Mundgesundheit in der Pflege für Menschen mit Behinderung und pflegerischem Unterstützungsbedarf

Schwerpunkte und Schnittstellen zur Verbesserung der Versorgung

Bundeszahnärztekammer | Deutscher Pflegerat


Mundgesundheit und allgemeine Gesundheit stehen in engem Zusammenhang. So können einerseits manche Krankheiten und Therapien die Mundgesundheit stark beeinträchtigen. Es gibt andererseits deutliche Zusammenhänge zwischen Zahn- und Munderkrankungen sowie Allgemeinerkrankungen, wie Diabetes, Lungenentzündung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Zudem kann eine schlechte Mundhygiene gesundheitliche Probleme nach sich ziehen: Schmerzen und Entzündungen im Mund, Schwierigkeiten beim Kauen oder Schlucken sowie Mangelernährung oder soziale Isolation können die Folge sein.

Beim Erhalt der Mundgesundheit sind Personen besonders dann gefährdet, wenn sie wegen Krankheit, Behinderung oder Pflegebedürftigkeit die Zahnpflege nicht ausreichend durchführen können. Diese Menschen sind dann bei der Mundpflege auf die Hilfe anderer angewiesen. Mindestens 30 Prozent der älteren pflegebedürftigen Menschen benötigen Unterstützung bei der Mundpflege, so die letzte Deutsche Mundgesundheitsstudie (DMS V). Bei den Bewohnerinnen und Bewohnern von Pflegeeinrichtungen sogar rund 60 Prozent, wie der sechste Pflegequalitätsbericht des Medizinischen Dienstes Bund gezeigt hat. Zudem haben rund 90 Prozent der Menschen mit einer geistigen Behinderung einen Pflegegrad zuerkannt bekommen. Das heißt, viele pflegebedürftige Menschen und Menschen mit zahnmedizinisch relevanten Behinderungen – ob stationär oder häuslich versorgt – können ihre Mundhygiene nicht oder nur bedingt selbstständig durchführen. Mitunter fehlt es ihnen und ihren Angehörigen auch an Wissen und Kompetenzen, um die Mundhygiene richtig umzusetzen.

Die Förderung der Mundgesundheit ist eine wesentliche Aufgabe professionell Pflegender. Der Deutsche Pflegerat (DPR) und die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) zeigen im Folgenden, welche wesentlichen Schnittstellen einer gemeinsamen Zusammenarbeit bestehen. Nur so kann das Präventionspotenzial zur Unterstützung der Mundgesundheit in der Pflege am besten ausgeschöpft werden.

1. Schnittstelle: Gemeinsame Umsetzung des Expertenstandards „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP, 2021)“

Die Förderung der Mundgesundheit ist eine interdisziplinäre Aufgabe. Was dies im Einzelnen umfasst und praktisch für professionell Pflegende und die Organisationen, in denen sie arbeiten, bedeutet, beschreibt der Expertenstandard „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ des Deutschen Netzwerks für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP, www.dnqp.de/fileadmin/HSOS/Homepages/DNQP/Dateien/Expertenstandards/Mundgesundheit/Mund_AV_Auszug.pdf ). Er definiert u. a. das Aufgabenspektrum, den Verantwortungsbereich und das nötige Kompetenzprofil von professionell Pflegenden und bietet eine fachliche Richtschnur für die konkrete Umsetzung in der Praxis. Zudem formuliert der Expertenstandard die Kriterien zur Einschätzung der Mundgesundheit und beschreibt, wann weitere Fachexpertise hinzuzuziehen ist.

Was können Pflege und Zahnmedizin tun, um die Mundgesundheit von Menschen mit medizinischem Unterstützungsbedarf zu fördern?

  • DPR und BZÄK setzen sich dafür ein, die Kooperation zwischen Zahnärzten bzw. Zahnärztinnen sowie Pflegeeinrichtungen, Wohneinrichtungen für Menschen mit Behinderung, Pflegediensten und Krankenhäusern zu verbessern.
  • DPR und BZÄK fordern dazu auf, den Expertenstandard „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ in der Pflege von Menschen aller Altersstufen, die professionelle pflegerische Unterstützung bei der Mundpflege benötigen, zu nutzen. Idealerweise sollte er in allen professionellen Pflege-Settings, z. B. in ambulanten und voll- sowie teilstationären Einrichtungen der Langzeitpflege, in der geriatrischen Rehabilitation, in Hospizen, in der palliativen pflegerischen Versorgung, in Krankenhäusern und in Einrichtungen der Behindertenhilfe relevant sein und auch in die Ausbildung der professionell Pflegenden integriert werden.

