Werbung mit kostenlosen Serviceleistungen für Patienten 50+“ (Info zur Zurückerhaltung optimaler Zahngesundheit, Ästhetik und Vitalität der Zähne)

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Werbung mit kostenlosen Serviceleistungen für Patienten 50+“ ist geeignet die Entscheidung des Patienten, über Art, Weise und Umfang der zahnärztlichen Behandlung unsachlich zu beeinflussen und daher unzulässig, da der interessierte Verbraucher bei der Werbung eine individuelle Zahnbefunderhebung und je nach Befund auch eine weiterführende Beratung erwartet.

Urteilstext


Tenor

Die Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stade hat für Recht erkannt:

I.
Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zahnärztliche Leistungen kostenlos anzukündigen und/oder zu erbringen, wenn dies wie nachstehend eingeblendet (siehe Anlage zum Urteil), und gem. Anlage K 3 (vgl. Tatbestand) geschieht.

II.
Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahren, angedroht.

III.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, der Klägerin EUR 246,10 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 13.12.2014 zu zahlen.

IV.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

V.
Dieses Urteil ist hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs zu vorstehender Ziffer I. gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10,000,00 und im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Der Kläger ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben insbesondere die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs gehört, und nimmt die Beklagten, die in gemeinschaftlich eine zahnärztliche Praxis betreiben, auf Unterlassung der Bewerbung und Durchführung kostenloser Service-Leistungen für „50+ Patienten" in Anspruch.

Am 25,07.2014 wurde anlässlich eines gemeinsam mit dem Labor durchgeführten „Tag der offen Tür" folgender Flyer verteilt (siehe Anlage K 3.1):

Der Kläger hat unter dem 02.12.2014 die Beklagten wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen § 7 Abs. 1 Heilmittelwerbegesetz abgemahnt und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert Die Beklagten haben mit ihrem Antwortschreiben vom 18.12.2014 die Abmahnung als nicht gerechtfertigt zurückgewiesen und geltend gemacht, die Broschüre sei nicht von ihnen, sondern von dem Labor … als Service für die Patienten ihrer Praxis angefertigt worden. Die Broschüre sei immer nur den Patienten ausgehändigt worden, die nach persönlicher Anfrage den Wunsch geäußert hätten, diese in Anspruch nehmen zu wollen. Es sei keine einzige Broschüre außerhalb der Praxis jemals verteilt worden

Am Tag der offenen Tür habe ein Mitarbeiter des Labors einige restliche, allerdings auch nicht mehr aktuellen Broschüren mitverteilt.

Die Beklagten erheben die Einrede der Verjährung.

Der Kläger macht geltend, es liege ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 Satz 2 HWG i. V. m. §4 Nr. 11 UWG vor. Danach sei es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, sofern keiner der gesetzlich normierten Ausnahmetatbestände eingreife, was vorliegend ersichtlich nicht der Fall sei. Zudem hätten die Beklagten berufswidrig unter Verstoß gegen § 21 Abs. 1 Satz 2 u. 4 BO-ZKN i. V. m. § 4 Nr. 11 UWG geworben.

Die Verjährungseinrede greife nicht durch, im Hause der Klägerin sei der streitgegenständliche Vorgang der sachgebietszuständigen Mitarbeiterin tatsächlich erst Mitte November 2014 auf den Schreibtisch gelangt. Zudem werde die Unterlassungsklage auch auf § 2 Abs. 1 UKIaG gestützt. Dieser Unterlassungsanspruch unterliege der regelmäßigen Verjährung nach § 195 BGB.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten machen geltend, die Broschüre sei nicht von ihnen, sondern von dem Labor    angefertigt worden. Ihnen sei nichts davon bekannt gewesen, dass am Tag der offenen Tür seitens eines Mitarbeiters des Labors einige Broschüren verteilt worden seien. Vielmehr seien sie davon ausgegangen, dass die Broschüren bereits vollkommen aufgebraucht gewesen seien und sich nicht mehr im Umlauf befunden hätten.

