Die Bundeszahnärztekammer unterstützt den auf eine Novellierung der Gebührenordnungen für Ärzte und für Zahnärzte gerichteten Antrag der Fraktion der CDU/CSU. Eine Novelle der Gebührenordnung für Zahnärzte ist dringend notwendig. Die GOZ ist fachlich wie betriebswirtschaftlich völlig veraltet und als Abrechnungsgrundlage für eine moderne Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde nicht mehr bzw. nur noch bedingt geeignet.
Insbesondere ist seit 1988 keine Anpassung des Punktwertes an veränderte gesamtwirtschaftliche bzw. strukturelle Verhältnisse in der Zahnarztpraxis erfolgt. Demgegenüber hat im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung eine kontinuierliche Anhebung der dort geltenden Punktwerte stattgefunden.
Soweit der Verordnungsgeber ungeachtet dessen seine Betrachtungen hinsichtlich der Ausgestaltung eines Honorarzuwachses infolge der GOZ-Novellierung an der Entwicklung der Einnahmen-Überschüsse aus zahnärztlicher Tätigkeit insgesamt in einem bestimmten Zeitraum orientiert, darf dabei die Realwertentwicklung nicht unberücksichtigt bleiben. Die Steigerungsraten des durch-schnittlichen Einnahmen-Überschusses belegen nämlich tatsächlich gerade nicht die damit offenbar insinuierte Aussage, zahnärztliche Leistungen seien bereits danach zumindest angemessen honoriert, sodass auf eine Punktwertanpassung bzw. auf einen weiteren Honorarzuwachs insgesamt verzichtet werden könnte. Die Entwicklung des Einnahmen-Überschusses ist nämlich jeweils in Relation zur gleichzeitig erfolgenden Geldwertentwicklung zu setzen. Hierzu ist zu konstatieren, dass die Realwertentwicklung des durchschnittlichen Einnahmen-Überschusses in der langjährigen Entwicklung nahezu kontinuierlich rückläufig ist.
Durch die allgemeine Inflation hat sich seit 1988 das Honorar für zahnärztliche Leistungen bis heute um knapp 109 % entwertet; allein die letzten drei Jahre haben mit ca. 16 % nochmals gravierend dazu beigetragen. (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2024)
Auch die Teilnovellierung 2012 hat daran nichts Wesentliches geändert: Der kleine, nach Evaluation im Jahr 2013 festgestellte Volumenzuwachs von 9,2 % durch Modernisierung, Neubeschreibung und Erhöhung der Punktzahlen einiger Gebührennummern ändert nichts daran: Es verbleiben immer noch 100 % echter Verlust.
Statt diesem Umstand Rechnung zu tragen, erfährt der Punktwert seit 35 Jahren überhaupt keine Anpassung.
Veralteter Leistungskatalog
Seit 1988 hat sich die Zahnmedizin rasant weiterentwickelt. Viele 1988 beschriebene Leistungen sind heute als fachlich überholt anzusehen und haben sich in ihrem Inhalt und in ihrer Ausführung stark verändert. Inzwischen gibt es über 160 zahnärztliche Leistungen, die in der GOZ nicht beschrieben sind.
Wenn sich die Bundeszahnärztekammer nicht mit der PKV und der Beihilfe in einem Beratungsforum für Gebührenordnungsfragen darum kümmern würde, durch gemeinsame Empfehlungen dem Reformstau zu begegnen, wären die Probleme noch viel größer. Es ist und bleibt aber Auf-gabe des Verordnungsgebers, die Probleme der GOZ zu beseitigen.
Verstoß gegen die Ermächtigungsnorm des § 15 Zahnheilkundegesetz (ZHG)
§ 15 ZHG ermächtigt die Bundesregierung, „durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundes-rates die Entgelte für zahnärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.“
Das Bundesverfassungsgericht erkennt in der gesetzlichen Regelung den Zweck, einen Ausgleich zwischen den widerstreitenden Interessen von Zahnärzten und Patienten herbeizuführen, „weder ein zu hohes Entgelt entrichten zu müssen noch ein zu geringes Honorar fordern zu dürfen“. (Bundesverfassungsgericht 68, 319 (333)) Anders als in der vertragszahnärztlichen Versorgung (dort etwa in § 72 SGB V) werden daher insbesondere sozialpolitische oder gesamtwirtschaftliche Ziele nicht als maßgebliche Kriterien benannt.