2. Schnittstelle: Wissensvermittlung und Befähigung

Ein weiterer wichtiger Aspekt des Expertenstandards ist die Wissensvermittlung zur Befähigung der professionell Pflegenden: Das Thema Mundpflege erfährt eine neue Aufmerksamkeit und es werden sich viele Fragen bei deren praktischer Umsetzung im Pflegealltag ergeben.

Alle professionellen Pflege-Settings sollten regelmäßig Fortbildungen zur Anleitung der professionell Pflegenden rund um die Förderung der Mundgesundheit anbieten. Dazu gehört auch, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Kompetenzen in praktischen Schulungen vertiefen. Wichtig ist dabei, dass konkrete Verfahrensregelungen festgelegt werden, zum Beispiel: Wann soll ein Assessment durchgeführt werden? Wie ist zu dokumentieren? Wer darf was machen? Wann wird wer hinzugezogen?

Für professionell Pflegende, die sich mit Mundgesundheit befassen wollen, gibt es die Internetplattformmund-pflege (https://www.mund-pflege.net/) zur Information, Schulung und Beratung. Der Zugang ist kostenlos. Die Plattform ist auch für die Aus- und Fortbildung geeignet.

Fundierte praktische Informationen zur Mundpflege bei Menschen mit einem besonderen Unterstützungsbedarf bieten u.a. die Anleitungsvideos des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) und der BZÄK (https://www.youtube.com/watch?v=OwN649HCzNk&list=PLJL6mWMmG7qCYJ2_2QxQ2XxGYo-52txjd) sowie der RatgeberMundpflege Praxistipps für den Pflegealltag“ des ZQP (https://www.zqp.de/wp-content/uploads/ZQP-Ratgeber-Mundpflege.pdf), den PflegekalenderHandbuch der Mundhygiene: Zahn-, Mund- und Zahnersatzpflege für Menschen mit Pflege- und Unterstützungsbedarf. Ein Ratgeber für Pflegepersonal und unterstützende Personen“ der BZÄK (www.bzaek.de/fileadmin/PDFs/p/Handbuch_Mundhygiene.pdf) sowie die barrierefreieKommunikationsplattform "Gesundheit leicht verstehen" des Gesundheitsprogramms von Special Olympics Deutschland (SOD) www.gesundheit-leicht-verstehen.de .

Was können Pflege und Zahnmedizin tun, um die Wissensvermittlung bei professionell Pflegenden zu fördern?

  • DPR und BZÄK fördern die Information, Schulung oder Beratung von professionell Pflegenden, um Pflegebedürftige dabei zu unterstützen, ihre Mundhygiene möglichst selbstständig durchführen zu können oder selbstbestimmt zu entscheiden, wie sie durchgeführt werden soll.
  • DPR und BZÄK empfehlen allen Einrichtungen mit einem pflegerischen Setting die erforderlichen Pflege- und Hilfsmittel sowie das Informations- und Schulungsmaterial für die Mundpflege bereitzustellen, damit professionell Pflegende ihre Arbeit machen können. Zudem kann es sinnvoll sein, „Beauftragte für Mundpflege“ einzusetzen.
  • Die (Landes-)Zahnärztekammern bieten ihre Expertise bei der Schulung und Fortbildung von professionell Pflegenden an.

3. Schnittstelle: Gesundheitspolitik

3.1 Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition: Maßnahmenpaket Alterszahngesundheit umsetzen

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP im Bereich (Mund)Gesundheit und Ernährung konkrete Maßnahmenpakete, zum Beispiel zur Alterszahngesundheit angekündigt.

Was fordern Pflege und Zahnmedizin von der Politik?

  • DPR und BZÄK fordern das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf, das im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP angekündigte Maßnahmenpaket zur Alterszahngesundheit gemeinsam mit den Fachgesellschaften zu erarbeiten und umzusetzen.

