Bundeszahnärztekammer fordert „Sofortprogramm Bürokratieabbau“


Bundeszahnärztekammer


Die Zahnarztpraxen leiden wie viele Branchen in Deutschland an einem Bürokratie- Burnout. 25 Prozent der Behandlungszeit geht den Patientinnen und Patienten durch überflüssige Bürokratie verloren. Täglich müssen Mitarbeitende in Zahnarztpraxen sage und schreibe 962 Regelungen befolgen. So müssen für die Aufbereitung eines einfachen Mundspiegels allein sieben Verordnungen, elf DIN-Normen, 14 Arbeitsanweisungen und neun Dokumentationsvorgaben beachtet werden.

Die Bundeszahnärztekammer begrüßt, dass im Koalitionsvertrag ein umfassender und entschiedener Bürokratieabbau angekündigt wird, indem alle Gesetze einem „Praxis-Check“ unterzogen werden sollen und eine „Vertrauenskultur und Stärkung der Eigenständigkeit und Eigenverantwortlichkeit der Profession“ etabliert werden soll.  Nun muss der Bürokratieabbau konkret umgesetzt und weiterer Bürokratieaufbau unbedingt verhindert werden.  

Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) fordert daher ein Sofortprogramm zum Bürokratieabbau, mit dem im ersten Schritt sieben überflüssige bürokratische Hürden im Praxisalltag abgeschafft werden. Dazu schlägt die BZÄK konkret folgende Maßnahmen vor:

  1. Rücknahme des von der Arbeitsgemeinschaft Medizinprodukte der Länder (AGMP), dem RKI und dem BfArM veröffentlichten Verbot der „abschließenden Wischdesinfektion“ von semikritischen Medizinprodukten bzw. der Forderung nach deren „Validierung“.
    Eine gründliche und wirksame Praxishygiene ist der wichtigste Eckpfeiler der Infektionsprävention in Gesundheitseinrichtungen. Mit dem völlig aus der Luft gegriffenen Verbot der „abschließenden Wischdesinfektion“ wird ein völlig unproblematisches und sicheres Verfahren, das seit Jahrzehnten täglich millionenfach in Zahnarztpraxen durchgeführt wird, wegen des „nicht messbaren Anpressdrucks“ plötzlich für unzulässig, weil „nicht validierbar“, erklärt. Bis heute ist kein einziger nachgewiesener Fall einer Infektion nach erfolgter abschließender Wischdesinfektion bekannt geworden. Die BZÄK fordert die Bundesregierung auf, in Zusammenarbeit mit dem RKI und den Ländern diesen bürokratischen Super-GAU sofort zu beenden und die abschließende Wischdesinfektion semikritischer Medizinprodukte in Zahnarztpraxen als sicheres Verfahren anzuerkennen!
     
  2. Abschaffung der externen Validierung des Aufbereitungsprozesses zahnärztlicher Medizinprodukte.
    Die Patientensicherheit hat für die Zahnärzteschaft höchste PrioritätDeshalb werden auch im Rahmen der Medizinprodukteaufbereitung in den Praxen umfangreiche interne Validierungsprozesse bei jedem einzelnen Aufbereitungsschritt durch qualifiziertes Fachpersonal durchgeführt und es erfolgen festgelegte regelmäßige Wartungen der Geräte. Instrumente werden nur dann freigegeben, wenn alle Aufbereitungsschritte problemlos durchgeführt worden sind.
    Die zusätzliche externe Validierung von Kleinsterilisatoren und Thermodesinfektoren, die ohnehin mittels integrierter Messinstrumente und Thermoindikatoren die Prozesse überwachen und bei registrierten Abweichungen Warnmeldungen ausgeben, ist eine überflüssige bürokratische Belastung der Praxen, die keinen einzigen Aufbereitungsvorgang sicherer macht und den Praxisbetrieb erheblich stört. Was bei Großsterilisatoren in Krankenhäusern möglicherweise sinnvoll sein kann, da diese für den Transport zum Aufstellungsort zerlegt werden müssen, ist bei kompakten Kleingeräten in Zahnarztpraxen eine Momentaufnahme, die die Patientensicherheit nicht erhöht. Sie ist ausschließlich eine teure Verschwendung wertvoller Praxisressourcen, die man besser für die Behandlung von Patientinnen und Patienten nutzen sollte.
     
  3. Bundesweite Einführung der „Tagesabschlussdokumentation“ bei der Aufbereitung von Medizinprodukten in Zahnarztpraxen.
    Es ist seit Jahrzehnten nicht nachvollziehbar, dass z. B. nach jedem Sterilisationsprozess eine Unterschrift für den fehlerfreien Ablauf zu leisten ist und nicht erst am Ende des kompletten Arbeitstages eine Sammelunterschrift für alle Prozesse des Tages. Die eingesparte Zeit und Womanpower ist besser bei der Behandlung von Patientinnen und Patienten eingesetzt.   Wir fordern daher eine bundeseinheitliche Klarstellung, dass auf die ermüdende Dokumentation von arbeitstäglichen unauffälligen Routinetätigkeiten im Rahmen des Aufbereitungsprozesses verzichtet werden kann.
     
