Vernissagen/Kunstaustellungen für Patienten

Gericht: Bundesgerichtshof | Aktenzeichen: I ZR 2/90 | Dokumententyp: Urteil
Themengebiete: Berufliche Kommunikation

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Werden Patienten zu kulturellen Veranstaltungen in der Praxis, wie beispielsweise Vernissagen oder Kunstaustellungen, eingeladen, ist dies grundsätzlich berufsrechtlich nicht zu beanstanden.

Urteilstext


Tatbestand

Die Kläger sind Rechtsanwälte aus dem Amtsgerichtsbezirk M ... Die Beklagten sind drei in einer Sozietät verbundene Rechtsanwälte, ebenfalls aus M... Die Kläger beanstanden als wettbewerbswidrig, dass die Beklagten mit folgendem Schreiben zu einer Veranstaltung am 25. Juni 1988 in das R. Hotel in Bad O./L. eingeladen haben:

"EINLADUNG"

Eine Zusammenkunft in zwangloser Atmosphäre mit zündenden Gesprächen bei zünftiger Bewirtung scheint uns hierfür der beste Weg zu sein. Wir laden Sie daher noch vor den Sommerferien zu einem kleinen Empfang am
Samstag den 25.06.1988 ab 11.30 Uhr

in das

R. Hotel in Bad O./L. ein.

Bei dieser Gelegenheit werden wir uns erlauben, Sie mit unserem neuen Kollegen, Herrn Rechtsanwalt …, bekannt zu machen. Herr Rechtsanwalt … ist mehr als 30 Jahre in der Geschäftsleitung von Banken und Unternehmen tätig gewesen und wird dementsprechend auch in unserem Hause die Rechtsberatung durch eine betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung abrunden. Herr Rechtsanwalt ... wird Ihnen sein Konzept einer "Chefberatung für den Mittelstand" vorstellen. Damit das kulturelle Erleben nicht zu kurz kommt, wird der M. Künstler … aus Anlaß des Empfangs seine Ausstellung "Skulpturen und Aquarelle" im R. Hotel eröffnen.

Bitte teilen Sie uns kurzfristig telefonisch mit, ob und mit wieviel Personen Sie am Empfang teilnehmen werden. Eine Wegbeschreibung zum R. Hotel liegt anbei bzw. ist umseitig abgedruckt."

Die Kläger haben hierzu vorgetragen, die Beklagten hätten zu dieser Veranstaltung auch Personen, nämlich Vertreter von Institutionen und Firmen, eingeladen, die nicht ihre Mandanten seien. Die in dem Einladungsschreiben zum Ausdruck kommende Werbung laufe auf einen Kundenfang hinaus. Der Rahmen zulässiger Mandantenpflege sei überschritten. Auch die Vorstellung des Mitarbeiters G. sei so wie geschehen unzulässig; der Hinweis auf Spezialkenntnisse eines Rechtsanwalts, die nicht in einem rechtsförmlichen Verfahren erworben seien, stelle eine gezielte Werbung um Praxis dar, die mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts nicht vereinbar sei. Zudem sei es irreführend, Rechtsanwalt ... als Kollegen vorzustellen, da dieser weder Mitglied der Sozietät der Beklagten noch bei ihnen als anwaltschaftlicher Mitarbeiter beschäftigt sei.

Nach Rücknahme des ursprünglichen Klageantrags zu 1 haben die am Berufungsverfahren beteiligten Kläger zuletzt beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, es zu unterlassen,

1.
solche Personen, zu denen noch kein Mandatsverhältnis bestanden hat oder besteht, zu einer den privaten Rahmen überschreitenden Zusammenkunft einzuladen, insbesondere, zu Vernissagen oder anderen auch der Mandantenpflege dienenden kulturellen Veranstaltungen solche Personen einzuladen, zu denen kein Mandatsverhältnis bestanden hat oder besteht, hilfsweise, Personen zu Veranstaltungen wie am 25.06.1988 in ein Hotel einzuladen, zu denen keine mandantschaftlichen Beziehungen bestanden haben oder bestehen, mit Ausnahme von Ehepartnern, Verwandten und persönlichen Freunden,

2.
Veranstaltungen mit Geschäftspartnern sowie ehemaligen, derzeitigen und potentiellen Mandanten durchzuführen, bei denen ein Mitglied der Anwaltskanzlei eigener Einschätzung nach als Spezialist vorgestellt und angepriesen wird, d.h. auf Spezialkenntnisse eines Mitarbeiters hingewiesen wird, die nicht in einem rechtsförmlichen Verfahren erworben sind,

