Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Gäste,
auch von meiner Seite und im Namen der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ein herzliches Willkommen zu unserem gemeinsamen Frühjahrsfest. Da nur noch ich zwischen Ihnen und dem Büffet stehe, fasse ich mich kurz.
Das lang erwartete Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ist da. (Martin ist eben bereits ausführlich darauf eingegangen). Bei allem, was man uns angekündigt hat, ist die Lage allerdings wirklich dünn. Immerhin sind die Parallelstrukturen Gesundheitskiosk, Primärversorgungszentrum etc. erst einmal abgewendet. Aber auf eine Regulierung der Investoren-MVZ können wir nicht mehr warten. Da muss die Bundesregierung endlich aus dem Knick kommen, bevor in einem Jahr schon wieder der nächste Wahlkampf losgeht.
Europawahlen 2024
Apropos Wahl - Es sind nur noch wenige Wochen bis zur Europawahl 2024, bei der das Europäische Parlament neu gewählt wird. Diese wird von den Wählerinnen und Wählern, aber auch von den Parteien im Vergleich zur Bundestagswahl oft etwas stiefmütterlich behandelt. Dabei ist ein starkes, demokratisches Europa wichtiger denn je. Nicht nur, weil in der Ukraine seit über zwei Jahren ein Angriffskrieg tobt, in dem sich Russland eine gewaltsame Verschiebung europäischer Grenzen zum Ziel gesetzt hat. Nicht nur, weil populistische Bündnisse in ganz Europa stärker werden, die das europäische Projekt zu delegitimieren suchen und eine Renaissance des Nationalismus anstreben. Sondern auch, weil in Brüssel und Straßburg immer mehr wichtige Entscheidungen getroffen werden, die auch uns alle unmittelbar betreffen.
Die Bedeutung der Europäischen Union für den zahnärztlichen Berufsstand hat in den vergangenen fünf Jahren seit der letzten Europawahl weiter spürbar zugenommen. Es werden viele für die Zahnärzteschaft wichtige Fragen nicht mehr auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene entschieden.
Deshalb hat die BZÄK wieder ihre „Gesundheitspolitischen Positionen zur Europawahl“ aufgelegt, um für den zahnärztlichen Berufsstand seine politischen Forderungen an die künftigen Mitglieder des Europäischen Parlaments zu formulieren. Ich möchte kurz die wichtigsten herausgreifen.
Bürokratieabbau
Der tagtägliche Kampf mit der Bürokratielast ist ein stetiges Ärgernis in unseren Zahnarztpraxen. Deshalb fordert die BZÄK, dass sich das Europäische Parlament für eine stärkere Entbürokratisierung auch auf europäischer Ebene einsetzt. Es ist erforderlich, dass sich der europäische Gesetzgeber der Folgen bewusst ist, die bürokratische Vorgaben – auch von europäischer Ebene – speziell für freiberufliche Einheiten haben. Die Notwendigkeit neuer Vorgaben muss stets hinterfragt werden. Jedes neue Gesetz soll vor seiner Verabschiedung auf seine bürokratischen Auswirkungen für die Betroffenen hin geprüft werden. Das Ergebnis dieser Prüfung soll gemeinsam mit dem jeweiligen Rechtsakt veröffentlicht werden. Ziel muss sein, die Bürokratie auf allen Ebenen effektiv zu verringern. Ich freue mich, dass Bundesminister Lauterbach unsere Beschwerden ernst nimmt – Das BMG hat erst letzte Woche unsere Expertise in Sachen Bürokratieabbau eingefordert.
Digitalisierung
Dazu kann im besten Fall die Digitalisierung beitragen. Die Digitalisierung des Gesundheitswesens ist ein Schwerpunkt der EU-Gesundheitspolitik. Insbesondere die sog. „Verordnung für die Schaffung eines European Health Data Space (EHDS)“ ist ein Meilenstein. Die BZÄK plädiert dafür, die Digitalisierung im Gesundheitswesen im Rahmen der bestehenden Kompetenzen der EU zum Nutzen der Patientinnen und Patienten zu gestalten. Die Digitalisierung sollte zu einer verbesserten und bürokratiearmen Versorgung führen, sie muss aber gleichzeitig für kleinere niedergelassene Praxen zu bewältigen sein. Das heißt auch, dass ausgerechnet die Industrie uns nicht noch zusätzliche Bürokratie und Kosten aufbürden darf.
