Rede Branchentreff des Bundesverbands Dentalhandel


Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren,
...,
zu allererst möchte ich mich für die Einladung zum Branchentreff des Bundesverbands Dentalhandel und die damit verbundene Gelegenheit, ein paar Worte an Sie zu richten, sehr herzlich bedanken. Die Einladung zeigt den Zusammenhalt und die gute Zusammenarbeit in der „Dentalfamilie“ aus Unternehmen, Verbänden, Zahnärzten, Dentallaboren und Fachhändlern. Die Bundeszahnärztekammer und der BVD pflegen schon lange ein partnerschaftliches Verhältnis. Nicht zuletzt leistet der BVD einen wichtigen Beitrag zum Zahnärztlichen Satellitenkonto der BZÄK, einem systematischen Rechenmodell für den zahnärztlichen Sektor.

Die zahnmedizinische Versorgung „made in Germany“ ist auch deshalb so hochwertig, weil Zahnärzte, Zahntechniker und Fachhändler in engem fachlichen Austausch stehen. Durch die enge Verzahnung in der Dentalbranche haben Entwicklungen im zahnärztlichen Sektor mittelbar auch Auswirkungen auf den gesamten Dentalbereich.

Wie sehr wir voneinander abhängig, oder besser ausgedrückt – aufeinander angewiesen sind, hat die Corona-Pandemie nachdrücklich bewiesen. Der vor allem zu Beginn eklatante Mangel an persönlicher Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel hat die Aufrechterhaltung der zahnärztlichen Versorgung der Bevölkerung deutlich erschwert. Hier nochmal ein großer Dank an den BVD, der alles unternommen hat, um die Zahnärztinnen und Zahnärzte mit den notwendigen Materialien zu versorgen!

Aus Krisen lassen sich aber immer auch Lehren ziehen. In diesem Fall – dass wir uns nicht zu sehr auf Materialien aus Asien verlassen sollten. Das gilt im Übrigen auch für Medikamente. Denn wenn hier die Lieferketten einmal unterbrochen sind, sitzen wir in Europa schnell auf dem Trockenen. Ob diese Botschaft jedoch auch von der Politik verstanden worden ist, scheint derzeit unklar zu sein. Es erscheint unklar, ob die angekündigten Pläne zum Auf- und Ausbauheimischer bzw. europäischer Produktionen notwendiger medizinischer Güter auch über die aktuelle Krisenzeit hinaus weiter gestärkt wird.

Denn nun hat das BMG unter Prof. Lauterbach entgegen allen vorherigen Zusagen verkündet, dass für den Aufbau einer Krisenreserve kein Geld da sei. Corona auf dem Weg zur Endemie und plötzlich sind alle guten Vorsätze vergessen? Wie wenig vorausschauend kann man eigentlich Politik machen?

Sehr geehrte Damen und Herren, damit sind wir schon mittendrin in der aktuellen Gesundheitspolitik, zu der ich mir noch ein paar Vorbemerkungen erlauben möchte.

Die von Gesundheitsminister Lauterbach geplante Krankenhausreform könnte aus Sicht der BZÄK Auswirkungen haben, die weit über die Dimension der Krankenhauslandschaft hinausgehen. Vielmehr könnte sich durch diese Reform auch die gesamte Architektur der ambulanten Gesundheitsversorgung ändern. Denn wenn es laut Plänen nur noch Universitätskliniken an der Spitze und regionalversorgende Krankenhäuser eine Stufe darunter geben soll, wer kümmert sich
dann um die Nah- bzw. Grundversorgung direkt vor Ort bei den Bürgerinnen und Bürgern? In Lauterbachs Szenario spielen da vor allem kommunale Medizinische Versorgungszentren, kurz MVZ, eine möglicherweise wichtige Rolle.

Dann stellen sich aber zwei ganz praktische Fragen und Probleme:

  1. Unsere Daten zeigen, dass sich zahnärztliche MVZ – vor allem solche, die von Investoren betrieben werden – bevorzugt in Ballungsgebieten ansiedeln, um möglichst viele – und möglichst zahlungskräftige – Patientinnen und Patienten zu bekommen.
  2. Und wir können nachweisen, dass solche MVZ in einem Radius von bis zu 5 km eine Sogwirkung auf Zahnärztinnen und Zahnärzte entwickeln, die zu Lasten der Versorgung in den ländlichen Regionen gehen.
  3. Aus den Deutschen Mundgesundheitsstudien I bis V wissen wir aber, dass die Verfügbarkeit von Zahnärztinnen und Zahnärzten in der Fläche – jede 3. Arztpraxis in Deutschland ist eine Zahnarztpraxis – und der damit verbundene niedrigschwellige Zugang zu zahnärztlicher Versorgung ein Hauptgrund für die nachweislich hohe zahnärztliche Versorgungsqualität in Deutschland ist.

Was also müssten vor dem Hintergrund dieses skizzierten Szenarios die Konsequenzen generell für die Gesundheitsversorgung und speziell für die zahnärztliche Versorgung, die im Wesentlichen durch die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen erbracht wird, sein?

Es kann nur auf eine Stärkung der ambulanten Nah- bzw. Grundversorger, sprich Ärztinnen und Zahnärzte in Niederlassung, hinauslaufen. Denn nur sie sind in der Fläche ausreichend vorhanden, nur sie können die Gatekeeper-Funktion übernehmen, um die Patientinnen und Patienten an Spezialisten bis hin zu den hochspezialisierten Unikliniken zu ver- und überweisen.
Steht der Hausarzt, der Hauszahnarzt, also vor dem großen Comeback? In ersten Körperschaften – so ist aktuell der Presse zu entnehmen – wird in diesem Zusammenhang z. B. über die Wiedereinführung der Bedarfszulassung mehr als laut nachgedacht.

Nun, dafür müssten erst einmal einige Bedingungen erfüllt sein. Zuvorderst bedarf es einer wirklichen, nachhaltigen und ernst gemeinten Stärkung der (zahn)ärztlichen Niederlassung durch die Politik.

Es braucht nach 35 Jahren endlich eine Punktwertanpassung in der privaten Gebührenordnung für Zahnärzte, der GOZ. In der GOZ wird die Hälfte des Praxiseinkommens erwirtschaftet. Hier mahnt die Bundeszahnärztekammer schon lange eine überfällige Novellierung an, aber in der Politik ruht still der See. Dabei wäre sie angesichts rasant steigender Energie- und Materialkosten notwendiger denn je. Zudem stehen Zahnarztpraxen auch mit großen Unternehmen und dem Öffentlichen Dienst in Konkurrenz um Personal – und können dabei oft nicht mithalten. Sie sind bei der Lohnentwicklung schlicht nicht mehr konkurrenzfähig. Durch eine GOZ-Anpassung erhielten die Praxen die notwendigen Spielräume, um Gehaltssteigerungen für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die hohen Grundkosten zu finanzieren.

Zudem braucht es eine Digitalisierung, die nicht von oben oktroyiert wird, sondern die den Behandlern und den Patientinnen und Patienten wirklich hilft. Also gerade nicht, wie es jetzt bei der gematik läuft, die zu 100 Prozent vom BMG übernommen werden soll und die Leistungserbringer zu bloßen Erfüllungsgehilfen degradiert. Wir brauchen endlich eine Digitalisierung im Gesundheitswesen, die praxisnah, bezahlbar, benutzerfreundlich und ausreichend getestet ist.

Hier lohnt sich übrigens der Blick nach Europa: Unter dem Stichwort „Europäischer Gesundheitsdatenraum“ braut sich dort etwas zusammen, dass unsere gesamte Aufmerksamkeit benötigt, sonst haben wir gematik-ähnliche Diskussionen auch bereits in Brüssel.