3.
in einem Rundschreiben an Geschäftspartner sowie ehemalige, derzeitige und potentielle Mandanten auf Spezialkenntnisse eines Mitarbeiters hinzuweisen, die nicht in einem rechtsförmlichen Verfahren erworben sind und eine besondere, auf diesen Spezialkenntnissen beruhende Beratung anzubieten,

4.
zu Veranstaltungen der Anwaltssozietät der Beklagten mit der Angabe einzuladen, daß ein neuer Kollege der Beklagten vorgestellt werden solle, wenn dieser neue Kollege weder Mitglied der Sozietät der Beklagten noch anwaltlicher Mitarbeiter der Beklagten ist.

Die Beklagten haben ausgeführt, lediglich der Vorsitzende der Kreishandwerker-schaft H. sei als Nichtmandant eingeladen worden. Zur Kreishandwerkerschaft hätten aber enge Geschäftsbeziehungen bestanden, da mit dieser seinerzeit über den Kauf eines Bürohauses verhandelt worden sei, was letztlich auch zum Erfolg geführt habe. Dem Einladungs- schreiben sei ein wettbewerbswidriger Inhalt nicht zu entnehmen. Rechtsanwalt ... sei schon seit 1987 als freier Mitarbeiter für sie tätig, eine Sozietät sei beabsichtigt. Es fehle an einer Wiederholungsgefahr, da sie erklärt hätten, bis zur Klärung der Angelegenheit durch die Rechtsanwaltskammer keine weiteren Veranstaltungen wie die durchgeführte ausrichten zu wollen. Im Übrigen sei das Vorgehen der ursprünglich 22 Kläger rechtsmißbräuchlich, da dieses darauf ausgerichtet sei, sie wirtschaftlich zu schädigen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die von den Klägern - mit Ausnahme der Kläger zu 12 und zu 21 - eingelegte Berufung ist - nach Rücknahme des ursprünglichen Klageantrags zu 1 - erfolglos geblieben (OLG Hamm NJW-RR 1990, 1133 [OLG Hamm 26.10.1989 - 4 U 111/89]). Mit der Revision verfolgen die Kläger zu 1 bis 9, 11, 13, 14, 16, 18 die zuletzt gestellten Klageanträge weiter. Der Kläger zu 22 hat seine Revision zurückgenommen. Die Beklagten beantragen, die Revision zurückzuweisen.


Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat den Klageantrag zu 1 als nicht hinreichend bestimmt und die Klage insoweit als unzulässig angesehen; es sei unklar, was unter "einer den Privatrahmen überschreitenden Zusammenkunft" gemeint sei; diesem Antrag fehlten die tatsächlichen Elemente, welche eine derartige Zusammenkunft charakterisieren sollten. Hinsichtlich der im Hilfsantrag zu 1 und den weiteren Klageanträgen beanstandeten Wettbewerbshandlungen der Beklagten hat es einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch nicht für gegeben erachtet. Das Werbeverbot lasse sich nicht mit einem Verstoß gegen Standesrichtlinien begründen. Das Einladungsschreiben enthalte auch weder eine gezielte Werbung um Praxis noch irreführende Angaben. Mangels einer Allgemeinverbindlichkeit von Standesrichtlinien von Rechtsanwälten könne eine Anwaltswerbung nur dann als unzulässig angesehen werden, wenn sie zu einer Verfälschung des Berufsbildes führe. Solches lasse sich im Streitfall nicht feststellen.

Der Hilfsantrag zu Klageantrag zu 1, der die Werbung von Personen betreffe, zu denen keine mandantschaftliche Beziehung bestehe oder bestanden habe, sei unbegründet, weil nur im Fall des Vorsitzenden der Kreishandwerkerschaft H. festzustellen sei, daß ein Nichtmandant eingeladen worden sei. Der Vorwurf verbotswidriger Mandatswerbung lasse sich damit nicht begründen. Der Einladung, welche außerhalb der Praxisräume erfolgt sei, fehle schon ein räumlicher Bezug zur Tätigkeit der Beklagten. Das Einladungsschreiben enthalte auch keine offenen oder versteckten Hinweise, die als Antrag eines konkreten Mandatsverhältnisses hätten verstanden werden können. Der Vorstandsvorsitzende der Kreishandwerkerschaft sei für die Beklagten deshalb interessant gewesen, weil sie mit der Kreishandwerkerschaft in Verhandlungen über den Kauf eines Bürohauses gestanden hätten. Da diesem die Beklagten als Anwälte ohnehin näher bekannt gewesen seien, sei es wenig wahrscheinlich, daß die Einladung das Interesse an der beruflichen Leistung der beklagten Anwälte hätte wecken sollen.