Bereits am 07.08.2014 seien sie von der Zahnärztekammer Niedersachsen wegen des Flyers angeschrieben und zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger bereits im August von dem vermeintlichen Wettbewerbsverstoß Kenntnis erlangt habe. Die Broschüre sei definitiv nicht mehr zu einem späteren Zeitpunkt als Anfang August in Umlauf gebracht worden. Mehr als naheliegend sei es daher, dass die Beschwerden von denjenigen, die ihr Verhalten moniert hätten, Anfang August sowohl zur Zahnärztekammer als auch zum Kläger gelangt seien. Mit Nachdruck werde bestritten, dass der Kläger erst Mitte November 2014 auf den Vorgang hingewiesen worden sei.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Denn dem Kläger steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Unterlassung der Bewerbung und Erbringung der kostenlosen Service-Leistungen für „50+ Patienten" jedenfalls nach dem Unterlassungsklagegesetz zu. Ob der konkurrierende wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch gem. § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Nr. 2, 3 Abs. 1, 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 7 HWG verjährt ist, kann dahinstehen. Die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 11 UWG beginnt, wenn der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen musste. Hinsichtlich der Kenntniserlangung kommt es auf die Kenntnis des Klägers und nicht auf die der Zahnärztekammer Niedersachsen an. Denn der Kläger ist Gläubiger des Unterlassungsanspruchs und er macht nicht Ansprüche seiner Mitglieder, sondern einen eigenen Anspruch geltend, wobei ihm die Kenntnis des jeweiligen Mitglieds nicht zuzurechnen ist, vgl. etwa Köhler/Bomkamm, UWG, 29. Auflage, § 11 Rz 1.27 m. w. N.. Nach dem Rechtsgedanken des § 166 BGB kommt es auf die Kenntnis des nach der innerbetrieblichen Organisation zuständigen Bediensteten an, siehe nur BGH NJW 1997, 1584. Es ist vorliegend nicht zu klären, wann der zuständige Mitarbeiter bei dem Kläger erstmals von dem hier in Rede stehenden Vorgang erfahren hatte. Denn es besteht jedenfalls ein Anspruch auf Unterlassung bei verbraucherschutzwürdigen Praktiken gem. § 2 Abs. 1 UKIaG. Für die Verjährung dieses Unterlassungsanspruches gelten die allgemeinen Verjährungsregeln gem. §§ 195, 199 BGB. Ein allgemeiner Vorrang des UWG vor dem UKIaG besteht insofern nicht, vgl. Köhler/Bornkamm, a. a. O., § 2 UKIaG, Rz 24. Der Anspruch auf Unterlassung von Zuwiderhandlungen gegen Verbraucherschutzgesetze gem. § 2 Abs. 1 UKIaG ist jedenfalls nicht verjährt. Als Verbraucherschutzgesetze gelten gem. Ziffer 5 aus dem Beispielskatalog des § 2 Abs. 2 UKIaG auch die §§ 3 bis 13 Heilmittelwerbegesetz (HWG).

Nach § 7 Abs. 1 HWG ist es unzulässig, Zuwendungen oder Werbegaben (Waren oder Leistungen) anzubieten, wenn nicht eine der vom Gesetz sodann aufgezählten Ausnahmen vorliegt. Der Anwendungsbereich des HWG ist eröffnet. Das Angebot bezieht sich auf Informationen, wie der sogenannte 50+ Patient seine optimale Zahngesundheit, Vitalität und Ästhetik im Bereich seiner Zähne zurückerhalten kann. Bei den angebotenen Leistungen handelt es sich um Teile ärztlicher Leistungen, die in der Regel nur gegen Geld zu erhalten sind. Der interessierte Verbraucher soll über individuelle Lösungsmögiichkeiten für bestmögliche Vitaiität und Ästhetik informiert werden. Dabei soll anhand der abgeformten Zähne und des aufgearbeiteten persönlichen Modells das „Vitalitätsoptimum" vorgestellt werden. In einem vertrauensvollen Gespräch soll zusammen die Zielsetzung des Patienten entwickelt werden. Angesichts dieser Werbung erwartet der interessierte Verbraucher eine individuelle Zahnbefunderhebung und je nach Befund auch eine weiterführende Beratung. Die Kostenlosigkeit dieser Service-Leistungen stellt sich aus Sicht des Verbrauchers als Zuwendung und sonstige Werbegabe i. S. d. § 7 HWG dar. Sie ist geeignet seine Entscheidung, zu wem und in welchem Umfang er sich in zahnärztliche Behandlung begibt, unsachlich zu beeinflussen. Der hier nur in Betracht kommende Ausnahmetatbestand gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 HWG greift nicht ein, weil die ausgelobten Service-Leistungen sich nicht auf die Erteilung von Auskünften oder Ratschlägen beschränken. Vielmehr wird eine „völlig schmerzfreie" individuelle Befunderhebung ausgelobt, mag diese auch nur kurz ausfallen. Der interessierte Verbraucher erwartet neben einer individuellen Befundung seiner Zähne auch einen ersten Behandlungsvorschlag, der ggf. sich auch auf Laborleistungen bezieht.

Die Beklagten sind für den Verstoß gegen das Verbraucherschutzgesetz verantwortlich, auch wenn der Flyer nicht selbst von ihnen, sondern von dem Labor erstellt wurde. Denn der Flyer ist mit Wissen und Wollen der Beklagten gefertigt worden. Zwar mögen die Beklagten auf die Gestaltung des Flyers keinen Einfluss genommen haben. Sie sind jedoch damit einverstanden gewesen, dass der Flyer auf ihren Namen personalisiert wird und sie haben den Flyer auch an ihre Patienten verteilt. Es kann auch dahinstehen, wer im Einzelnen die Flyer anlässlich des Tages der offenen Tür verteilt hatte. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass der Unterlassungsanspruch kein Verschulden voraussetzt.

Gem. § 12 Abs. 1 Satz: 2 UWG kann der Kläger von dem Beklagten die Erstattung der Kosten für die Abmahnung vom 02.12.2014 verlangen. Die Höhe der Abmahnkosten ist nicht zu beanstanden.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die Nebenentscheidungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 91, 709 ZPO. Der Streitwert wird auf EUR 25.000,00 festgesetzt.


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