Verweisung eines Patienten an einen Hilfsmittelerbringer ohne hinreichenden Grund

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Eine Verweisung liegt nicht nur dann vor, wenn der Arzt einen bestimmten Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfiehlt, ohne von dem Patienten konkret darum gebeten worden zu sein, sondern es ist ausreichend, dass der Arzt den Patienten von sich aus fragt, ob er einen geeigneten Leistungserbringer kenne, und dann bei Verneinung dieser Frage nicht alle in Betracht kommenden Anbieter benennt, sondern nur einen bestimmten unter ihnen, obwohl der Patient den Arzt nicht ausdrücklich zu einer solchen Empfehlung aufgefordert hat.

Urteilstext


Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 15.03.2011 verkündete Urteil des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts L. geändert.

Der Beklagte wird unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt, es zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd im geschäftlichen Verkehr Patientinnen / Patienten zur Versorgung mit Hörsystemen an bestimmte Hörgeräteakustikbetriebe dadurch zu verweisen, dass er solche von sich aus namentlich benennt, ohne dass hierfür ein hinreichender Grund besteht und ohne dass die Patientin/der Patient zuvor um eine Empfehlung gebeten hat.

Der Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger EUR 208,65 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 18.06.2010 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs durch Zahlung eines Betrages in Höhe von EUR 10.000,00, die Vollstreckung im Übrigen durch Zahlung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


Gründe

I.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Verurteilung des beklagten HNO-Arztes zur Unterlassung eines angeblich wettbewerbswidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit der Benennung von Hörgeräteakustikern gegenüber Patientinnen und Patienten.

Am 01.02.2010 suchte der Zeuge ..., ein auf die Aufspürung wettbewerbswidrigen Verhaltens von HNO-Ärzten angesetzter Testpatient, den Beklagten auf. Der Beklagte diagnostizierte eine beidseitige Schwerhörigkeit und verordnete ihm Hörgeräte. Er teilte dem Zeugen mit, dieser müsse den Hörgeräteakustiker selbst auswählen. Der weitere Gesprächsverlauf ist streitig. Am 19.02.2010 fand beim Beklagten ferner ein Sprachhörtest statt, den eine Mitarbeiterin, die Zeugin ..., durchführte. Danach wurde die ohrenärztliche Verordnung ausgestellt. Die Zeugin erklärte dem Zeugen M., dass er mit dieser Verordnung jetzt zu einem Hörgeräteakustiker gehen müsse. Wenn er dann Hörgeräte erhalten habe, diese ausreichend getestet und festgestellt habe, dass dies die richtigen Hörgeräte seien, möge er sich nochmals melden. Der weitere Gesprächsverlauf ist streitig.

Der Kläger hat behauptet, der Beklagte und die Zeugin ... hätten dem Zeugen ... gegenüber von sich aus auf die beiden Hörgeräteakustiker in S. hingewiesen, wobei ihm für die Fa. … „f. h. S. GmbH“ (im Folgenden: „f. h.“) noch eine Karte mit Wegbeschreibung übergeben worden sei. Der Kläger ist der Auffassung gewesen, dass sich der Beklagte damit wettbewerbswidrig verhalten habe, weil er gegen die Berufsordnung für Ärzte (BOÄ) verstoßen habe, und hat die Unterlassung dieses Verhaltens sowie die Erstattung der vorgerichtlichen Abmahnkosten verlangt.

Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat die Klage wegen Unbestimmtheit schon für unzulässig gehalten und behauptet, dass er die in Betracht kommenden Hörgeräteakustikbetriebe „...“ und „f. h.“erwähnt und dabei keinen der beiden in unzulässiger Weise hervorgehoben habe. Dies ergebe sich auch aus der in seiner Praxis geltenden „Internen Regelung“ (Bl. 95 d. A.), deren Wortlaut unstreitig ist. Ein Verstoß gegen die BOÄ liege daher nicht vor.

Beide Parteien haben sich mit der Entscheidung des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen einverstanden erklärt.

