Steigerungssatz gemäß § 5 GOZ


Ausschuss Gebührenrecht der Bundeszahnärztekammer


§ 15 ZHG

Die Bundesregierung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Entgelte für zahnärztliche Tätigkeit in einer Gebührenordnung zu regeln. In dieser Gebührenordnung sind Mindest- und Höchstsätze für die zahnärztlichen Leistungen festzusetzen. Dabei ist den berechtigten Interessen der Zahnärzte und der zur Zahlung der Entgelte Verpflichteten Rechnung zu tragen.

§ 3a Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG)

Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln, und der Verstoß geeignet ist, die Interessen von Verbrauchern, sonstigen Marktteilnehmern oder Mitbewerbern spürbar zu beeinträchtigen.

§ 1 Abs. 1 GOZ

Die Vergütungen für die beruflichen Leistungen der Zahnärzte bestimmen sich nach dieser Verordnung, soweit nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.

§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V

Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen.

§ 5 GOZ

(1) Die Höhe der einzelnen Gebühr bemisst sich nach dem Einfachen bis dreieinhalbfachen des Gebührensatzes. Gebührensatz ist der Betrag, der sich ergibt, wenn die Punktzahl der einzelnen Leistung des Gebührenverzeichnisses mit dem Punktwert vervielfacht wird. Der Punktwert beträgt 5,62421 Cent. Bei der Bemessung von Gebühren sind sich ergebende Bruchteile eines Cents unter 0,5 abzurunden und Bruchteile von 0,5 und mehr aufzurunden; die Rundung ist erst nach der Multiplikation mit dem Steigerungsfaktor nach Satz 1 vorzunehmen.

(2) Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Schwierigkeit der einzelnen Leistung kann auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein. Bemessungskriterien, die bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind, haben hierbei außer Betracht zu bleiben. Der 2,3fache Gebührensatz bildet die nach Schwierigkeit und Zeitaufwand durchschnittliche Leistung ab; ein Überschreiten dieses Gebührensatzes ist nur zulässig, wenn Besonderheiten der in Satz 1 genannten Bemessungskriterien dies rechtfertigen; Leistungen mit unterdurchschnittlichem Schwierigkeitsgrad oder Zeitaufwand sind mit einem niedrigeren Gebührensatz zu berechnen.


I.

§ 15 Satz 1 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) ermächtigt die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates eine zahnärztliche Gebührenordnung (GOZ) zu erlassen.
Als Marktverhaltensregel im Sinne des § 3a UWG ist die GOZ unabdingbare Grundlage der Bestimmung und Rechnungslegung zahnärztlicher Vergütungen, sofern nicht durch Bundesgesetz etwas anderes bestimmt ist.
Eine solche Ausnahme bildet auf Grundlage § 87 des Sozialgesetzbuches V (SGB V) der Bewertungsmaßstab zahnärztlicher Leistungen (BEMA) im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung.

§ 15 Satz 2 ZHG verpflichtet die Bundesregierung, in der GOZ nicht starre Gebühren, sondern einen Gebührenrahmen mit Mindest- und Höchstsätzen festzulegen. Diese gesetzliche Regelung berücksichtigt, dass trotz der Dotierung der einzelnen Leistung mit einer zugeordneten Punktzahl in Anwendung des Steigerungssatzes die zahnärztliche Gebühr individuell bemessen werden soll und kann.
Gemäß § 5 Abs. 1 GOZ erstreckt sich die Gebührenspanne ohne gesonderte Vereinbarung vom 1,0- bis zum 3,5-fachen des Gebührensatzes der jeweiligen Leistung.


II.

§ 5 Abs. 2 GOZ gibt vor, anhand welcher Kriterien unter gebührenrechtlichen Aspekten der Steigerungssatz zutreffend zu ermitteln ist: Schwierigkeit, Zeitaufwand und sonstige Umstände.
Klarstellend findet sich die Formulierung, wonach der 2,3-fache Steigerungssatz hierbei eine Leistung durchschnittlicher Schwierigkeit und durchschnittlichen Zeitaufwandes abbildet.

Diese Bestimmung folgt der üblichen Abrechnungspraxis und zuvor ergangener Rechtsprechung (Amtliche Begründung zur Novellierung der GOZ, Bundesratsdrucksache 566/11 vom 21.09.2011, S. 49).