Die Klageanträge zu 2 und zu 3 seien schon deshalb unbegründet, weil - entgegen deren Formulierung - dem Einladungsschreiben weder ein Hinweis auf Spezialkenntnisse noch ein Angebot einer auf Spezialkenntnissen beruhenden Beratung entnommen werden könne. Es werde lediglich zum Ausdruck gebracht, daß Rechtsanwalt G. Erfahrungen im Bereich betriebswirtschaftlicher Unternehmensberatung gesammelt habe. Wirtschaftsberatung sei aber keine spezifisch juristische Beratung, weshalb Zweifel angebracht seien, ob der Hinweis darauf überhaupt an der Elle anwaltlichen Standesrechts gemessen werden dürfe. Jedenfalls gebe die knappe, objektiv richtige Darstellung der beruflichen Tätigkeit von Rechtsanwalt G. keinen Anlaß für die Befürchtung, das Berufsbild des Anwalts werde verfälscht. Das gelte auch für das in der Ankündigung liegende Angebot der Beratung. Eine Wettbewerbswidrigkeit sei auch nicht daraus herzuleiten, daß der Mitarbeiter G. in dieser Form auch solchen Personen vorgestellt worden sei, die nicht zur Stammandantschaft der Beklagten gehörten. Soweit den Beklagten eine solche Vorstellung ganz allgemein gegenüber Geschäftspartnern und Nichtmandanten verboten werden solle, sei nicht festzustellen, daß die Beklagten sich an einen solchen Adressatenkreis gewandt hätten. Es sei auch nicht irreführend, daß Rechtsanwalt G. als Kollege vorgestellt worden sei. Rechtsanwalt G. führe wie angekündigt bei Bedarf betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung durch. Auf den rechtlichen Status von Rechtsanwalt G. im Verhältnis zur Sozietät der Beklagten komme es nicht an. Es sei nicht ersichtlich, daß dieser rechtliche Status für die Entscheidung der angesprochenen Verkehrskreise, sich bei den Beklagten beraten zu lassen, von Bedeutung sei.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision ist im Wesentlichen begründet.

1.
Erfolglos bleibt die Revision lediglich, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hauptantrags zu 1 als unzulässig wendet.

Die Fassung des Verbots nach dem Hauptantrag zu 1 "..zu einer den privaten Rahmen überschreitenden Zusammenkunft einzuladen, insbesondere zu Vernissagen oder anderen auch der Mandantenpflege dienenden kulturellen Veranstaltungen" genügt nicht dem Erfordernis der hinreichenden Bestimmtheit des Antrags gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Bestimmtheit des Antrags bedarf es zur Feststellung des Streitgegenstandes und des Umfangs der Prüfungs- und Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 ZPO) sowie zur Festlegung der Grenzen der Rechtskraft und des vollstreckungsfähigen Inhalts der begehrten Entscheidung. Danach darf der Verbotsantrag nicht derartig undeutlich und allgemein gehalten sein, daß die Entscheidung darüber, was der beklagten Partei verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (st. Rspr., vgl. zuletzt BGH, Urt. v. 11.10.1990 I ZR 35/89, GRUR 1991, 254, 256 - Unbestimmter Unterlassungsantrag). Vorliegend ermangelt der Hauptantrag zu 1 der erforderlichen Bestimmtheit.

Der Streit der Parteien konzentriert sich auf die Frage, ob die beanstandete Werbung der Beklagten die Grenzen zulässiger Informationswerbung überschreitet und als eine unzulässige Werbung um Praxis zu beanstanden ist. Der mit dem Hauptantrag zu 1 begehrte Ausspruch des Verbots, "zu einer den privaten Rahmen überschreitenden Zusammenkunft einzuladen", ist ungeeignet, die Reichweite des den Beklagten auferlegten Werbeverbots, das die konkrete Einladung zur Grundlage zu nehmen hat, zu bestimmen. Dem so gestellten Antrag ermangeln objektive Kriterien zur Qualifizierung einer Einladung als eine den "privaten Rahmen übersteigenden Zusammenkunft". Diese werden auch nicht durch den "insbesondere-Zusatz" gegeben,"... zu Vernissagen oder anderen auch der Mandantenpflege dienenden kulturellen Veranstaltungen" einzuladen, da nicht jede von einem Rechtsanwalt initiierte kulturelle Veranstaltung notwendigerweise der Mandantenpflege dient.