Das Landgericht hat den Beklagten persönlich angehört (§ 141 ZPO) und gemäß dem Beweisbeschluss vom 30.11.2010 (Bl. 144 d.A.) Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen ... und der Zeugin ... Mit dem angegriffenen Urteil hat es sodann die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, nach der durchgeführten Beweisaufnahme sei nicht davon auszugehen, dass der Beklagte den Patienten ... einem bestimmten Hörgeräteakustiker zugewiesen habe. Vielmehr habe der Beklagte dem Patienten beide am Ort ansässigen Akustiker benannt und darauf hingewiesen, dass er die Wahl allein treffe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie der weiteren rechtlichen Begründung der Entscheidung wird auf das landgerichtliche Urteil Bezug genommen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er sein Klagbegehren weiter verfolgt. Zur Begründung wiederholt er sein erstinstanzliches Vorbringen und führt ergänzend aus, das Landgericht habe bei seiner Entscheidung die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13.01.2011 (Az.: I ZR 111/08) nicht berücksichtigt, die sich grundlegend mit dem Begriff der „Verweisung“ nach der niedersächsischen BOÄ befasse. Die Ausführungen dort gälten für die entsprechende Norm aus der schleswig-holsteinischen BOÄ gleichermaßen. Danach seien von dem Begriff der Verweisung alle Empfehlungen erfasst, die der Arzt von sich aus erteilt. Schon nach dem eigenen Vortrag des Beklagten, aber insbesondere auf der Grundlage des vom Landgericht nach Beweisaufnahme festgestellten Sachverhalts sei von einer derartigen Empfehlung ohne entsprechende Bitte des Patienten auszugehen.

Der Kläger beantragt nach gerichtlichem Hinweis gemäß § 139 ZPO zur Formulierung des Hauptantrages,

das angefochtene Urteil zu ändern und den Beklagten zu verurteilen,

1.
es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wettbewerb handelnd zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Patienten zur Versorgung mit Hörsystemen an bestimmte Hörgeräteakustikbetriebe dadurch zu verweisen, dass er solche von sich aus namentlich benennt, ohne dass hierfür ein hinreichender Grund besteht und ohne dass die Patientin/der Patient zuvor um eine Empfehlung gebeten hat;

hilfsweise,

es im Wettbewerb handelnd zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Patienten zur Versorgung mit Hörsystemen bestimmten, namentlich genannten Hörgeräteakustikbetrieben, insbesondere der Firma f. h. S. GmbH, zuzuweisen, ohne dass hierfür im Einzelfall ein hinreichender Grund besteht und ohne dass der Patient den Beklagten zuvor um eine Empfehlung gebeten hat;

ganz hilfsweise,

es im Wettbewerb handelnd zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr den Patienten M. – wie am 01. und am 19.02.2010 geschehen - zur Versorgung mit Hörsystemen der Firma f. h. S. GmbH zuzuweisen, ohne dass hierfür im Einzelfall des Patienten M. ein hinreichender Grund besteht und ohne dass der Patient ... den Beklagten zuvor um eine Empfehlung gebeten hat,

2.
an den Kläger EUR 208,65 nebst fünf Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszins seit dem 18.06.2010 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil im Wesentlichen mit den erstinstanzlichen Argumenten. Ergänzend trägt er vor, der Bundesgerichtshof habe nur verboten, einen bestimmten Akustiker zu benennen; nicht dagegen habe er verboten, alle in Betracht kommenden zu benennen. Der Beklagte habe tatsächlich alle in Betracht kommenden Akustiker benannt, denn in ... gebe es nur die beiden Benannten (K. und Fa. f. h.).

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze, wie sie sich in der Gerichtsakte befinden, Bezug genommen.

II.
Die Berufung ist begründet, denn die Klage ist zulässig (A.) und entgegen der Auffassung des Landgerichts auch begründet (B.).

A.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist der als Hauptantrag gestellte Unterlassungsantrag auch hinreichend bestimmt.

Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO darf ein Verbotsantrag nicht derart undeutlich gefasst sein, dass Gegenstand und Umfang der Entscheidungsbefugnis des Gerichts (§ 308 Abs. 1 ZPO) nicht erkennbar abgegrenzt sind, sich der Beklagte deshalb nicht erschöpfend verteidigen kann und letztlich die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen bliebe. Aus diesem Grunde sind insbesondere Unterlassungsanträge, die lediglich den Wortlaut des Gesetzes wiederholen, grundsätzlich als zu unbestimmt und damit als unzulässig anzusehen (allg. Meinung, vgl. kürzlich BGH GRUR 2011, 345 – Tz. 17 Hörgeräteversorgung II; Zöller-Greger, ZPO, 29. Aufl., § 253, Rn. 13b).

Zwar wiederholt der Kläger in seinem Unterlassungsantrag mit der Formulierung „ohne hinreichenden Grund“ den Wortlaut des § 32 BOÄ S-H. Dennoch ist diese Formulierung nicht zu unbestimmt, denn der auslegungsbedürftige Begriff „hinreichender Grund“ ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ausreichend konkretisiert (vgl. z. B. BGH NJW 2009, 3582 - Tz. 22). Eine weitere Konkretisierung ist dem Kläger nicht möglich und kann von ihm nicht verlangt werden, ohne ihm die Durchsetzung seiner Rechte unzumutbar zu erschweren (vgl. BGH GRUR 2011, 345 – Tz. 18).

Auch mit Blick auf die Formulierung „Verweisung“ ist nicht von mangelnder Bestimmtheit auszugehen. Jedenfalls nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 13.01.2011 (Az.: I ZR 111/08 – Hörgeräteversorgung II, GRUR 2011, 345) ist der Begriff hinreichend konkretisiert. Nach dieser Entscheidung liegt eine „Verweisung“ dann vor, wenn der Arzt einen bestimmten Anbieter gesundheitlicher Leistungen empfiehlt, ohne von dem Patienten konkret darum gebeten worden zu sein. Dafür reicht es aus, dass der Arzt den Patienten von sich aus fragt, ob er einen geeigneten Leistungserbringer kenne, und dann bei Verneinung dieser Frage nicht alle in Betracht kommenden Anbieter benennt, sondern nur einen bestimmten unter ihnen, obwohl der Patient den Arzt nicht ausdrücklich zu einer solchen Empfehlung aufgefordert hat. Dagegen ist es unbedenklich, wenn der Arzt eine Empfehlung ausspricht, nachdem der Patient die Frage, ob ihm ein geeigneter Leistungserbringer bekannt sei, verneint oder antwortet, die ihm bekannten Anbieter nicht beauftragen zu wollen, und den Arzt in diesem Zusammenhang um eine Empfehlung bittet. Diese Abgrenzung bewahrt den Patienten entsprechend der Zielsetzung der Regelung in der BOÄ davor, dass ihm aufgrund der Autorität des Arztes ein Leistungserbringer aufgedrängt wird. Zugleich gestattet sie dem Arzt, dem berechtigten Informationsbedürfnis des Patienten zu entsprech entsprechen, auf Wunsch Empfehlungen seines Arztes einzuholen (BGH, a. a. O. – Tz. 34f.)

Hat damit der Bundesgerichtshof den Begriff der „Verweisung“ so konkretisiert, dann ist bei entsprechender Verurteilung auch im Vollstreckungsverfahren ausreichend klar, was dem Unterlassungsschuldner verboten ist.

Des Weiteren ist auch das konkrete tatsächliche Verhalten, das als wettbewerbswidrig beanstandet wird, aus dem Klagantrag erkennbar. Mit seinem nach Hinweis des Senats klargestellten Hauptantrag beanstandet der Kläger, dass der Beklagte von sich aus Hörgeräteakustikbetriebe namentlich benennt.