Der BGH (Az.: III ZR 54/07 vom 8.11.2007) hat in diesem Zusammenhang entschieden, dass ein behandelnder Arzt das ihm vom Verordnungsgeber zugestandene Recht zur Bemessung der Gebühr nicht verletze, wenn er durchschnittlich schwierige und zeitaufwändige ärztliche Leistungen mit dem 2,3-fachen Steigerungssatz der GOÄ (1,8-facher Steigerungssatz bei reduziertem Gebührenrahmen) berechne.

Im selben Sinn hat das OVG Sachsen (Az.: 2 A 86/08 vom 01.04.2009) hierzu festgestellt, dass „die ‘normal’ schwierige oder zeitaufwendige Leistung, die noch nicht durch Besonderheiten gekennzeichnet ist, mit dem 2,3fachen zu bewerten ist; ...“.


III.

Die in § 5 Abs. 2 Satz 2 GOZ enthaltene Bestimmung, der zufolge die Schwierigkeit der einzelnen Leistung „auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalls“ begründet sein kann, belegt, dass ebenso andere, z.B. verfahrensbezogene Aspekte in die Findung der Gebührenhöhe einzubeziehen sind.

Das bestätigt die Amtliche Begründung (Bundesratsdrucksache 276/87 vom 21.09.1987, S. 65/66) zu § 4 Abs. 2 der am 01.01.1988 in Kraft getretenen GOZ:

„... Von der Abrechnung ausgeschlossen sind danach Leistungen, die sich lediglich als eine besondere Ausführung einer im Gebührenverzeichnis aufgeführten Leistung darstellen, wie z. B. Lichthärtungsverfahren oder Schmelzätzungen, ... oder die Verwendung neuer Implantatarten oder komplizierter Artikulatoren. ...Für die selbständige Abrechnung solcher Leistungen besteht kein Bedürfnis,weil den Besonderheiten bei der Ausführung bereits durch die Anwendung der allgemeinen Bemessungskriterien nach § 5 Abs. 2 hinreichend Rechnung getragen werden kann. Insoweit handelt es sich nicht um selbständige zahnärztliche Leistungen im Sinne des Satzes 1.“

Dieser Auslegung folgt auch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) Baden-Württemberg (Az.: 4 S 2084/91 vom 17.09.1992) und die revisionszurückweisende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Az.: 2 C 12.93 vom 17.02.1994).

In der Urteilsbegründung des VGH Baden-Württemberg wird sehr dezidiert ausgeführt:

„Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts (Vorinstanz, Anm. d. Verf.) und des Beklagten können im Rahmen der Gebührenbemessung nach § 5 Abs. 2 GOZ nicht nur ‘patientenbezogene‘ Umstände Berücksichtigung finden, sondern auch Besonderheiten des angewandten Verfahrens, soweit diese nicht bereits in der Leistungsbeschreibung berücksichtigt worden sind (§ 5 Abs. 2 Satz 3 GOZ).

§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ bezieht die Bemessungskriterien der Schwierigkeit, des Zeitaufwandes und der Umstände auf die ‘einzelne Leistung‘. Die Gebührenbemessung ist damit leistungsbezogen, nicht personenbezogen. Darüber, worin die Schwierigkeit, der Zeitaufwand und die Umstände der einzelnen Leistung ihre Ursache haben, sagt die GOZ nur insoweit etwas aus, als sie in § 5 Abs. 2 Satz 2 regelt, dass die Schwierigkeit der einzelnen Leistung auch durch die Schwierigkeit des Krankheitsfalles begründet sein kann. Das lässt (zumindest auch) die Berücksichtigung personenbezogener Umstände zu. Hieraus kann indessen nicht geschlossen werden, dass nur personenbezogene Umstände berücksichtigt werden dürfen. Ein solcher Schluss kann auch nicht aus der Bezogenheit auf die ‘einzelne‘ Leistung gezogen werden. Auch soweit es um die Anwendung bestimmter zahnärztlicher Techniken oder Zusatzleistungen geht, wird die einzelne Leistung in den Blick genommen. Dass es sich um eine Vielzahl von Einzelfällen handelt, nämlich die Gesamtheit der Fälle der Anwendung dieser bestimmten Technik oder Zusatzleistung, ändert daran grundsätzlich nichts. Die GOZ enthält demnach nach ihrem Wortlaut keinen Anhaltspunkt dafür, dass nur personenbezogene Umstände als Bemessungskriterien in Betracht kommen.“


IV.