Eine Antragsfassung ohne die aus dem beanstandeten Wettbewerbsverhalten der Beklagten abgeleiteten tatsächlichen Elemente, die die beworbene Veranstaltung zu einer wettbewerbswidrigen Eigenwerbung qualifizieren sollen, läßt die für den vollstreckungsfähigen Inhalt wesentliche Grenze zwischen zulässiger Informationswerbung und unzulässiger Eigenwerbung nicht erkennen. Das Berufungsgericht hat deshalb zutreffend die Klage insoweit einer sachlichen Prüfung nicht unterzogen.

2.
Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, das mit dem Hilfsantrag zu 1 und den übrigen Anträgen konkret bezeichnete Werbeverhalten der Beklagten sei wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht hat Inhalt und Tragweite des anwaltlichen Werbeverbots verkannt.
Das Verbot anwaltlicher Werbung findet seine Grundlage in § 43 BRAO. Danach hat der Rechtsanwalt seinen Beruf gewissenhaft auszuüben. Er hat sich innerhalb und außerhalb des Berufs der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen. Diese Rechtsgrundlage wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß die Richtlinien des anwaltlichen Standesrechts in ihrer überkommenen Fassung mangels Normqualität nicht als Grundlage für ehrengerichtliche oder sonstige die Freiheit der Berufsausübung des Anwalts beschränkende Maßnahmen herangezogen werden können (BVerfGE 76, 171, 187 f. = NJW 1988, 191, 192 [BVerfG 14.07.1987 - 1 BvR 537/81]; BVerfGE 76, 196, 205 f. = NJW 1988, 194, 195; BGHSt 37, 220, 222 [BGH 29.10.1990 - AnwSt R 11/90] = NJW 1991, 49; BGH, Urt. v. 19.02.1990 AnwSt (R) 11/89, NJW 1990, 1739 [BGH 19.02.1990 - AnwSt R 11/89]; Odersky, AnwBl. 1991, 238, 240). Unabhängig von verfaßten, allgemein verbindlichen Richtlinien des Standesrechts unterliegt das Werbeverhalten des Rechtsanwalts den Regeln des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb, also insbesondere dem Verbot irreführender Werbung gemäß § 3 UWG und dem Verbot sittenwidrigen Wettbewerbsverhaltens gemäß § 1 UWG.

Der Beruf des Rechtsanwalts ist nicht Teil der gewerbetreibenden Wirtschaft. Der Rechtsanwalt übt vielmehr als ein unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) einen freien Beruf aus; seine Tätigkeit ist kein Gewerbe (§ 2 Abs. 2 BRAO). Die Tätigkeit des Rechtsanwalts ist zwar notwendigerweise auf Erwerb ausgerichtet, sie unterscheidet sich aber von gewerblichem Erwerbsstreben. Eine rein geschäftsmäßige Einstellung zur Berufsausübung und ein in den Vordergrund tretendes Gewinnstreben sind mit der beruflichen Aufgabe des Rechtsanwalts, an der Wahrung des Rechts als ein unabhängiges Organ der Rechtspflege mitzuwirken, nicht zu vereinbaren. Zur Wahrung des Berufsbildes des Rechtsanwalts auch und gerade in der Öffentlichkeit ist es gemäß § 43 BRAO geboten, Methoden im Werbeverhalten eines Rechtsanwalts entgegenzuwirken, wie sie in der gewerblichen Wirtschaft zur Steigerung des Einkommens gerechtfertigt und üblich sind (BVerfGE 60, 215,232 - NJW 1982, 2487 [BVerfG 20.04.1982 - 1 BvR 522/78]; BVerfGE 76, 196, 205 f. = NJW 1988, 194, 195; BGH, Urt. v. 19.02.1990 - AnwSt (R) 11/89, NJW 1990, 1739 f. [BGH 19.02.1990 - AnwSt R 11/89]). Es läßt sich deshalb mit dem Berufsbild eines Rechtsanwalts nicht vereinbaren, daß dieser wie ein Gewerbetreibender um Aufträge wirbt. Daraus folgt indessen nicht, daß der Rechtsanwalt gehalten sei, bei der Ausübung seines Berufs und bei einem Auftreten in der Öffentlichkeit jeglichen Werbeeffekt zu vermeiden. Denn der als ein Organ der Rechtspflege dem Gemeinwohl verpflichtete Rechtsanwalt steht bei der Ausübung seines Berufs und berufsverwandter Tätigkeiten - etwa als Autor oder als Vortragender oder in vergleichbarer Funktion - im Lichte der Öffentlichkeit; er kann dabei besondere Beachtung finden sowie Lob und Tadel erfahren. Soweit hiermit eine Werbewirkung verbunden ist, beruht sie auf den bei Ausübung des Berufs oder im Zusammenhang mit diesem erbrachten Leistungen. Eine solche Werbewirkung dem Werbeverbot zu unterstellen, widerspräche der verfassungsmäßigen Berufsausübungsfreiheit und den dem Wettbewerbsrecht immanenten Grundsätzen des Leistungswettbewerbs.