B.
Die Klage ist auch begründet. Dem Kläger stehen ein Unterlassungsanspruch, wie er bereits mit dem Hauptantrag zu 1. geltend gemacht worden ist, (I.) und ein Zahlungsantrag (II.) zu.

I.
Der Kläger kann von dem Beklagten Unterlassung gemäß § 8 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 2 in Verbindung mit §§ 3, 4 Nr. 11 UWG und § 32 Abs. 2 BOÄ S-H verlangen, denn der Beklagte hat gegen eine Marktverhaltensregel (1.) verstoßen, indem er den Zeugen ... von sich aus und, ohne von diesem danach gefragt worden zu sein, auf die beiden Hörgeräteakustikbetriebe in S. hinwies (2.). Diese Handlung war auch geeignet, Mitbewerber spürbar zu beeinträchtigen; zudem besteht Wiederholungsgefahr (3.).

1.
Nach § 4 Nr. 11 UWG handelt unlauter, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, das Marktverhalten im Interesse der Mitbewerber zu regeln. Eine solche Marktverhaltensvorschrift stellt § 32 Abs. 2 BOÄ S-H dar.

Die Vorschrift des § 35 BOÄ S-H a. F., von der die Parteien und das Landgericht bislang ausgegangen sind, ist mit der letzten Satzungsänderung durch die schleswig-holsteinische Ärztekammer aufgehoben worden (Satzung zur Änderung der Berufsordnung der Ärztekammer Schleswig-Holstein vom 8. Mai 2012, veröffentlicht im Amtsblatt S-H 2012 vom 29.05.2012). Eine nahezu wortgleiche Regelung findet sich nunmehr in § 32 BOÄ S-H, auf die bei der in die Zukunft wirkenden Unterlassungsverpflichtung abgestellt werden muss.

Bei § 32 Abs. 2 BOÄ S-H handelt es sich um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG. Darunter sind nämlich nicht nur Gesetze im formellen Sinne, sondern auch Rechtsverordnungen oder autonome Satzungen von Gemeinden oder Kammern zu verstehen (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 4 Rn. 11.24). Die Berufsordnungen der Landesärztekammern sind solche autonomen Satzungen, die – was entscheidend ist - verbindliche Pflichten für die angehörenden Ärzte begründen (Köhler/Bornkamm, a. a. O. Rn. 11.74; BGH NJW 2009, 3582 – Tz. 12 Brillenversorgung; BGH GRUR 2011, 345 – Tz. 24 Hörgeräteversorgung I).

2.
Gegen § 32 Abs. 2 BOÄ S-H hat der Beklagte verstoßen, indem er den Zeugen M. an bestimmte (b.) Hörgeräteakustiker verwies (a.), ohne dass ein hinreichender Grund dafür vorlag (c.).

a)
Wie oben bereits dargelegt, kommt es für den Begriff der Verweisung maßgeblich darauf an, ob der Arzt von sich aus und ohne Aufforderung oder Bitte des Patienten tätig wird und Hilfsmittelanbieter benennt.

Unstreitig haben der Beklagte und seine Mitarbeiterin dem Zeugen M. die beiden Akustiker aus S. von sich aus und ohne dessen Bitte benannt. Dies hat der Kläger – spätestens in der Berufungsbegründung ausdrücklich - vorgetragen.

Der Beklagte hat dies nicht ausreichend substantiiert bestritten. Es oblag ihm im Rahmen der sekundären Darlegungslast, dazu vorzutragen, dass eine Bitte des Patienten ... um die Benennung eines Akustikers ausgesprochen worden ist. Solcher Vortrag des Beklagten fehlt. Er hat vielmehr unter Vorlage der „Internen Regelung“ dargelegt, wie er generell mit Patientinnen und Patienten zum Thema „Hörgeräteversorgung“ umgeht. In dieser „Internen Regelung“ heißt es u. a.:

„Falls er (der Patient) sich noch nicht entschieden hat, wird der Patient auf die beiden Akustiker in S. namentlich hingewiesen (K. und f. h.). Die freie Wahl des Patienten ist zu berücksichtigen.“

und weiter

„… Auch jetzt kann nochmals auf die beiden Akustiker in S. hingewiesen werden, falls sich der Patient noch nicht entschieden hat.“