Da § 15 ZHG also lediglich die Berücksichtigung von Patienten- und Zahnarztinteressen erlaubt, um die angemessenen Gebühren für die privatzahnärztlichen Leistungen im Verordnungswege zu regeln, ist der singuläre Anpassungsverzicht nicht mehr von der Ermächtigung des § 15 ZHG ge-deckt.
Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze
Staatliche Gebührenordnungen als Grundlage der Bemessung von Vergütungen sind keine Be-sonderheit des Rechts der Ärzte und Zahnärzte. Ohne eine unmittelbare Vergleichbarkeit konstruieren zu wollen, soll an dieser Stelle beispielhaft auf die Vergütungen der Rechtsanwälte verwiesen werden:
Die Vergütung der Rechtsanwälte wurde zuletzt im Jahre 2003 durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts geändert und angehoben. Die dokumentierten Redebeiträge in der Aus-sprache zu dem Gesetzentwurf vom 14.11.2003 dürfen wir nachfolgend kurz zusammenfassend skizzieren (Anmerkung: Die Rede ist von ca. 14 Prozent nach einer über einen Zeitraum von knapp 10 Jahren versäumten Anpassung):
SPD:
„Eine fast zehnjährige Nullrunde ist im Vergleich zu anderen Berufsgruppen einzigartig.“
CDU/CSU:
„In den letzten zehn Jahren sind Lohnkosten, Mieten und Sachkosten drastisch gestiegen. Während die Anwaltsgebühren in dieser Zeit unverändert geblieben sind, beträgt der Einkommenszuwachs in der gewerblichen Wirtschaft im Vergleichszeitraum 26 Prozent. Wenn wir als Gesetzgeber unserer Verantwortung für die Rechtspflege in unserem Land gerecht werden wollen, dann müssen wir nicht nur diesen Gesetzentwurf kurzfristig verabschieden, sondern auch dafür sorgen, dass es nicht wieder vorkommt, dass die Anwaltschaft zehn Jahre hinter der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland zurückbleibt.“
Bündnis 90/ Die Grünen:
„Vor diesem Hintergrund ist der Staat in der Pflicht, die anwaltliche Leistung auch angemessen zu vergüten. Seit 1994, also fast zehn Jahren, sind die RA-Gebühren nicht angepasst worden. Gleich-wohl stiegen die Kosten der anwaltlichen Arbeit: Auslagen, Bürokosten, Löhne für Angestellte und anderes mehr. Die jetzt vorgesehenen moderaten Erhöhungen hätten nicht geringer ausfallen dürfen.“
FDP:
„Kaum ein anderer Berufsstand hat so lange ohne Gebührenerhöhungen auskommen müssen.“
Der Grundsatz, dass wesentlich Gleiches nicht willkürlich ungleich behandelt werden darf, genießt immerhin Verfassungsrang.
Einführung einer Anpassungsklausel in der GOZ
Die Berücksichtigung sachfremder und nicht mit § 15 ZHG im Einklang stehender Beweggründe haben dazu geführt, dass die Zahnärzteschaft bei der Vergütung privatzahnärztlicher Leistungen seit nunmehr 35 Jahren von der wirtschaftlichen Entwicklung abgeschnitten ist. Ausweislich der in der BR-Drucksache 276/87 veröffentlichten Begründung der GOZ 1988 erfolgte auch diese lediglich kostenneutral. Um dies zu erreichen, wurde u. a. eine Reihe von Leistungsbewertungen herabgesetzt sowie der zur Verfügung stehende Gebührenrahmen empfindlich beschnitten. Durch die zusätzliche Einführung einer Begründungspflicht nach § 5 Abs. 2 GOZ für eine Überschreitung des Standardfaktors 2,3 aus im Einzelfall medizinisch vorliegenden Erschwernisumständen bis zum Faktor 3,5 wurde eine de facto Fixierung auf die Honorarhöhe des zum Zeitpunkt der Umstellung der BUGO zur GOZ durchschnittlich geltenden Niveaus implementiert. In der Bugo 65 bestand allerdings noch die Möglichkeit einer sich kontinuierlich der allgemeinen Teuerung anpassenden Honorarhöhe durch sukzessive Erhöhung des Steigerungssatzes im damaligen Gebührenrahmen vom 1,0 bis zum 6,0-fachen Satz. Ohne Begründungsschwelle konnte auf diese Weise der Teuerung entsprochen werden, auch ohne eine auch in der Bugo nicht erfolgten Punktwertanpassung. Dies ist in der GOZ 88 nicht mehr möglich. Mithin ist seither der Punktwert die einzige Stellschraube, um der Geldentwertung zu begegnen.