Der Bereich leistungsbedingter, mit der Ausübung des freien Berufs als Rechtsanwalt sachnotwendig verbundener Werbung wird aber verlassen, wenn der Rechtsanwalt im Wettbewerb mit seinen Berufskollegen sich reklamehaft herausstellt und auf diese Weise für seine Praxis wirbt. Die Werbung um Praxis und die irreführende Werbung werden sonach seit jeher unangefochten zum Kern des anwaltlichen Werbeverbots aus § 43 BRAO gerechnet (BVerfGE 76 aaO; BGH, Urt. v. 19.02.1990 - AnwSt (R) 11/89, NJW 1990, 1739 [BGH 19.02.1990 - AnwSt R 11/89]). Denn das Anpreisen eigener Leistung durch werbemäßige Herausstellung der eigenen Person ohne sachlich gerechtfertigten Anlaß führt zu einer Verfälschung des Berufsbildes des Rechtsanwalts als eines Organs der Rechtspflege.

a)
Als eine nach § 1 UWG i.V. mit § 43 BRAO unzulässige reklamehafte Anpreisung ist es anzusehen, wenn ein Rechtsanwalt unaufgefordert einem Dritten, mit welchem er in keiner Mandatsbeziehung steht oder gestanden hat, seine anwaltliche Tätigkeit nahezubringen versucht. Das mit dem Hilfsantrag zu dem Klageantrag zu 1 beanstandete Verhalten der Beklagten erweist sich als ein Verstoß gegen das Verbot der Werbung um Praxis.
Die Kläger wenden sich mit diesem das Einladungsschreiben in Bezug nehmenden Antrag gegen die von den beklagten Rechtsanwälten ausgesprochene Einladung zu einer zünftigen Bewirtung in einem Hotel des benachbarten Kurorts, während deren auf die Leistungsfähigkeit der Anwaltskanzlei durch ein Referat über die "Chefberatung für den Mittelstand" hingewiesen wird; die Kläger beanstanden dieses Werbeverhalten der Beklagten als wettbewerbswidrig allein unter der Voraussetzung, daß die Einladung an Nichtmandanten ausgesprochen wird. Für die rechtliche Beurteilung dieses Klagebegehrens kommt es - entgegen dem Verständnis der Revision - nicht darauf an, ob die Einladung allein schon wegen der Art und Weise der Bewirtung oder wegen der Darstellung der fachlichen Qualifikation von Rechtsanwalt G. oder seiner Vorstellung als neuer Kollege zu beanstanden ist. Der zur Entscheidung stehende Hilfsantrag zu Klageantrag zu 1 beschränkt sich auf ein Verbot der Einladung in der näher bezeichneten Weise, soweit sie an Nichtmandanten ergeht. In dem so bezeichneten Umfang verstoßen die Beklagten gegen das Verbot anwaltlicher Werbung.

aa)
Die Beklagten machen mit der Einladung zu einem Essen in einem Kurhotel des benachbarten Ortes verbunden mit einem Referat über die "Chefberatung für den Mittelstand" in werbewirksamer Weise auf ihre Tätigkeit als Rechtsanwälte aufmerksam. Dies verkennt das Berufungsgericht nicht. Seine Ausführungen, dem Einladungsschreiben seien keine offenen oder versteckten Hinweise zu entnehmen, die als Antrag eines konkreten Mandatsverhältnisses verstanden werden könnten, stehen der rechtlichen Beurteilung des Einladungsschreibens als Werbung nicht entgegen. Werbung beginnt nicht erst bei konkreter Geschäftsanbahnung.

bb)
Der rechtlichen Beurteilung ist des weiteren die von der Revisionserwiderung unbeanstandet gebliebene Feststellung des Berufungsgerichts zugrunde zu legen, daß das Einladungsschreiben sowohl an Nichtmandanten, nämlich an "Geschäftspartner", adressiert war als auch an einen Nichtmandanten, nämlich den Vorsitzenden der Kreishandwerkerschaft H., ausgesprochen wurde.
Von Rechtsfehlern beeinflußt ist aber die Annahme des Berufungsgerichts, diese nach seinen Feststellungen vereinzelt gebliebene Einladung an einen Nichtmandanten falle deshalb wettbewerbsrechtlich nicht ins Gewicht, weil wegen der aus Anlaß der Verhandlungen über den Kauf eines Bürohauses bestehenden geschäftlichen Beziehungen mit der Kreishandwerkerschaft nicht ersichtlich sei, daß die Einladung deren besonderes Interesse an der ohnehin bekannten beruflichen Tätigkeit der Beklagten hätte wecken können. Das Berufungsgericht verkennt dabei, daß für die rechtliche Beurteilung eines Werbeverhaltens als unzulässige Werbung um Praxis nicht darauf abzustellen ist, ob die beanstandete Werbung im konkreten Einzelfall einen Werbeerfolg zeitigt. Maßgeblich für die Beurteilung, ob ein zu beanstandendes Werbeverhalten des Anwalts vorliegt, ist vielmehr die abstrahierende Betrachtung, ob das betreffende Verhalten, falls es allgemeine Übung würde, das Bild des Rechtsanwalts als eines der Wahrung des Rechts verpflichteten freien Berufsstandes verfälschen und damit auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege im übrigen beeinträchtigen könnte (vgl. BGH, Urt. v. 19.02.1990 - AnwSt (R) 11/89, NJW 1990, 1739 [BGH 19.02.1990 - AnwSt R 11/89]). Das ist vorliegend der Fall.
Die dem Einladungsschreiben zu entnehmende Werbung um Praxis wird auch nicht dadurch gerechtfertigt, daß der umworbene Vorsitzende der Kreishandwerkerschaft zu den Geschäftspartnern oder - wie die Beklagten es für den Streitfall darstellen - zu den engen Geschäftspartnern der werbenden Anwaltskanzlei gehört. Bestehende Geschäftsbeziehungen, denen meist unterschiedliche wirtschaftliche Interessen zugrunde liegen, geben einem Rechtsanwalt keinen sachlich rechtfertigenden Anlaß, seine Geschäfts- und Vertragspartner auf seine Leistungsfähigkeit als Anwalt werbemäßig hinzuweisen.