§ 5 Abs. 2 Satz 1 GOZ verpflichtet den Zahnarzt, die Gebühr nach „billigem Ermessen“ zu bestimmen. Für diesen Begriff existiert keine Legaldefinition, er ist dahingehend auszulegen, dass durch Anwendung des Steigerungssatzes ein angemessenes Verhältnis zwischen erbrachter Leistung und der hierfür berechneten  Vergütung herzustellen ist.

Unterstellt wird bei der Bemessung des Steigerungssatzes die fachliche Qualifikation und berufliche Erfahrung des Zahnarztes, die es ihm gestattet, vom Durchschnitt abweichendes Leistungsgeschehen zu erkennen und zu bewerten.

Aufgrund der rechtlichen Unbestimmtheit des Begriffs gibt es allerdings nicht nur eine „richtige“ Gebührenhöhe, sondern dem Zahnarzt ist ein Ermessensspielraum zuzugestehen.


V.

Alle Bemessungskriterien sind in einer Art Gesamtbetrachtung in die Gebührenfindung mit einzubeziehen, die Übergänge zwischen den Kriterien sind fließend, eine erhöhte Schwierigkeit z.B. kann auch einen erhöhten Zeitaufwand zur Folge haben.

Aspekte, die bereits in der Leistungsbeschreibung der betreffenden Gebührennummer Berücksichtigung gefunden haben, dürfen die Auswahl des Steigerungssatzes nicht beeinflussen.

Den Bewertungen der Leistungen zum 2,3fachen Steigerungssatz liegen typisierte, modellhafte Vorstellungen der Leistungsbeschreibung zugrunde. Diese standardisierte zahnärztliche Vergütung ist anhand der Kriterien zu modifizieren:

Die „Schwierigkeit“ hebt ab auf die durch die Leistungserbringung verursachte intellektuelle, konzentrative, mentale und auch körperliche Belastung des Zahnarztes. Ursache kann sowohl ein komplexer klinischer Befund als auch die Schwierigkeit des angewandten Verfahrens sein.

Die „Schwierigkeit des Krankheitsfalles“ gestattet es, auch Aspekte, die im allgemeinen Gesundheitszustand des Patienten begründet sind, in die Bemessung der Gebühr einzubeziehen, wenn dies Auswirkungen auf die konkrete Leistungserbringung hat. Beispielhaft sind zu nennen Grunderkrankungen oder mangelnde Compliance des Patienten.

Das Kriterium „Zeitaufwand“ setzt die Leistungserbringung ins Verhältnis zu der hierfür vom Zahnarzt benötigten Zeit, und damit mittelbar auch zu den Betriebskosten der Praxis je Zeiteinheit. Auch dieses Kriterium kann sowohl durch das Krankheitsbild als auch durch ein besonders zeitaufwändiges Verfahren beeinflusst werden.

„Umstände bei der Ausführung“ stellen eine Art Auffangtatbestand dar. Darunter lassen sich Sachverhalte subsummieren, die nicht unmittelbar der Leistungserbringung zuzuordnen sind, aber dennoch Einfluss auf diese haben.

Zu denken ist z.B. an Verständigungsschwierigkeiten, Behandlungen zur Unzeit oder an Unfallorten. Auch eine potentiell hohe Infektiosität des Patientenklientels beeinflusst die Vornahme jeder einzelnen, mit körperlicher Nähe verbundenen Leistung.


VI.

§ 5 Abs. 2 GOZ verpflichtet und berechtigt den Zahnarzt zur sachgerechten Anwendung des Steigerungssatzes, d.h., dass die durchgängige Anwendung des z.B. 2,3-fachen Steigerungssatzes bei allen erbrachten Leistungen losgelöst von den vorstehend beschriebenen Bemessungskriterien, einerseits gegen gebührenrechtliche Bestimmungen verstößt und der Zahnarzt sich andererseits der Möglichkeit begibt, eine der Leistung adäquate Vergütung zu erhalten.

Bei der Bemessung von Gebühren der GOZ sind die höchstrichterlichen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (Az.: 1437/02 vom 25.10.2004) maßgeblich:

„Für überdurchschnittliche Fälle steht nur der Rahmen zwischen 2,4 und 3,5 zur Verfügung, weil ein Absinken unter die Honorierung, die auch die gesetzliche Krankenversicherung zur Verfügung stellt (nämlich den 2,3-fachen Satz), wohl kaum noch als angemessen zu bezeichnen ist... Es besteht auch nicht etwa dieselbe Interessenlage wie im System der gesetzlichen Krankenversicherung... Die gesetzliche Krankenversicherung stellt auch nur Standard-Leistungen als notwendig und geschuldet zur Verfügung.“


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