Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde!
Es ist mir eine besondere Ehre und große Freude, Sie heute zum Neujahrsempfang der Bundeszahnärztekammer begrüßen zu dürfen. Ich danke Ihnen herzlich dafür, dass Sie Ihre Zeit opfern und uns die Ehre geben.
Sie sind ein Allstar-Team, bei dem ich eigentlich alle namentlich begrüßen müsste. Da wir diese Zeit nicht haben, gestatten Sie mir nur vier Namen zu nennen.
Ich begrüße die stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit, Kirsten Kappert-Gonther, die parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, sowie die Abgeordneten des Deutschen Bundestages.
Für den Gemeinsamen Bundesausschuss begrüße ich das unparteiische Mitglied Karin Maag.
Für die Bundesländer darf ich ganz herzlich Frau Senatorin Cyborra begrüßen.
In 26 Tagen findet die Bundestagswahl statt. Das Interesse der Bevölkerung ist groß und ganz viele Aspekte werden diskutiert. Ein Aspekt aber nur ganz selten: Zu dieser Wahl ist die älteste Bevölkerung aufgerufen, die jemals im Nachkriegs-Deutschland gewählt hat: 42 Prozent sind 60 Jahre und älter, nur noch vier Prozent sind Erstwähler. Gibt es irgendjemanden in diesem Raum, der glaubt, dass wir in Deutschland einfach so weitermachen können?
Ich möchte nun im Bezug auf die Gesundheitspolitik die Wahlprogramme der sieben Parteien vergleichen, die in den Bundestag kommen werden, bzw. kommen könnten. Drei Punkte sollen angesprochen werden:
1. Prävention statt Reparaturmedizin
So prägnant sagt das zwar nur das BSW, aber alle Parteien betonen das Primat der Prävention. Die AfD nicht, sie kennt nur den Begriff „Präventionshaft“. Vielleicht ein neuer gesundheitswissenschaftlicher Ansatz. Wer seiner eigenen Gesundheit schadet, kommt in Haft.
Wenn man schon Prävention als Ziel nennt, warum vergisst man dann den Gesundheitsberuf zu nennen, der das schon längst geschafft hat: Die Zahnmedizin!
Wir verfolgen den präventiven Ansatz seit 35 Jahren, unser Anteil am GKV-Topf ist seit 1980 um 58 % gesunken, wir machen 50 % weniger Reparaturmedizin, wir sind Weltmeister in der Mundgesundheit. Und nein, unsere Wirkung ist nicht lokal und klein auf den Mund begrenzt, wir wirken im ganzen Körper.
Ich möchte jeden von den drei Abschnitten mit einer Merkformel beenden, deshalb hier die erste Merkformel: Zahnmedizin ist Goldstandard-Prävention.
Bitte das in Zukunft nicht mehr vergessen!
2. Die Hausärztin ist die neue Heldin
Wenn Sie diese Überschrift merkwürdig finden, hilft vielleicht der Satz, mit dem mich kürzlich meine 12-jährige Tochter am Frühstückstisch verblüfft hat: „Das generische Femininum gilt auch für Männer“.
In den Wahlprogrammen der sieben Parteien erleben wir eine ganz erstaunliche Wendung. Noch vor Kurzem wurde über alle Parteigrenzen hinweg das hohe Lied der angestellten Medizin gesungen. Plötzlich bekennt man sich zur kleinen ambulanten Struktur. Die Hausärztin, der Hausarzt soll‘s bei allen Parteien richten. Bis auf BSW und Linke, hier waren die ideologischen Hürden offensichtlich zu hoch. Die AfD spricht von der inhabergeführten Praxis. Der Begriff gefällt uns natürlich sehr gut.
In Fahrwasser der Ambulantisierung sind leider wir Zahnmediziner wieder vergessen worden: Unsere wichtigsten Spezialisten sind die Hauszahnärztin und der Hauszahnarzt. Die haben die präventive Welle gemacht, die kümmern sich in hervorragender Weise um die pflegebedürftigen Menschen in unserem Land.