b)
Als eine unzulässige gezielte Werbung um Praxis erweist sich auch das von der Revision weiterverfolgte Klagebegehren zu den Anträgen zu 2 und 3. Hiernach wird - unabhängig vom Kreis der Angesprochenen, also auch im Verhältnis zu Mandanten - als wettbewerbswidrige Anwaltswerbung beanstandet, daß auf der Vortragsveranstaltung unter dem Referatstitel "Chefberatung für den Mittelstand" Spezialkenntnisse in der Rechtsberatung durch Rechtsanwalt G. herausgestellt werden (Klageantrag zu 2) und daß in Rundschreiben darauf hingewiesen wird, entsprechende Rechtsberatung anzubieten (Klageantrag zu 3).
Der Ansicht des Berufungsgerichts, mit dem Hinweis auf die betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung durch Rechtsanwalt G. würden keine speziellen Rechtskenntnisse hervorgehoben, sondern lediglich eine Wirtschaftsberatung herausgestellt, für welche im Zweifel anwaltliches Standesrecht nicht gelte, kann ebensowenig beigetreten werden wie seiner Beurteilung, im Einladungsschreiben werde nur in objektiv richtiger Weise auf die berufliche Tätigkeit von Rechtsanwalt G. hingewiesen. Zur Entscheidung steht nicht, daß das anwaltliche Werbeverbot auf die Werbung eines Betriebswirts mit Unternehmensberatung keine Anwendung zu finden hat. Die Kläger begehren vielmehr eine Entscheidung dazu, daß die Einladung zu einem Referat von Rechtsanwalt G. über die "Chefberatung für den Mittelstand" und das Angebot einer entsprechenden Beratung als eine Werbung mit besonderen fachlichen Qualifikationen eines Rechtsanwalts, die nicht in einem rechtsförmlichen Verfahren zuerkannt sind, zu beanstanden ist.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, in dem Einladungsschreiben werde lediglich objektiv richtig über den beruflichen Werdegang von Rechtsanwalt G. berichtet, ist nicht frei von Rechtsfehlern. Das Berufungsgericht läßt dabei außer acht, daß als Ergebnis der beruflichen Tätigkeit von Rechtsanwalt G. in der Geschäftsleitung von Banken und Unternehmen eine "Chefberatung für den Mittelstand", also, wie das Berufungsgericht in anderem Zusammenhang festgestellt hat, eine auf Unternehmensberatung spezialisierte Tätigkeit angepriesen wird. Das Einladungsschreiben beschränkt sich somit nicht auf die Darstellung des beruflichen Werdegangs von Rechtsanwalt G., sondern betont vielmehr und stellt als besondere Leistung der Anwaltskanzlei der Beklagten heraus, "die Rechtsberatung durch eine betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung" abrunden zu können.
Ungeachtet des vom Berufungsgericht nicht näher festgestellten Umstandes, daß durch die Berühmung, die Rechtsberatung werde durch eine betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung abgerundet, nicht unbeachtliche Teile der Adressaten des Einladungsschreibens der unzutreffenden Vorstellung erliegen könnten, Rechtsanwalt … verfüge über eine förmlich abgeschlossene Berufsausbildung als Betriebswirt, ist die Darstellung der Beklagten schon deshalb wettbewerbswidrig, weil sie auf einer eigenen Bewertung der beruflichen Fähigkeiten von Rechtsanwalt G. beruht. Die Behauptung, neben der (allgemeinen) Rechtsberatung könne nun die "Chefberatung für den Mittelstand" als Konzept einer betriebswirtschaftlichen Unternehmensberatung angeboten werden, erweist sich als die Berühmung, eine spezielle rechtliche Beratung für die Führungsspitzen des Mittelstandes unter Einschluß aller betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkte vornehmen zu können. Die Selbsteinschätzung besonderer beruflicher Fähigkeiten und deren Anpreisung in der Öffentlichkeit ist ein berufswidriges Sich-Herausstellen gegenüber Berufskollegen. Sie erweist sich als Werbung um Praxis und als irreführende Werbeangabe als rechtswidrig, weil sie auf selbstgerechter, nicht überprüfbarer Wertung beruht, die die Gefahr unrichtiger Erwartung gerade deshalb als naheliegend erscheinen läßt, weil die anwaltliche Leistung von den Rechtssuchenden in der Regel nur schwer einschätzbar ist (BVerfGE 76, 196, 206 - NJW 1988, 194, 196). Allein eine rechtsförmlich erworbene Qualifikation kann dazu berechtigen, die freiberufliche Leistung herauszustellen (BVerfGE 33, 125, 170;  57, 121, 133;  81, 18, 28 [BVerfG 03.10.1989 - 1 BvR 775/86]= NJW 1990, 2122, 2123; BGH, Beschl. v. 14.05.1990 - AnwZ (B) 12/90, NJW 1990, 2130; vgl. nunmehr Gesetz zur Änderung des Berufsrechts der Notare und der Rechtsanwälte v. 29.01.1991 - BGBl. I, 150 - Art. 2 § 42 d BRAO; hierzu auch Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drucksache 11/8307 S. 20).

Den Klageanträgen zu 2 und zu 3 ist auch stattzugeben, soweit sie über Mandanten hinaus "Geschäftspartner und potentielle Mandanten" in den Adressatenkreis einbeziehen, da, wie das Berufungsgericht bei der Erörterung des Klageantrags zu 1 festgestellt hat, das Rundschreiben auch eine Person erreicht hat, die nicht in einer Mandantenbeziehung zu den Beklagten steht. Das von den Klägern mit diesen Anträgen begehrte Verbot, auf Spezialkenntnisse hinzuweisen, die nicht in einem rechtsförmlichen Verfahren erworben sind, und eine solche Beratung anzubieten, hält sich im Rahmen einer zulässigen Verallgemeinerung des konkret angegriffenen Werbeverhaltens (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 30.03.1989 I ZR 33/87, GRUR 1989, 609, 611 - Fotoapparate m. w. N.).