3.2 Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition: Beteiligung an der Erarbeitung des geplanten Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen

Angesichts der steigenden Pflegekosten sind immer mehr Pflegebedürftige auf Sozialleistungen angewiesen. Aktuell beantragt ein Drittel der Pflegeheimbewohner Sozialhilfe/Bürgergeld.

Die Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP die Ausarbeitung des „Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ angekündigt.

Dem DPR und der BZÄK ist es ein wichtiges Anliegen, bestehende Barrieren in der Gesundheitsversorgung abzubauen und Inklusion in allen Bereichen des Gesundheitswesens voranzubringen. Dazu gehört auch, der Altersarmut von Pflegebedürftigen zu begegnen.

Da es sich bei der Erarbeitung des Aktionsplans um ein umfassendes Projekt handelt, bei dem vielfältige Bedürfnisse und ein weites Spektrum an Handlungsfeldern berücksichtigt werden sollten, ist es sinnvoll, einen gemeinsamen Prozess von zivilgesellschaftlichen Akteuren und der Politik zu organisieren. Alle Betroffenen können und müssen frühzeitig in das Verfahren eingebunden werden.

Was fordern Pflege und Zahnmedizin von der Politik, um bestehende Barrieren in der Gesundheitsversorgungabzubauen und Inklusion im Gesundheitswesen voranzubringen?

  • DPR und BZÄK fordern das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf, in das Erarbeitungs- und Abstimmungsverfahren des geplanten „Aktionsplans für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ eingebunden zu werden.

3.3 Zahnmedizinische Versorgung in Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe verbessern

Mit vielen stationären Pflegeeinrichtungen haben die niedergelassenen Zahnärztinnen und Zahnärzte bereits Kooperationsverträge geschlossen. Ein Problem sind die Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe. Kooperationsverträge sind nach § 119b SGB V auf stationäre Pflegeeinrichtungen gemäß § 71 (2) SGB XI begrenzt. Hier ist eine Erweiterung auf Einrichtungen der Eingliederungshilfe gemäß §71 (4) SGB XI sinnvoll. Da die Präventionsleistungen nach § 22a SGB V für Pflege und Behinderung gelten, wäre diese Erweiterung eine sachlogische Folge.

Was fordern Pflege und Zahnmedizin von der Politik, um die zahnmedizinische Versorgung in stationären Behinderteneinrichtungen zu verbessern?

  • DPR und BZÄK fordern den Gesetzgeber auf, eine Erweiterung der Möglichkeit des Abschlusses von Kooperationsverträgen nach § 119b SGB V zukünftig auch mit Einrichtungen der Eingliederungshilfe (Wohneinrichtungen der Behindertenhilfe) gemäß §71 (4) SGB XI zu schaffen.

3.4 Zahnmedizinische Versorgung im stationären Bereich verbessern

Bei zahnmedizinischer Versorgungsbedürftigkeit, die unter stationären Bedingungen erfolgen muss, gibt es derzeit keine sozialrechtlichen Voraussetzungen für niedergelassene Zahnärztinnen und Zahnärzte, im Krankenhaus zahnmedizinische Behandlungen bei Patienten und Patientinnen der GKV im Sinne einer konsiliarischen Tätigkeit durchführen zu können. Es geht hier primär um Maßnahmen zur Reduktion von Entzündungen in der Mundhöhle, um Zahnerhalt und um einfachen Zahnersatz.

Was empfehlen Pflege und Zahnmedizin, um die zahnmedizinische Versorgung im stationären Bereich zu verbessern?

  • DPR und BZÄK fordern den Gesetzgeber auf, die sozialrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit Zahnärztinnen und Zahnärzte bei Patienten und Patientinnen der GKV im Krankenhaus konsiliarisch tätig werden können, um so - bspw. bei einer zahnärztlichen Behandlung - eine stationäre Überwachungsmöglichkeit nach Eingriffen unter Vollnarkose zu ermöglichen.
  • DPR und BZÄK empfehlen den Pflegeeinrichtungen und Krankenhäusern, die räumlichen Voraussetzungen zu schaffen, damit Zahnärztinnen und Zahnärzte diese für zahnärztliche Eingriffe nutzen können.