Wie dargestellt hat der Punktwert die Funktion, den Wert der Punktzahlen im Preisgefüge anderer Dienstleistungen - ausgehend von der wirtschaftlichen Entwicklung - zu bestimmen. Aus diesem Grund wurden mit der GOZ 1988 übrigens auch die bis dahin im Rahmen der Gebührenbemessung zu berücksichtigenden Kriterien „Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Zahlungs-pflichtigen“ und „örtliche Verhältnisse“ abgeschafft. Damit hat der Verordnungsgeber den wirtschaftlichen Ausgleich also aus der Privatvereinbarung gelöst und die Aufgabe übernommen, tätig zu werden. Dieser Aufgabe kommt jedoch der Verordnungsgeber seit 1988 in der GOZ nicht nach.
Hiervon ausgehend ist es unerlässlich, dass in die Gebührenordnung eine verbindliche Verpflichtung zur regelmäßigen Überprüfung und Anpassung der zahnärztlichen Vergütung aufgenommen wird. Nur so kann es gelingen, dass der Punktwert die ihm zugewiesene Funktion – nämlich die wirtschaftliche Entwicklung aufzufangen – erfüllt.
Hintergrund
Vorläufer der geltenden Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) und der Bugo-Z von 1965 war die sogenannte Preugo. Diese stellte subsidiäres Recht dar, das „mangels einer Vereinbarung“ An-wendung fand. Es galt also Vertragsfreiheit. Das, was Zahnarzt und Patient als Honorar vereinbarten, galt. Wurde eine Vereinbarung darüber nicht getroffen, galt die Preugo. Die Bugo-Z von 1965 änderte dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis, ließ jedoch zugleich noch Raum für Vereinbarungen. Danach war im Regelfall von der Bugo-Z 1965 auszugehen; eine abweichende Regelung setzte eine ausdrückliche Vereinbarung voraus. Die geltende GOZ aus dem Jahre 1988 lässt nur noch eine abweichende Vereinbarung bezüglich der Höhe der Vergütung zu (§ 2 Absatz 1 GOZ).
Die skizzierte Entwicklung von der Preugo bis zur heute geltenden GOZ offenbart einen Weg von der uneingeschränkten Geltung des Grundsatzes der Vertragsfreiheit bis zur streng reglementierten Ausnahmevereinbarung. Die staatliche Gebührenordnung hat sich damit von einer unverbindlichen Taxe zu einer Zwangsordnung entwickelt. Von der Vertragsfreiheit sind nur noch Rudimente übriggeblieben.
Die restriktive Gestaltung der GOZ findet ihre Ursache vor allem in dem Bestreben, die staatlichen Haushalte – siehe Beihilfe – zu entlasten. Der Staat hat insofern ein fiskalisches Eigeninteresse, von dem er sich als Verordnungsgeber jedoch freizumachen hat. Die Freiheit der Vertragsgestaltung tritt überdies zurück, damit derjenige, der die Leistungen in Anspruch nimmt, sich im Rahmen der staatlichen Fürsorgepflicht beim Staat refinanzieren kann. Insoweit wird der Zahnarzt zu Teilen für die Erbringung staatlicher Leistungsverpflichtungen bei der Erfüllung der Alimentationsverpflichtungen durch zwangsweisen Verzicht auf Anpassung an die allgemeine Teuerung in Dienst genommen. Hierin ist jedenfalls eine der Ursachen dafür zu sehen, dass bereits die GOZ 1988 kosten- und ausgabenneutral novelliert wurde. Auch die Teil-Novelle aus 2012 bewirkte lediglich einen punktuellen Honorarzuwachs in Höhe von ca. 9 Prozent, ohne eine generelle Honoraranpassung vorzunehmen.