c)
Mit Erfolg wendet sich die Revision des weiteren gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Vorstellung von Rechtsanwalt G. als neuen Kollegen sei aus Wettbewerbsgründen deshalb nicht zu beanstanden, weil dieser bei Bedarf die angekündigte betriebswirtschaftliche Unternehmensberatung auch durchführe. Das Verbot nach dem Klageantrag zu 4, mit welchem den Beklagten untersagt werden soll, Rechtsanwalt G., der lediglich als freier Mitarbeiter auf Anfrage Unternehmensberatung durchführt, als neuen Kollegen vorzustellen, findet seine Grundlage in § 3 UWG.
Die Ankündigung eines neuen Kollegen durch eine Rechtsanwaltssozietät in der Öffentlichkeit kann - wie der Senat aufgrund eigenen Erfahrungswissens selbst zu beurteilen vermag - von den Verkehrskreisen dahin verstanden werden, daß dem neuen Kollegen ein gleichrangiger Status als Sozius zukommt oder er zumindest so in die Anwaltsgemeinschaft eingebunden ist, daß er in einem entsprechenden Umfange wie die anderen Kollegen zur Erteilung von Rechtsrat zur Verfügung steht. Rechtsanwalt G., der - nach dem Vortrag der Beklagten - lediglich als freier Mitarbeiter auf Anfrage Unternehmensberatung durchführt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Der Ansicht des Berufungsgerichts, der Status von Rechtsanwalt G. innerhalb der Sozietät sei für die wettbewerbsrechtliche Beurteilung unbeachtlich, da der Verkehr diesem keine Beachtung schenke, kann nicht beigetreten werden. Wer sich der Mitarbeit von Kollegen berühmt, hebt damit die Größe des präsenten Mitarbeiterstammes seiner Kanzlei hervor; diese wird vom Verkehr als ein Gradmesser für ihre Leistungsfähigkeit aufgefaßt. Die Mitarbeit eines Kollegen in einem speziellen Bedarfsfalle und auf Abruf weckt nicht in gleichem Maße die Vorstellung von der Leistungsfähigkeit der Anwaltskanzlei. Es erweist sich deshalb als eine gemäß § 3 UWG irreführende und damit zugleich berufswidrige Werbung, mit Erklärungen an die Öffentlichkeit den Anschein einer in diesem Umfang nicht bestehenden Anwaltssozietät zu erwecken (vgl. BGHSt 37, 220, 222 [BGH 29.10.1990 - AnwSt R 11/90] = NJW 1991, 49, 50).

3.
Für die geltend gemachten Unterlassungsansprüche besteht auch die erforderliche Wiederholungsgefahr, da die Beklagten sich nicht vertragsstrafebewehrt zur Unterlassung verpflichtet haben. Der Hinweis der Beklagten, es möge ein ehrengerichtliches Verfahren abgewartet werden, ist ungeeignet, die Gefahr künftigen entsprechenden Wettbewerbsverhaltens der Beklagten auszuräumen.
Anhaltspunkte dafür, daß das Vorgehen der Kläger gegen die Beklagten rechtsmißbräuchlich im Sinne des § 13 Abs. 5 UWG sei, fehlen. Es ist den als Wettbewerber gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 UWG klagenden Rechtsanwälten grundsätzlich unbenommen, selbständig den Wettbewerbsverstoß zu rügen. Das durch die Inanspruchnahme durch eine Vielzahl von Klägern den Beklagten erwachsende wirtschaftliche Risiko beruht nicht auf einem mißbräuchlichen Verhalten der Kläger, sondern auf dem die Interessen der Kollegen in besonderem Maße berührenden Werbeverhalten der Beklagten.

III.
Danach ist auf die Revision nach den Klageanträgen mit Ausnahme des Hauptantrags zu 1 zu erkennen. Lediglich im Umfang dieser Ausnahme ist die Revision zurückzuweisen. Insoweit und soweit einzelne Kläger Rechtsmittel nicht eingelegt haben, bleiben die Urteile der Vorinstanzen von Bestand. Die Kostenentscheidung berücksichtigt, daß der Streitwert des Hauptantrags zu 1 den des Hilfsantrags nicht übersteigt. Sie beruht auf §§ 91, 92 Abs. 1, 2 ZPO. Die Kostenquotelung hat ihre Ursache darin, daß die Berufungskläger den ursprünglichen, mit 10.000,-- DM bewerteten Klageantrag zu 1 zurückgenommen und damit die Kostenfolge des § 269 Abs. 3 ZPO ausgelöst haben. Durch die zurückgenommene Revision des Klägers zu 22 entstandene Gerichtskosten falls nicht ins Gewicht (§ 92 Abs. 2 ZPO).


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