftung bürgerlichen Rechts überführt werden. Nur – die Kassen weigern sich. Aber die alte gemeinnützige GmbH ist bereits terminiert.

Und die UPD-Mitarbeiter? Die wissen noch nicht einmal, ob es einen Betriebsübergang geben wird. Also werden sicherheitshalber alle gekündigt. Mit dem Ergebnis, dass die neue UPD, so es sie denn zeitnah überhaupt geben wird, mit hoher Wahrscheinlichkeit ohne Mitarbeiter dastehen wird. Ein Desaster ministerialen Handelns. Und haben Sie es gemerkt? Von den Patienten, die nun ohne unabhängige Beratung dastehen, kein Wort. So sieht Fürsorge à la Lauterbach aus.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich zum Schluss komme, möchte ich mich noch kurz dem vierten Thema Öffentlichkeitsarbeit zuwenden.

„Die Zukunft soll man nicht voraussehen wollen, sondern möglich machen.“ In der Aussage dieses Zitates von Antoine de Saint-Exupéry sehe ich eine der wesentlichen Aufgabenstellungen der Bundeszahnärztekammer. Es geht um Chancen für eine gute Zukunft! Wir müssen politische wie auch zahnmedizinische Entwicklungen – ich denke hier insbesondere an die immer bedeutsamer werdende orale Medizin –, die für die Zahnärzteschaft relevant werden können, frühzeitig antizipieren und mit den von uns leistbaren Maßnahmen so wahrscheinlich wie möglich zu machen.

Hier kommt der Öffentlichkeitsarbeit eine wichtige Rolle zu. Mittlerweile bespielen wir ein Vielfaches der Kommunikationskanäle und auch Zielgruppen. Neben der professionspolitischen und zahnmedizinischen Kommunikation betreiben wir auch „aktives Reputationsmanagement“ für unseren Berufsstand, nämlich umfassende Standes- und Bundespolitik.

Trotz unseres überschaubaren Invest sind wir sehr erfolgreich. Was aber heißt in diesem Zusammenhang Erfolg?

Folie

Schauen wir uns einmal die anlässlich der neuen Paro-Strecke gestartete Aufklärungskampagne an. Diese beinhaltete Pressearbeit, Social Media, Radio, Mediaschaltungen und die Webseite Paro-Check. Ein Teil der Kampagne erfolgte sogar in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband Niedergelassener Kardiologen sowie dem Bundesverband der Niedergelassenen Diabetologen.

Was haben wir mit der Parodontitis-Kampagne erreicht? Dazu nur wenige Beispiele:

  • 2330 Artikel mit einer Auflage von 232 Millionen
  • 2 Radiobeträge, 105-mal gesendet
  • Über 600.000 Videoaufrufe bei Youtube,
  • Materialien für die Praxen sowie deren Social-Media-Kanäle

Diese Kampagne haben wir dann verlängert, aber so modifiziert, um die politische Kampagne „Zähnezeigen“ der KZBV flankieren zu können. Das Kampagnenziel bei der Zielgruppe der politischen Entscheider wurde mit fast 590.000 Impressions deutlich überschritten.

Dass hervorragende Öffentlichkeitsarbeit mit wenig Geld, aber viel Grips möglich ist, beweist immer wieder die Initiative proDente. Allein in den ersten drei Quartalen dieses Jahres erreichte proDente eine Pressereichweite von fast 450 Millionen Auflagen. Die Kosten: 2 Euro und 21 Cent für jede aktive Zahnärztin und Zahnarzt. Pro Jahr wohlgemerkt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Aufzählung soll Ihnen zeigen, was mit den Geldern der Zahnärzteschaft erreicht wurde und was unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu leisten in der Lage sind. Und das alles bei weiterlaufendem Tagesgeschäft.

Dafür zolle ich großen Respekt und möchte mich auch in Ihrem Namen herzlich bedanken. Ich finde, das ist einen extra Applaus wert. 

Und damit bin ich am Ende meiner Rede. Frei nach Kafka: „Wege entstehen dadurch, dass man sie geht“. Ich bin davon überzeugt, dass wir im Hinblick auf die Gestaltung unseres wunderbaren und hochbefriedigenden Berufes und seines Umfeldes einiges mehr erreichen können, als wir uns zurzeit vorstellen. Also gehen wir neue Wege!


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