Ausweislich der Begründung des Referentenentwurfes der GOZ wurde seinerzeit eine Betrachtung der kumulierten Einnahmen-Überschüsse aus privatzahnärztlicher und vertragszahnärztlicher Tätigkeit in den Jahren 1992 bis 2008 zugrunde gelegt. Insofern wurde festgestellt, dass sich in diesen Jahren die Einnahmen-Überschüsse zwischen rund 19 v. H. und rund 21 v. H. erhöht hätten und im gleichen Zeitraum die Zahl der Praxisinhaber um rund 25 v. H. angestiegen sei. Vor diesem Hinter-grund sei der vorgesehene Honorarzuwachs von rund 6 v. H. bei den nach GOZ abzurechnenden Honoraren vertretbar. Eine darüberhinausgehende Honorarsteigerung sei angesichts der Belastung der öffentlichen Haushalte im Hinblick auf die Ausgaben der Beihilfe und die Kostenbelastung der privaten Haushalte nicht realisierbar.
Danach ist der Verordnungsgeber zunächst von einer Globalbetrachtung der Einnahmenüber-schüsse aus zahnärztlicher Tätigkeit insgesamt ausgegangen, ohne insofern zwischen Einnahmenbestandteilen aus der privatzahnärztlichen Tätigkeit, die durch die GOZ allein erfasst wird, und aus der vertragszahnärztlichen Tätigkeit, die nach dem Bundeseinheitlichen Bewertungsmaßstab (Bema) berechnet wird, zu differenzieren. Zudem ist danach die entsprechende Entwicklung in den Jahren 1988 bis 1991 sowie 2009 und 2010, in denen die GOZ den privatzahnärztlichen Ab-rechnungen ebenfalls zugrunde zu legen war, seinerzeit unberücksichtigt geblieben.
Sofern der Verordnungsgeber von seiner Ermächtigung gem. § 15 ZHG Gebrauch macht, ist er verpflichtet, u. a. auch den berechtigten Interessen der Zahnärzte Rechnung zu tragen. In diesem Zusammenhang wird vom Verordnungsgeber der Anspruch erhoben, in der GOZ nicht lediglich einen unter übergreifenden sozialpolitischen Gesichtspunkten limitierten Ausschnitt aus allen zahnärztlichen Leistungen wie in der Vertragszahnheilkunde gem. SGB V, sondern das zahnärztliche Leistungsspektrum insgesamt in einer Art und Weise zu beschreiben, die den gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis entspricht. Dies ist auch bereits deshalb erforderlich, weil Zahn-ärzte gem. § 1 Abs. 1 GOZ grundsätzlich jegliche zahnärztliche Leistung nur unter Zugrundelegung der GOZ abrechnen können, soweit keine abweichenden Bestimmungen, so z. B. im SGB V, vor-gehen. Das berechtigte Interesse der Zahnärzte besteht somit ersichtlich darin, unter Zugrundelegung der GOZ tatsächlich alle zahnärztlichen Leistungen nach dem jeweiligen Stand der zahn-medizinischen Wissenschaft abrechnen und hierfür auch angemessene Vergütungen berechnen zu können, soweit keine abweichenden Bestimmungen, so z. B. im SGB V, vorgehen.
Diesem gesetzlichen Erfordernis wird der Verordnungsgeber aber bereits mit dem vorliegend ver-folgten Ansatz einer Berücksichtigung lediglich der durchschnittlichen Einnahmen-Überschüsse aus zahnärztlicher Tätigkeit insgesamt – vertragszahnärztliches und privatzahnärztliches Abrechnungsvolumen in Addition - nicht gerecht.
Denn dabei bleibt unberücksichtigt, dass zahnärztliche Leistungen weit überwiegend nicht unter Zugrundelegung der GOZ, sondern im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung abgerechnet werden und daher von den dort geltenden Regularien abhängig sind. Mit dem Hinweis in der Begründung des Referentenentwurfes darauf, dass sich die Einnahmen-Überschüsse in einem bestimmten Zeitraum um ca. 20 Prozent erhöht hätten und daher der vorgesehene Honorarzuwachs in der GOZ von rund sechs Prozent „vertretbar“ sei, soll offenbar der Eindruck vermittelt werden, Zahnärzte hätten in den zurückliegenden Jahren erhebliche, wenn nicht sogar überproportionale Einnahmensteigerungen realisiert, die jedenfalls einen Umfang erreichen, der auch 2012 nach (damals!) 24-jähriger unveränderter Geltung der GOZ weder eine Anpassung des Punktwertes, noch eine Ausweitung des unter Zugrundelegung der GOZ insgesamt abrechnungsfähigen Honorarvolumens um mehr als sechs Prozent fordert oder rechtfertigt, um den berechtigten Interessen der Zahnärzte im Sinne von § 15 ZHG Rechnung zu tragen.