Dass er sich insoweit an diese Regelung hält, hat der Beklagte in seiner persönlichen Anhörung im Termin vom 08.02.2011 (Bl. 205 d. A.) bestätigt. Anhaltspunkte dafür, dass er sich bei der Behandlung des Zeugen M. ausnahmsweise anders verhalten hat, sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Im Übrigen wird diese Vorgehensweise durch die Aussagen des Zeugen ... und der Zeugin ... bestätigt.

Soweit der Beklagte in der Berufungserwiderung vorgetragen hat, der Zeuge ... habe zumindest konkludent eine Empfehlungsbitte ausgesprochen, vermag der Senat diesen Vortrag nicht nachzuvollziehen. Woraus sich konkret eine solche Bitte ergeben soll, teilt der Beklagte nicht mit. Eine etwaige Bitte um eine Wegbeschreibung ist nicht mit einer Bitte um eine Empfehlung des Hilfsmittelanbieters gleichzusetzen, weil eine Wegbeschreibung erst dann von Interesse ist, wenn zuvor ein Hilfsmittelanbieters benannt worden ist. Weitere Umstände, die auf eine konkludente Bitte schließen lassen, sind nicht dargelegt.

Der Beklagte benannte die beiden Akustiker aus ... daher nicht erst auf entsprechende Nachfrage des Patienten, sondern „von sich aus“.

b)
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Verstoß gegen § 32 Abs. 2 BOÄ S-H auch nicht deshalb zu verneinen, weil der Beklagte nicht nur einen, sondern zwei Akustikbetriebe benannt hat. Der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung zwar – wie der Beklagte richtig ausführt – an verschiedenen Stellen die Formulierung
„einen bestimmten Anbieter“ o. ä. benutzt. Daraus kann indes nicht der Schluss gezogen werden, dass sich der Beklagte mit der Benennung zweier Anbieter ordnungsgemäß verhalten hat. Maßgeblich ist, dass auch mit der Benennung mehrerer Anbieter dann die Wahlfreiheit des Patienten beeinträchtigt wird, wenn damit nicht alle Anbieter mitgeteilt werden. Die ihm unbekannten Anbieter kann der Patient nämlich nicht zur Versorgung auswählen. Dass der Bundesgerichtshof dies ebenso sieht, ergibt sich aus Tz. 35 der genannten Entscheidung (a.a.O.), in der es heißt:

„Dafür reicht es aus, dass der Arzt den Patienten von sich aus fragt, ob er einen geeigneten Leistungserbringer kennt, und dann bei Verneinung dieser Frage nicht alle in Betracht kommenden Anbieter benennt, sondern nur einen bestimmten unter ihnen, …“ (Unterstreichung hinzugesetzt).

Der Beklagte hat – entgegen seiner eigenen Auffassung – dem Zeugen ... gerade nicht alle in Betracht kommenden Anbieter von Hörgerätesystemen benannt.

Die Frage, welche Anbieter in Betracht kommen, lässt sich nicht allgemein, sondern nur nach den Umständen des Einzelfalles beantworten. Maßgebliche Umstände können dabei die örtlichen Gegebenheiten, zum Beispiel der Wohnort des Patienten oder seine sonstigen Verbindungen zu einem bestimmten örtlichen Bereich sein. Der Kreis der räumlich in Betracht kommenden Anbieter ist dabei großzügig zu bemessen. Das ergibt sich im Rückschluss aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach die räumliche Nähe allein im Regelfall keinen hinreichenden Grund für die Benennung eines bestimmten Anbieters darstellt (dazu unten Buchst. c.).

