Anlässlich ihres Treffens in Berlin geben der französische Ordre National des Chirurgiens-Dentistes (ONCD) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) eine gemeinsame Erklärung zur Regulierung rein wirtschaftlich orientierter Zahnarztketten in ihren Ländern ab:
Die investorenbetriebenen Dentalketten in Frankreich und Deutschland lösen kein einziges Versorgungsproblem, sondern beschädigen die bewährten zahnmedizinischen Versorgungsstrukturen in unseren Ländern.
Diese Kettenpraxen lassen sich meist in ohnehin sehr gut versorgten Großstädten mit hohem pro-Kopf-Einkommen nieder und kümmern sich dabei kaum um unterversorgte Regionen und vulnerable Patientengruppen. (1)
In Frankreich wie in Deutschland sind Gefahren dieser Strukturen bereits sichtbar geworden, beispielsweise erhöhte Abrechnungen von Leistungen, Umsatzdruck auf angestellte junge Zahnärzte und sogar die Behandlung durch nicht approbierte Zahnärzte.
Der ONCD und die BZÄK fordern die strikte Regulierung der investorenbetriebenen Dentalketten zur Verhinderung von ausschließlich renditeorientierter Zahnheilkunde, bei der nicht mehr der Patient, sondern die Rendite im Mittelpunkt steht. Aufgrund der besonderen Gegebenheiten des deutschen Sozialrechts treten diese investorenbetriebenen Dentalketten in Form von zahnärztlichen MVZ (Medizinisches Versorgungszentrum) auf. In Frankreich treten sie als gemeinnützige Vereinigungen (dentalmedizinische Versorgungszentren) auf.
ONCD und BZÄK treten gemeinsam für eine berufsrechtliche Regulierung ein, die festlegt, dass die Mehrheit an einer zahnärztlichen Praxis stets in Händen von Zahnärztinnen und Zahnärzten liegen muss („50+1-Regel“), um sicherzustellen, dass die zahnmedizinische Kompetenz und nicht die Renditeerwartung entscheidend bei der Behandlung unserer Patienten ist. Zahnmedizin ist nicht gleichzusetzen mit dem Verkauf von Speiseeis oder Schuhen, da die Wissensasymmetrie zwischen Zahnarzt und Patient eine reine Renditeorientierung von Medizin ausschließt.
ONCD und BZÄK weisen ausdrücklich auf die Entscheidung des EuGH vom 19.12.2024 (C-295/23) in Sachen Halmer-Rechtsanwaltsgesellschaft hin, in der bestätigt wird, dass die EU-Mitgliedstaaten berechtigt sind, Vorschriften zu erlassen, die die „berufliche Unabhängigkeit“ (2) und insbesondere die Unabhängigkeit von Angehörigen der Gesundheitsberufe (3) gewährleisten sollen.
Die Gespräche in Berlin haben gezeigt, dass in unseren Ländern und im europäischen Ausland erhebliche Auswüchse dieser Entwicklungen zu beobachten sind (4) und dringender Regulierungsbedarf besteht, um den Patientenschutz europaweit zu gewährleisten und die gewachsenen Versorgungsstrukturen in unseren Ländern nicht zu beschädigen.
Prof. Dr. Christoph Benz
Präsident BZÄK
Dr Alain Durand
Président ONCD
(1) Das französische Sozialversicherungssystem hat beschlossen, ab 2025 die zahnärztliche Versorgung in neuen Zahnarztzentren, die in dicht besiedelten städtischen Gebieten eröffnet werden, nicht mehr zu finanzieren. https://www.ameli.fr/exercice-coordonne/actualites/regulation-de-l-activite-dentaire-dans-les-zones-non-prioritaires-des-2025-le-point
(2) EuGH-Urteil vom 19.12.2024, C-295/23, Randnrn. 71, 73, 74.
(3) EuGH-Urteil vom 19.05.2009, C‑531/06, Randnr. 84.
(4) Der Bericht „Trends in der Finanzialisierung der ambulanten Versorgung in den OECD-Ländern“ stellt fest, dass bestimmte ambulante Fachgebiete und Dienstleistungen im Mittelpunkt der Finanzialisierung stehen. Laut den Statistiken der OECD steht die Zahnmedizin an erster Stelle, gefolgt von der Augenheilkunde, der ambulanten Radiologie und den Labors. Dem Bericht zufolge sind „zahnärztliche Dienstleistungen für Finanzinvestoren besonders attraktiv“. Quelle: OECD Health Working Papers, 21. Mai 2025.