Wenn wir schon die kleine Praxisstruktur zum Helden der zukünftigen Medizin in unserem Lande erklären, dann lasst uns bitte auch alle zusammen dafür kämpfen, dass unser Nachwuchs tatsächlich auch Bock auf Praxis hat – vom Dorf bis zur großen Stadt.
Top-Hindernis dafür ist die Bürokratie. Lippenbekenntnisse – wie in allen Wahlprogrammen – haben wir jetzt wirklich genug gehabt, jetzt muss endlich etwas passieren.
Dafür brauchen wir nicht die Brains aus Argentinien und den USA.
Das, was uns helfen könnte, ist die Demografie, die hier tatsächlich einen Vorteil bietet: Vertrauen wagen und einfach mal Stellen in den Ämtern und Prüfbehörden nicht neu besetzen. Wenn DB-Cargo 5.000 Stellen abbaut und dies vorwiegend in der Verwaltung, warum kann der Staat das eigentlich nie? Zumal es mit unserer Demografie sozialverträglich ginge. Mit jedem Beamten stirbt eine Prüfvorschrift, mit jeder Beamtin ein Formular.
Dieses Vertrauen wäre absolut nicht unbegründet und deshalb keine Angst vor Chaos! Bei der eigenen Praxis ist der Spurhalteassistent nämlich fest eingebaut. Wenn ich Mist baue, hängt meine Reputation und meine Existenz daran. Das riskiert nur ein verschwindend kleiner Anteil von Voll-Horstinnen und Voll-Horsten. Voll-Horste, die übrigens die Prüferitis im Vorfeld auch nicht findet.
Hier die zweite Merkformel: Weniger Bürokratie bedeutet mehr Praxen.
3. Wo steht eigentlich der Dukaten-Esel?
Unser Demografie-Desaster läuft seit dem Pillenknick. Nach 55 Jahren. haben wir jetzt mit ambitionslosem Abwarten die größte Krise unserer Sozialsysteme heraufbeschworen. Trotzdem deuten nur drei Wahlprogramme diese Krise im Gesundheitsbereich tatsächlich auch an: CDU, SPD, BSW.
Vier Parteien sehen den Dukaten-Esel bei den versicherungsfremden Leistungen, für die AfD ausschließlich im Bezug auf Bürgergeldempfänger. Deren Beitrag ist eher klein. Den größten Batzen von 39 Milliarden machen die beitragsfreie Mitversicherung der 15,9 Mio. Familienangehörigen und die Familienpolitik aus. Abschaffen wird das keiner wollen. Mit einer Steuerfinanzierung wäre es vielleicht verteilungsgerechter, aber letztlich doch bloß ein Rechte-Tasche-Linke-Tasche-Spiel.
Wir haben kein Einnahmen-Problem, wir haben ein Ausgaben-Problem und den Dukaten-Esel wird niemand finden. Es führt kein Weg daran vorbei, dass die GKV jetzt endlich massiv sparen muss. Die BÄK und die KBV haben Vorschläge gemacht, wir Zahnmediziner verstehen die Aufgabe ebenso.
Hier die letzte Merkformel: Die Zahnmedizin ist jederzeit gesprächsbereit!
Der Appell an uns Wählerinnen und Wähler muss jetzt lauten: Lasst uns eine starke Bundesregierung wählen, eine Regierung, die dann aber auch den Mut für grundlegende Reformen haben muss. Reformen, die disruptiv sind, Reformen, die auch wehtun werden.
Unter Lauterbach haben wir jetzt drei Jahre „High-speed-Flickschustering“ erlebt, jetzt müssen wir endlich den stabilen Grundstein für die nächsten 30 Jahre der Boomer-Welle legen.
Damit danke ich Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit!