Werbung mit kostenloser professionellen Zahnreinigung

Gericht: Landgericht Stuttgart | Aktenzeichen: 11 O 75/15 | Dokumententyp: Urteil
Themengebiete: Berufliche Kommunikation

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Die Werbung mit einer kostenlosen professionellen Zahnreinigung ist unzulässig, da die PZR auch der Beseitigung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden dient und daher dem Heilmittelwerberecht unterliegt.

Urteilstext


Tenor

Das Landgericht Stuttgart hat für Recht erkannt:

1.
Der Beklagte wird unter Androhung eines Ordnungsgeldes von bis zu EUR 250.000,00, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zur Höchstdauer von insgesamt zwei Jahren, verurteilt, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs kostenlose zahnärztliche Leistungen, insbesondere eine kostenlose professionelle Zahnreinigung, zu bewerben und/oder zu gewähren, wie geschehen in der Werbung gemäß Anlagen K1 und K2 zur Klageschrift vom 20.04.2015.

2.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 246,10 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.06.2015 zu zahlen.

3.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4.
Das Urteil ist gem. Ziff. 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,00, im Übrigen gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: EUR 15.000,00


Tatbestand

I.

Der Kläger verlangt vom Beklagten, es zu unterlassen mit einer kostenlosen professionellen Zahnreinigung zu werben.

Der Kläger ist ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen.

Der Kläger ist Zahnarzt und betreibt eine Praxis in der … warb jedenfalls am 04.12.2014 im Internet in der aus Anlage K 1 ersichtlichen Form mit einer kostenlosen professionellen Zahnreinigung für Neupatienten. Außerdem führte er eine Aktion durch, in deren Rahmen die aus Anlage K 2 ersichtlichen Gutscheine für eine professionelle Zahnreinigung verteilt wurden.

Wegen dieser Werbemaßnahmen mahnte der Kläger den Beklagten mit Schreiben vom 08.12.2014 (K 3) ab. Mit Anwaltsschreiben vom 16.01.2015 (K 7) wies der Beklagte die Abmahnung zurück.

Der Kläger ist der Auffassung, die Werbung gem. Anlagen K 1 und K 2 verstoße gegen § 7 Abs. 1 HWG. Er könne daher Unterlassung sowie Ersatz der Abmahnlosten in Höhe der angemessenen Pauschale von Eur 246,10 verlangen.

Der Kläger beantragt,

wie im Tenor Ziff. 1 und 2 zuerkannt.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist der Auffassung, es liege kein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG vor. Er habe die professionelle Zahnreinigung auf seine Mitarbeiterin, die „ZMF" … über-tragen. Diese führe die Zahnreinigung ordnungsgemäß durch. Die geringwertige Gefälligkeit diene der Mundhygiene und der Verringerung des Zahn-Behandlungs- und seines Haftungsrisikos. Die Gutschein-Verteilung sei zeitlich beschränkt gewesen bis 31.12.2014. Eine Werbung sei nur dann gem. § 7 Abs. 1 HWG unzulässig, wenn sie geeignet sei, die Kunden unsachlich zu beeinflussen und zumindest eine mittelbare Gesundheitsbeeinträchtigung bewirke. Beides sei hier nicht der Fall. Der Vortrag des Klägers zur Aufwandserstattung aufgrund angeblicher „mildtätiger, sozialer" Aspekte der Klägerin unter finanzieller Verlust- bringung gehe fehl und werde bestritten.

Wegen aller weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das in der Sitzungsniederschrift vom 27.07.2015 protokollierte Vorbringen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

A. Zulässigkeit:
Der Klageantrag Ziff. 1 ist auf die Unterlassung der konkreten Verletzungsform (und kerngleicher Verstöße) gerichtet und daher ausreichend bestimmt.

B. Begründetheit:
Dem Kläger steht gem. §§ 8 Abs. 3 Nr. 2; 3; 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 7 Abs. 1 HWG ein Anspruch darauf zu, dass der Kläger es unterlässt, in der aus Anlagen K 1 und K 2 ersichtlichen Form mit einer kostenlosen professionellen Zahnreinigung zu werben, diese anzubieten und durchzuführen.

Der Kläger ist gerichtsbekannt ein i. S. v. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierter Verband. 2.

Der Beklagte hat durch seine Internet- und Gutschein-Werbung gem. Anlagen K 1 und 2 gegen die Marktverhaltensregelung (§ 4 Nr. 11 UWG) des § 7 Abs. 1 HWG verstoßen, sodass der Kläger wegen Wiederholungsgefahr Unterlassung der konkreten Verletzungsform - Werben mit einer kostenlosen professionellen Zahnreinigung - und kerngleicher Verstöße verlangen kann, §§ 8 Abs. 1; 3; 4 Nr. 11 UWG i. V. m. § 7 Abs. 1 HWG. Soweit es um die Gewährung - also Durchführung - einer kostenlosen professionellen Zahnreinigung geht, besteht aufgrund der unstreitig durchgeführten kostenlosen Erstreinigungen, die der Beklagte auf der Basis seiner Werbemaßnahmen gem. Anlagen K 1 und 2 durchgeführt hat, Wiederholungsgefahr und daher ebenfalls ein Unterlassungsanspruch.

a)
Das HWG kommt gem. § 1 Abs. 1 Nr. 3 HWG zur Anwendung.

Die Werbemaßnahmen gem. Anlagen K 1 und 2 beinhalten keine bloße allgemeine Firmenwerbung (Unternehmens-, Imagewerbung), die vom Geltungsbereich des HWG nicht erfasst wäre (BGH, Urt. v. 17.06.1992 - I ZR 177/90 - Femovan , juris Rn. 17Urt. v. 15.12.1994-1 ZR 154/92 - Pharma-Hörfunkwerbung, juris Rn. 17; Urt. v. 26.03.2009 - I ZR 99/07 - De - guSmiles & more, juris Rn. 15 ff), sondern stellen, jedenfalls zu einem wesentlichen Teil, auch eine Werbung für professionelle Zahnreinigungen in der Praxis des Beklagten und damit eine produktbezogene Werbung i. S. v. § 1 Abs. 1 HWG dar. Die beworbene Zahnreinigung ist eine „andere Behandlung" i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 3 HWG, da sie der Beseitigung von Zahnbelägen dient, die ihrerseits zu pathologischen Zuständen führen können; die professionelle Zahnreinigung dient daher auch der Beseitigung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden. Auf diese Wirkungen der professionellen Zahnreinigung bezieht sich die Werbung gem. Anlagen K 1 und K 2, indem den Adressaten der Werbung im Kontext mit den werbenden Texten auf dem eingeblendeten Lichtbild ein strahlend gesundes Gebiss präsentiert wird und damit die Assoziation einer gründlichen Beseitigung aller „schmutzigen", durch Beläge verursachten krankhaften Zustände geweckt wird.

Bei dem Angebot einer ersten kostenlosen professionellen Zahnreinigung, das der Beklagte in den Anlagen K 1 und 2 unterbreitet, handelt es sich um eine sonstige Werbegabe i. S. v. § 7 Abs. 1 HWG. Unter diesen sind alle tatsächlich oder vorgeblich unentgeltlich geldwerten Vergünstigungen, insbesondere Waren oder Leistungen, sowie alle sonstigen Vergünstigungen zu verstehen, die akzessorisch oder abstrakt zum Zwecke der Absatzförderung von Heilmitteln gewährt werden (Brixius in Bülow u. a., HWG, 4. Aufl. § 7 Rn. 16), somit auch die kostenlose Durchführung einer ersten professionellen Zahnreinigung beim Besuch der Praxis des Beklagten.

Einer der Ausnahmetatbestände des § 7 Abs. 1 S. 1 HWG ist nicht erfüllt. Insbesondere handelt es sich angesichts des in der Werbung vom Kläger selbst angegebenen Werts von rd. EUR 100,00 nicht um eine geringwertige Leistung i. S. v. § 7 Abs. 1 Nr. 1 HWG.

Offenbleiben kann, ob es sich bei § 7 Abs. 1 HWG nur um ein abtraktes oder aber um ein konkretes Gefährdungsdelikt handelt. Denn durch die Werbung des Beklagten wird sogar die konkrete Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung der angesprochenen Verbraucher begründet. Sie begründet die konkrete Gefahr, dass Verbraucher die Praxis des Klägers allein deshalb aufsuchen, weil es dort etwas „gratis" gibt, nicht aber, weil sie sich aufgrund sachlicher Erwägungen entschieden haben, die ärztlichen Dienste des Klägers in Anspruch zu nehmen. Der mit der Werbung des Klägers verbundene Appell an die verbreitete „Schnäppchen-Gier" begründet die konkrete Gefahr einer unsachlichen Beeinflussung.

Aus diesen Gründen stellt das Werben mit der ersten kostenlosen Zahnreinigung gem. Anlagen K 1 und 2 und die auf der Grundlage dieser Werbung erfolgte Gewährung dieser kostenlosen Behandlung einen Erstverstoß gegen § 7 Abs. 1 HWG dar, der einen Unterlassungsanspruch im tenorierten Umfang begründet.

II.

Klageantrag Ziff. 2; Abmahnkosten: EUR 260,10
Dem Kläger steht gegen den Beklagten ein Anspruch gem. § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu auf Erstattung der geltend gemachten Abmahnkosten i. H. v. EUR 260,10. Auf der Grundlage der detaillierten Darstellung des Klägers über seine Ausgaben und Einnahmen, die der Beklagte nicht substantiiert bestritten hat, schätzt das Gericht gem. § 287 ZPO, dass dem Kläger für die streitgegenständliche Abmahnung ein durchschnittlicher Kostenaufwand von mindestens EUR 260,10 entstanden ist. Dieser liegt deutlich unter den Kosten, die entstanden wären, wenn ein Rechtsanwalt mit der Abmahnung beauftragt worden wäre.

Der Anspruch auf Ersatz der Rechtshängigkeitszinsen resultiert aus §§ 291, 288 BGB.
Aus diesen Gründen ist der Klage stattzugeben.

C. Kostenentscheidung
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO, die durch Beschluss erfolgte Streitwertfestsetzung aus § 51 GKG.


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