Sehr geehrte Damen und Herren,
zunächst möchte ich die Gelegenheit nutzen, um dem neuen Vorstand der KZBV auch in dieser Runde zur Wahl zu gratulieren! Mit Martin Hendges, Karl-Georg Pochhammer und Ute Maier sind erfahrene Standespolitiker am Ruder, die sicher alles für eine erfolgreiche und zukunftsfähige Entwicklung der Zahnärzteschaft geben werden. Dieses Ziel können wir aber nur gemeinsam erreichen!
Die aktuellste Herausforderung, bei der wir uns gemeinsam engagieren, ist das GKV-FinStG – oder besser gesagt der Protest dagegen. Denn das Gesetz hat aus der Sicht der Zahnmedizin zwei besonders verhängnisvolle Auswirkungen: Zum einen gefährdet es die Versorgung und letztlich die Gesundheit unserer Patientinnen und Patienten – siehe PAR-Behandlungsstrecke. Zum anderen verschärft es die sowieso schon angespannte Lage beim Fachkräftebedarf. Das hat der Kollege Hendges bereits deutlich gemacht.
Das GKV-FinStG ist aber nicht der einzige Punkt, der die Bundeszahnärztekammer gesundheitspolitisch umtreibt.
Die von Gesundheitsminister Lauterbach geplante Krankenhausreform könnte aus Sicht der BZÄK Auswirkungen haben, die weit über die Dimension der Krankenhauslandschaft hinausgehen. Vielmehr könnte sich durch diese Reform auch die gesamte Architektur der ambulanten Gesundheitsversorgung ändern. Denn wenn es laut Plänen nur noch Universitätskliniken an der Spitze und regionalversorgende Krankenhäuser eine Stufe darunter geben soll, wer kümmert sich dann um die Nah- bzw. Grundversorgung direkt vor Ort bei den Bürgerinnen und Bürgern? In Lauterbachs Szenario spielen da vor allem regionale Gesundheitszentren und – natürlich auch - kommunale Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ, eine möglicher Weise wichtige Rolle.
Dann stellen sich aber drei ganz praktische Fragen und Probleme:
- Unsere Daten zeigen, dass sich zahnärztliche MVZ – vor allem solche, die von Investoren betrieben werden – bevorzugt in Ballungsgebieten ansiedeln, um möglichst viele – und möglichst zahlungskräftige – Patientinnen und Patienten zu bekommen.
- Und wir können nachweisen, dass solche MVZ in einem Radius von bis zu 5 Kilometer eine Sogwirkung auf Zahnärztinnen und Zahnärzte entwickeln, die zu Lasten der Versorgung in den ländlichen Regionen gehen.
- Aus den Deutschen Mundgesundheitsstudien I bis V wissen wir aber, dass die Verfügbarkeit von Zahnärztinnen und Zahnärzten in der Fläche – jede 3. Arztpraxis in Deutschland ist eine Zahnarztpraxis – und der damit verbundene niedrigschwellige Zugang zu zahnärztlicher Versorgung ein Hauptgrund für die nachweislich hohe zahnärztliche Versorgungsqualität in Deutschland ist.
Was also müssten vor dem Hintergrund dieses skizzierten Szenarios die Konsequenzen generell für die Gesundheitsversorgung und speziell für die zahnärztliche Versorgung, die im Wesentlichen durch die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen erbracht wird, sein?
Es kann nur auf eine Stärkung der ambulanten Nah- bzw. Grundversorger, sprich Ärztinnen und Zahnärzte in Niederlassung, hinauslaufen. Denn nur sie sind in der Fläche ausreichend vorhanden, nur sie können die Gatekeeper-Funktion übernehmen, um die Patientinnen und Patienten an Spezialisten bis hin zu den hochspezialisierten Unikliniken zu ver- und überweisen. Steht der Hausarzt, der Hauszahnarzt, also vor dem großen Comeback? In ersten Körperschaften – so ist aktuell der Presse zu entnehmen – wird in diesem Zusammenhang z. B. über die Wiedereinführung der Bedarfszulassung mehr als laut nachgedacht. Nun, dafür müssten erst einmal einige Bedingungen erfüllt sein. Zuvorderst bedarf es einer wirklichen, nachhaltigen und ernst gemeinten Stärkung der (zahn)ärztlichen Niederlassung durch die Politik.