Vor diesem Hintergrund reichte im vorliegenden Fall der Hinweis auf die beiden (einzigen) Akustiker in S. nicht aus, weil auf Grund des Wohnortes des Zeugen in ... auch L.er Betriebe in Betracht kamen. Das Argument des Beklagten, es sei ihm nicht zuzumuten jeweils den Wohnort des Patienten oder seine sonstigen Verbindungen zu ... zu erfragen, überzeugt den Senat nicht. Hat der Arzt keine weitergehenden Erkenntnisse über die persönlichen Verhältnisse des Patienten, dann hat er sich jeglicher Hinweise auf Hilfsmittelanbieter zu enthalten. Lediglich dann, wenn ihm die persönlichen Verhältnisse des Patienten bekannt sind, mag er in der Lage sein, tatsächlich alle in Betracht kommenden Anbieter zu benennen. Dies dürfte allerdings nur im Ausnahmefall gelingen.

Ob das Verhalten des Beklagten im Falle eines Patienten aus ... im Sinne des oben Dargelegten ordnungsgemäß gewesen wäre, braucht der Senat nicht zu entscheiden.

c)
Für die Benennung der beiden Hörgeräteakustiker aus ::. lag kein hinreichender Grund vor. Die von dem Beklagten vorgebrachten Gründe sind nach der Auffassung des Bundesgerichtshofes, die der Senat teilt, gerade nicht hinreichend.

Die räumliche Nähe allein und damit die größere Bequemlichkeit eines bestimmten Versorgungsweges reichen danach nicht aus. Dieser Verweisungsgrund wäre in Bezug auf den zur Praxis des Arztes nächst gelegenen Hilfsmittelanbieter stets gegeben, was mit dem Ausnahmecharakter des § 32 Abs. 2 BOÄ S-H nicht vereinbar wäre (vgl. BGH, a. a. O. – Tz. 38). Nur im Ausnahmefall, zum Beispiel bei gehbehinderten Patienten, kann die örtliche Nähe einen hinreichenden Grund darstellen. Eine Gehbehinderung des Patienten ::. war indes nicht gegeben.

Der Beklagte meint, dass seine guten Erfahrungen und die ihm bekannte Patientenzufriedenheit mit den beiden benannten Akustikern als hinreichender Grund anzuerkennen seien. Diese Auffassung trifft so nicht zu.

Anerkannt ist, dass sich hinreichende Gründe aus der Qualität der Versorgung und aus schlechten Erfahrungen anderer Patienten ergeben können (BGH, a. a. O. – Tz. 37). Das rechtfertigt indes solange nicht die Benennung nur bestimmter Anbieter, solange die Qualität der Versorgung nicht bei allen anderen in Betracht kommenden Anbietern schlechter ist und andere Patienten nicht mit allen anderen schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das aber hat der Beklagte nicht vorgetragen.

Weitere Gründe, die die Benennung nur der Akustiker aus ::. rechtfertigen könnten, hat der Beklagte nicht vorgebracht.

3.
Der Verstoß gegen die Marktverhaltensregel ist geeignet, den Wettbewerb spürbar zu beeinträchtigen, denn es ist nicht ausgeschlossen, dass Patienten auf Grund der Hinweise des Beklagten die Akustikbetriebe in ... aufsuchen und andere gar nicht erst in Betracht ziehen.

Die nach § 8 Abs. 1 S. 1 UWG erforderliche Wiederholungsgefahr wird auf Grund des erfolgten Wettbewerbsverstoßes vermutet (st. Rspr; vgl. Köhler/Bornkamm, § 8 Rn. 1.33).

II.
Der Kläger hat wegen der nach den obigen Ausführungen begründeten Abmahnung auch einen Anspruch gegen den Beklagten auf Erstattung seiner vorgerichtliche Abmahnkosten aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG. Einwendungen gegen die Höhe des geltend gemachten und schlüssig begründeten Betrages hat der Beklagte nicht geltend gemacht.

C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Der Anregung des Beklagten, gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO die Revision zuzulassen, ist der Senat nicht gefolgt. Die Sache stellt einen Einzelfall dar. Sie hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 543 Abs. 2 ZPO).


Ausdruck Urteil - PDF