  4. Abschaffung der Forderung aus der Medizinproduktebetreiberverordnung nach einem „Beauftragten für Medizinprodukte“ bei mehr als 20 Angestellten in einer Praxis.
    Der Praxisinhaber ist für die Umsetzung der Vorschriften gemäß Medizinproduktebetreiberverordnung verantwortlich. Auf einen zusätzlichen Beauftragten für Medizinprodukte kann daher verzichtet werden. Während diese Regelung in einem Krankenhaus mit einigen Hundert oder gar Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sinnvoll sein kann, verbessert sie die Strukturen, Prozesse und die Patientenbehandlung in verhältnismäßig kleinen Strukturen wie Zahnarztpraxen definitiv nicht. Da die Mitarbeitergrenze von 20 Mitarbeitenden auch in kleinen bis mittleren Praxen schnell erreicht ist fordern wir, die Grenze für die Notwendigkeit des „Beauftragten für Medizinprodukte“ sofort von 20 auf 50 zu erhöhen.
     
  5. Abschaffung des Bestandsverzeichnisses aller aktiven, nicht implantierbaren Medizinprodukte in Zahnarztpraxen.
    Aktuell müssen in Zahnarztpraxen eine Vielzahl von sehr kleinteiligen Vorgaben umgesetzt werden, die in der Summe zu einem enormen Dokumentationsaufwand führen. So muss beispielsweise ein Bestandsverzeichnis aller aktiven, nicht implantierbaren Medizinprodukte geführt werden. Eine weitere Auflage, die offenbar für große Strukturen wie Krankenhäuser gemacht wurde. Was aber in einem Krankenhaus möglicherweise hilft, wenn man den OP-Roboter im Keller von Gebäude 11 wiederfinden möchte, ist in der übersichtlichen Struktur einer ambulanten Zahnarztpraxis sinnlos. Wir fordern daher eine Abschaffung des Bestandsverzeichnisses.
     
  6. Abschaffung der bestehenden Pflicht zur Teilnahme an Aktualisierungskursen im Strahlenschutz (Kenntnisse und Fachkunde).
    Zehntausende Mitarbeiterinnen und Zahnärzte pilgern klimaschädlich alle fünf Jahre zur Verlängerung ihrer Röntgenfachkunde durch die Republik. Der Stand der Technik (Aufnahmetechniken) hat sich in den vergangenen 50 Jahren in der Zahnmedizin allerdings nahezu nicht verändert. Zwar sind Zahnärzte für ca. 40 Prozent der angefertigten Röntgenaufnahmen verantwortlich, jedoch nur für 0,3 Prozent der Strahlenbelastung. Somit ist die Strahlenbelastung in Zahnarztpraxen ohnehin äußerst gering. Da die Anfertigung von Röntgenaufnahmen zu den täglichen Routineaufgaben gehört, wird durch die alle fünf Jahre stattfindenden Aktualisierungskurse weder die Patientensicherheit erhöht noch die Röntgenbildqualität verbessert. Da die weiteren mit der Approbation bzw. Abschlussprüfung nachgewiesenen fachlichen Fertigkeiten wie z.B. das Extrahieren eines Zahnes korrekterweise auch nicht regelmäßig überprüft werden, fordern wir, die bestehenden Aktualisierungskurse abzuschaffen und Zahnärzte und Mitarbeitende, wie in anderen Fachbereichen auch, über gesetzliche und relevante Neuerungen durch die Fachaufsichten zu informieren.
     
  7. Sofortige Streichung des neuen §21, Absatz 1a Arbeitsschutzgesetz.
    Dort wurde festgelegt, dass „Beginnend mit dem Kalenderjahr 2026 (…) im Laufe eines Kalenderjahres mindestens 5 Prozent der im Land vorhandenen Betriebe zu besichtigen (Mindestbesichtigungsquote)“ sind. In den dafür zuständigen Behörden werden für diese Überwachungen erhebliche personelle Strukturen aufgebaut, die auch in Zukunft weiterhin Zahnarztpraxen durch überflüssige Begehungen stark belasten und hohe Summen an Steuergeldern verschlingen werden.                                                                  
    Völlig ausgeblendet wird dabei, dass während der Pandemie die Zahl der anerkannten coronabedingten Berufserkrankungen in Kliniken eine von 11 Mitarbeiterinnen betraf, in Arztpraxen eine von 59, in Zahnarztpraxen hingegen nur eine von 286 Mitarbeiterinnen betroffen war.
    Durch die Betriebsärztlichen und Sicherheitstechnischen Dienste (BuS-Dienste) der Kammern bzw. Rahmenverträge mit externen Dienstleistern ist die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung der Zahnarztpraxen flächendeckend sichergestellt. Statt wie angekündigt die Kontrollbürokratie abzubauen, werden hier ohne Grund und Anlass zusätzliche Kontrollen eingeführt. Dies hat nichts mit der im Koalitionsvertrag erwähnten „neuen Vertrauenskultur“ zu tun, im Gegenteil. Wir fordern daher eine sofortige Aussetzung dieser Begehungen nach Arbeitsschutzgesetz für die Zahnmedizin sowie die Streichung des § 21, Abs. 1a Arbeitsschutzgesetz.

Die Bundeszahnärztekammer hat über diese Maßnahmen des Sofortprogramms hinaus weitere Anregungen zum Bürokratieabbau, die in der Folge ebenfalls abgearbeitet werden sollten.


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