Es braucht nach 35 Jahren endlich eine Punktwertanpassung in der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte, der GOZ. In der GOZ wird die Hälfte des Praxiseinkommens erwirtschaftet. Hier mahnt die Bundeszahnärztekammer schon lange eine überfällige Novellierung an, aber in der Politik ruht still der See. Dabei wäre sie angesichts rasant steigender Energie- und Materialkosten notwendiger denn je. Zudem stehen Zahnarztpraxen auch mit großen Unternehmen und dem Öffentlichen Dienst in Konkurrenz um Personal – und können dabei oft nicht mithalten. Sie sind bei der Lohnentwicklung schlicht nicht mehr konkurrenzfähig. Durch eine GOZ-Anpassung erhielten die Praxen die notwendigen Spielräume, um Gehaltssteigerungen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die hohen Grundkosten zu finanzieren.
Zudem braucht es eine Digitalisierung, die nicht von oben oktroyiert wird, sondern die den Behandlern und den Patientinnen und Patienten wirklich hilft. Also gerade nicht, wie es jetzt bei der gematik läuft, die zu 100 Prozent vom BMG übernommen werden soll und die Leistungserbringer zu bloßen Erfüllungsgehilfen degradiert. Wir brauchen endlich eine Digitalisierung im Gesundheitswesen, die praxisnah, bezahlbar, benutzerfreundlich und ausreichend vertestet ist. Hier lohnt sich übrigens der Blick nach Europa: Unter dem Stichwort „Europäischer Gesundheitsdatenraum“ braut sich dort etwas zusammen, dass unsere gesamte Aufmerksamkeit benötigt, sonst haben wir gematik-ähnliche Diskussionen auch bereits in Brüssel.
Es braucht außerdem Anreize, um einem drohenden Mangel an niedergelassenen Ärzten und Zahnärztinnen in ländlichen Gebieten entgegenzuwirken. Ideen gibt es einige, von einer Landarztquote an Universitäten bis zu monetären Anreizen. Diese müssen zeitnah umgesetzt bzw. verstetigt werden, sonst sind wir in nicht allzu ferner Zukunft mittendrin im Ärztemangel. Wir Zahnärztinnen und Zahnärzte und sicher auch die Ärzteschaft stehen gerne für Gespräche mit der Politik bereit, welche Maßnahmen gut und sinnvoll sind.
Und schließlich braucht es angesichts des demografischen Wandels eine gesundheitspolitische Strategie, wie mit der steigenden Zahl an hochbetagten, pflegebedürftigen und multimorbiden Patientinnen und Patienten umgegangen wird. Die BZÄK hat hierzu für den zahnmedizinischen Bereich ausführliche Vorschläge erarbeitet. Dazu zählen u.a. eine umfangreichere zahnmedizinische Betreuung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, eine Ausweitung der zahnmedizinischen Versorgung in stationären Behinderteneinrichtungen sowie eine angepasste Vergütung von Leistungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen.
Dass wir im Gesundheitssystem eine größere Steuerung, einen besseren Einsatz der Mittel und letztlich wahrscheinlich auch eine größere Selbstbeteiligung brauchen, steht angesichts der Zahlen schon außer Frage: 2021 betrug der Bundeshaushalt rund 548 Mrd. Euro. Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen betragen alleine die Steuer- und Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung im Jahr 2030 geschätzte 275 Mrd. Euro. Das wäre die Hälfte des jetzigen Bundeshaushalts!
Die Zukunft des Gesundheitswesens ist herausfordernd, um das Mindeste zu sagen. Die BZÄK ist deshalb auf verschiedenen Feldern aktiv und immer auf der Suche nach Verbündeten in der Politik. Wir haben viele Ideen, wie wir die Zahnmedizin und das Gesundheitswesen insgesamt zukunftsfähig gestalten können. Lassen Sie uns also gerne gleich das ein oder andere Thema im persönlichen Gespräch vertiefen.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Für Rückfragen: Dipl.-Des. Jette Krämer-Götte, Telefon: + 49 30 40005-150, E-Mail: presse@bzaek.de