Die in Deutschland geltenden hohen Standards zum Schutz der Privatsphäre – auch und gerade im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung und des Zahnarzt-Patienten-Verhältnisses – dürfen nicht geschmälert werden. Gesundheitsdaten dürfen nicht zu kommerziellen Waren verkommen.
Fachkräftemangel
Angesichts des demografischen Wandels wird der bereits bestehende Fachkräftebedarf in allen EU-Staaten weiter steigen. Dies führt u.a. dazu, dass einige EU-Mitgliedstaaten überlegen, zahnmedizinische Abschlüsse aus Drittstaaten ohne Prüfung der Mindeststandards der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie anzuerkennen. Eine solche Entwicklung verstößt gegen EU-Recht, ist bedenklich und untergräbt die geltenden EU-Mindeststandards. Die BZÄK fordert das Europäische Parlament daher dazu auf, das Thema Fachkräftemangel aktiv zu begleiten. Gleichzeitig dürfen im Sinne des Patientenschutzes die in der Berufsanerkennungsrichtlinie festgelegten qualitativen Mindestanforderungen keinesfalls unterlaufen werden.
EU-Regulierung „freie Berufe“/Kommerzialisierung
Auf EU-Ebene findet seit Jahren eine Diskussion über die Zukunft der regulierten Berufe – also auch der freien Berufe – statt. Übergeordnetes Ziel ist es, durch den Abbau von angeblich überflüssiger berufsrechtlicher Regulierung neue Wachstumsimpulse zu setzen. Diese Diskussion fällt in eine Phase des Umbruchs. In vielen freiberuflichen Bereichen findet eine zunehmende Kommerzialisierung statt, die durch das Auftreten von großen Finanzinvestoren beschleunigt wird. So sind in den vergangenen Jahren große europäische Dentalketten entstanden. Negative Beispiele aus Frankreich, Spanien und anderen Ländern zeigen, dass in von Finanzinvestoren betriebenen Dentalketten Therapieentscheidungen in großem Maßstab von Renditeüberlegungen getrieben werden und nicht von der sinnvollsten Therapie für die Patientinnen und Patienten.
Hier muss das Europäische Parlament als einzige direkt gewählte EU-Institution als Anwalt der Patientenschaft und der freien Berufe auftreten, um einer gefährlichen Kommerzialisierung Einhalt zu gebieten sowie die Therapie- und Entscheidungsfreiheit sowie die freie Arztwahl europaweit zu schützen!
Anrede,
Sie sehen – europäische Politik hat mit uns Zahnärztinnen und Zahnärzten mehr zu tun, als man vielleicht anfangs erwartet. Deshalb auch mein Appell an alle Kolleginnen und Kollegen, sich an der Europawahl zu beteiligen und ihre Kreuzchen zu machen!
Zum Abschluss möchte ich noch ein Thema ansprechen, das mit besonders am Herzen liegt und das auch im Koalitionsvertrag steht: die „Alterszahngesundheit“. Das Wichtigste dabei: Pflegezahnmedizin muss feingranular über ganz Deutschland verteilt angeboten werden, also in Stadt, Land, reichen und weniger reichen Regionen. Das gelingt am besten durch eine stärkere Vernetzung der Zahnärzteschaft mit den Hausärztinnen und Hausärzten. Zusammen bieten sie: Regionale Verankerung, über Jahre aufgebautes Vertrauen, persönliche Verantwortung für Mundgesundheit der alternden Patientenschaft. Eine Unterstützung der Niederlassung ist also auch eine Unterstützung der Pflegezahnmedizin! Wir hoffen, dazu noch intensiver ins Gespräch zu kommen. Vielleicht ja schon heute Abend.
Damit komme ich zum Schluss, bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen einen schönen Abend und vor allem:
Guten Appetit! Das Buffet ist eröffnet!