Es braucht außerdem Anreize, um einem drohenden Mangel an niedergelassenen Ärzten und Zahnärztinnen in ländlichen Gebieten entgegenzuwirken. Ideen gibt es einige, von einer Landarztquote an Universitäten bis zu monetären Anreizen. Diese müssen zeitnah umgesetzt bzw. verstetigt werden, sonst sind wir in nicht allzu ferner Zukunft mittendrin im Ärztemangel. Wir Zahnärzte und sicher auch die Ärzte stehen gerne für Gespräche mit der Politik bereit, welche
Maßnahmen gut und sinnvoll sind.

Und schließlich braucht es angesichts des demografischen Wandels eine gesundheitspolitische Strategie, wie mit der steigenden Zahl an hochbetagten, pflegebedürftigen und multimorbiden Patientinnen und Patienten umgegangen wird. Die BZÄK hat hierzu für den zahnmedizinischen Bereich ausführliche Vorschläge erarbeitet. Dazu zählen u.a. eine umfangreichere zahnmedizinische Betreuung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen, eine Ausweitung der zahnmedizinischen Versorgung in stationären Behinderteneinrichtungen sowie eine angepasste Vergütung von Leistungen bei Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen.

Dass wir im Gesundheitssystem eine größere Steuerung, einen besseren Einsatz der Mittel und letztlich wahrscheinlich auch eine größere Selbstbeteiligung brauchen, steht angesichts der Zahlen schon außer Frage: 2021 betrug der Bundeshaushalt rund 548 Mrd. Euro. Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen betragen alleine die Steuer- und Bundeszuschüsse zur Sozialversicherung im Jahr 2030 geschätzte 275 Mrd. Euro. Das wäre die Hälfte des jetzigen Bundeshaushalts!

Die Zukunft des Gesundheitswesens ist also herausfordernd, um das Mindeste zu sagen. Wir haben aber auch heute mit ganz konkreten Herausforderungen zu tun, die Sie, den Dentalhandel, und uns zusammen ganz besonders betreffen. Ich spreche vom neuen EU-Rechtsrahmen für Medizinprodukte (MDR). Laut diesem müssten bis spätestens Mai 2024 alle auf dem Markt befindlichen Medizinprodukte nach den neuen MDR-Vorgaben rezertifiziert werden. Ohne Rezertifizierung dürften diese danach nicht mehr in Verkehr gebracht werden – dies beträfe auch viele Dentalprodukte. Gleichzeitig gibt es noch immer nicht genügend Benannte Stellen, die die Rezertifizierung fristgerecht durchführen könnten. Die Bundeszahnärztekammer hat auf diese Probleme wiederholt hingewiesen.

Im Dezember 2022 stellte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides eine Verschiebung der MDR in Aussicht und kündigte einen entsprechenden Legislativvorschlag für Anfang 2023 an, da der Übergang zu den neuen MDR-Vorschriften viel langsamer verlief als erwartet. Diese Verschiebung ist nicht nur ein Erfolg der Warnungen der BZÄK, aber die Probleme werden damit nur ein Stück weiter nach hinten verschoben. Was wir wirklich brauchen, ist eine Revision des ganzen Prozesses und insbesondere des Zeitrahmens.

Sie sehen, es gibt genug Themen, die die Bundeszahnärztekammer derzeit umtreiben. Wir sind hier auf verschiedenen Feldern aktiv und immer auf der Suche nach schlagkräftigen Mitstreitern. Der BVD ist hier unser natürlicher Partner. Denn von einer resillienten und zukunftsfähigen Zahnmedizin profitieren Zahnärzteschaft und Dentalhandel – aber natürlich auch die Patientinnen und Patienten - gleichermaßen.

Lassen Sie uns also gerne das ein oder andere Thema im persönlichen Gespräch noch vertiefen.
Hierfür stehen der Geschäftsführende Vorstand und die Geschäftsführung der Bundeszahnärztekammer gerne jederzeit zur Verfügung!

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Für Rückfragen:
Dipl.-Des. Jette Krämer-Götte, Telefon: + 49 30 40005-150, E-Mail: presse@bzaek.de


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