1689 1690 1690 1691 1691 Stellungnahme | (Zahn-)Medizin, Politik | Ernährung, Fluorid Zuckerreduktion bedeutet Kariesreduktion


Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (2000 - 2021)


Karies und Parodontitis sind die beiden Haupterkrankungen in der Zahnmedizin und die am weitesten verbreiteten, chronisch degenerativen Krankheiten.

Eine wesentliche Voraussetzung für die Entstehung von Karies ist die Anwesenheit eines bakteriellen Biofilms (Plaque). Die Bakterien brauchen Substrat für den Stoffwechsel, wobei Zucker die besten Voraussetzungen dafür bietet.

Sofern die Bakterien in Folge unzureichender Entfernung dieses Zahnbelags ausreichend Zeit bekommen, können die im Stoffwechsel produzierten Säuren die Zahnhartsubstanz demineralisieren. Häufiger Verzehr kariogener – sprich zuckerhaltiger – Mahlzeiten und Getränke begünstigt die schnelle Kariesentstehung.

Neben diesen ungünstigen Ernährungsgewohnheiten haben auch Zahnbelags- und Bakterienbildung durch mangelhaftes Mundhygieneverhalten großen Einfluss auf die Entstehung von Karies. Ziel der heutigen zahnmedizinischen Prävention ist, die Mundgesundheit zu erhalten sowie Krankheiten, Verletzungen und Fehlbildungen des Mund-, Kiefer-und Gesichtsbereichs zu verhindern.

Bei Kindern ist eine gute Mundgesundheit die Basis für eine gesunde körperliche Entwicklung und Voraussetzung für gesunde Zähne im Erwachsenenalter. Milchzähne haben wichtige Aufgaben für das Kauen und für die Sprachentwicklung – als Platzhalter für bleibende Zähne, aber auch für eine psychisch und körperlich gesunde Entwicklung.

Für die Kariesvorbeugung sind mehrere Faktoren verantwortlich. Fest steht, dass die sog. vier Säulen der Kariesprophylaxe – eine zahngesunde Ernährung, die häusliche Mundhygiene, die Fluoridanwendung (v.a. in Zahnpasten) und regelmäßige Zahnarztbesuche – zu einer guten Mundgesundheit führen.

Insgesamt verzeichnen wir deutliche Erfolge in der zahnärztlichen Prävention in Deutschland:
Bei 12- bzw. 6-Jährigen einen Rückgang an Zahnkaries um 80 bzw. 43,5 Prozent in den letzten 25 bzw. 16 Jahren. Das ist im weltweiten Vergleich ein absoluter Spitzenwert. Schaut man sich aber Kleinkinder, also 0- bis 3-Jährige an, ist festzustellen, dass die frühkindliche Karies ein zunehmendes Problem darstellt. Ein besonderes Phänomen bei den 0- bis 3-Jährigen ist die sog. Nuckelflaschenkaries. Ursache ist der regelmäßige und lange Gebrauch der Nuckelflasche mit gesüßten oder fruchtsäurehaltigen Getränken. Oft werden diese Getränke den Kindern zur Selbstbedienung auch in der Nacht als Durstlöscher überlassen. Folgen sind bereits in dieser Altersphase tiefgreifende Zerstörungen, insbesondere der oberen Frontzähne. Nicht selten führen diese Zerstörungen zu massiven Beschwerden und nachfolgend aufwendigen Zahnentfernungen unter Vollnarkose.

Neben einer suboptimalen Zahnpflege spielt eine falsche Ernährung, vor allen Dingen der häufige Verzehr zuckerhaltiger Nahrung und Getränke zwischen den Hauptmahlzeiten, die wichtigste Rolle für die Entstehung von Zahnerkrankungen.

Mit einem jährlichen Zuckerverbrauch von gegenwärtig 33 Kilogramm pro Kopf liegen wir in Deutschland mehr als 10 Kilogramm über den Ernährungsempfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Zuckeranteilreduktion in der Nahrung. Die WHO empfiehlt, weniger als 10 Prozent der täglichen Energiezufuhr aus Zucker zu decken. Das entspricht 50 Gramm Zucker. In einer neuen Richtlinie wird sogar über eine Senkung des Wertes auf 5 Prozent diskutiert. Das heißt also: Neben einer allgemein notwendigen Senkung der Zuckeraufnahme geht es bei der Kariesvermeidung vor allem darum, süße Zwischenmahlzeiten und Getränke zu reduzieren. Denn: Je häufiger Zucker zugeführt wird, desto größer ist das Kariesrisiko.

Es ist die Kombination einer ausgewogenen und mundgesunden Ernährung und risikoarmer Lebensstile, die zukünftig in Kooperation mit den entsprechenden Partnern (Ministerien, Kommunen, Medizin, Hebammen, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Drogenbeauftragte, soziale Hilfen, Schulen, Kitas, Medien etc.) verstärkt öffentlichkeitswirksam vermittelt werden müssen.

Was in frühester Kindheit an unausgewogenen Ernährungsgewohnheiten erlernt wird, setzt sich leider häufig über das Jugend- und Erwachsenenalter fort. Unser Ziel muss es deshalb sein, so früh wie möglich auf die Gefahren einer Fehlernährung für die (Mund-)Gesundheit aufmerksam zu machen. Kein Zuckerverzicht, sondern Zuckerreduktion und Senkung der Frequenzen der Aufnahme von Zucker sind realistisch umsetzbar. Im Übrigen gibt es sogar zahnfreundliche Süßigkeiten oder Kindertees. Die Verfügbarkeit von Zucker hat einen großen Einfluss auf die Karieshäufigkeit. Generell kann man sagen, dass gesünder lebende Gesellschaften eine niedrigere Kariesprävalenz besitzen. Mit wenigen, einfachen Maßnahmen können Eltern viel zu einer mundgesunden Ernährung ihrer Kinder beitragen:

  • Keine zucker- oder säurehaltigen Getränke in der Saugerflasche verwenden.
  • Auf eine ausgewogene und abwechslungsreiche Familienernährung mit reichlich Getränken (am besten Wasser oder andere ungesüßte/zuckerfreie Getränke wie Früchte- oder Kräutertees), reichlich pflanzlichen Lebensmitteln, mäßigen Mengen an tierischen Lebensmitteln und wenig Zucker und Süßigkeiten, Salz sowie Fette achten.
  • Zuckerhaltige Zwischenmahlzeiten vermeiden.
  • Entweder fluoridiertes Speisesalz oder Fluoridtabletten verwenden.
  • Regelmäßige Mundhygiene mit fluoridhaltiger Zahnpasta vom ersten Zahn an.
  • Regelmäßige Besuche – mindestens einmal im Jahr – mit dem Kind beim Zahnarzt, beginnend im 1. Lebensjahr. Der Zahnarzt informiert über die Möglichkeiten der Individualprophylaxe. Sie beinhaltet neben einer Unterweisung in häuslicher Mundhygiene und der richtigen Ernährung auch den Gebrauch von Fluoriden sowie eine gründliche Reinigung schwer zugänglicher Bereiche der Zähne.

Statement anlässlich der foodwatch Pressekonferenz am 25. September 2014 in Berlin, Prof. Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer (2000 - 2021)

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