Rede Neujahrsempfang von BZÄK und KZBV


Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer

Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrte Damen und Herren,

es ist mir eine große Freude, Sie im Namen der Bundeszahnärztekammer zum Neujahrsempfang von BZÄK und KZBV begrüßen zu dürfen, in einer für uns neuen Location, dem Naturkundemuseum. Und bevor jemand angesichts der Umgebung irgendwelche Prallelen zieht zwischen Zahnärzten und Dinosauriern, dem widerspreche ich schon mal präventiv!

Lassen Sie mich stellvertretend für Sie alle zunächst einige herausgehobene Gäste begrüßen – ich bitte um Ihren Applaus dann am Ende!

Quasi stellvertretend für die vielen bekannten Gesichter darf ich zunächst die Stellv. Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit, Kirsten Kappert-Gonther, und die Parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Bundestagsfraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, begrüßen. Ich begrüße natürlich auch Sie alle, sehr verehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages.

Für den Gemeinsamen Bundesausschuss begrüße ich stellvertretend den unparteiischen Vorsitzenden Herrn Prof. Hecken.

Für die Bundesländer darf ich ganz herzlich Frau Ministerin Nonnemacher sowie Frau Senatorin Cyborra begrüßen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus den Kammern, K(Z)Ven und Verbänden,
verehrte Gäste, guten Abend!

Wir leben in unruhigen Zeiten: Laut jüngsten Umfragen kommen die drei Ampelparteien im bald landtagswählenden Sachsen nur auf einstellige Werte, es führt die AfD, deren Landesverband als „gesichert rechtsextremistisch“ gilt. In Thüringen sieht es ähnlich aus. Dazu kommen Berichte über Geheimtreffen, auf denen über Massendeportationen fantasiert wird. Kleiner Hinweis aus zahnärztlicher Sicht zu solch wirren Plänen: wir brauchen unsere Kolleginnen, Kollegen und ZFAs mit Migrationshintergrund. Bei den Zahnärzten haben nämlich 7,5 Prozent ausschließlich eine nichtdeutsche Staatsbürgerschaft, bei den ZFA-Ausbildungsanfängerinnen sogar 38 Prozent. Sie sind tragende Säulen unseres Gesundheitssystems!

Man bekommt den Eindruck, dass etwas ins Rutschen kommt in unserem Land; und das macht mir Sorgen, denn es herrscht eine gefährliche Stimmung vor – eine Mischung aus Frustration und Wut, aus Sprach- und Verständnislosigkeit für das Gegenüber. Es scheint immer weniger Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in politische Entscheidungen zu geben. Die Bauernproteste sind nur das jüngste Symptom der herrschenden Unzufriedenheit.

Ich verrate Ihnen sicher kein Geheimnis, wenn ich Ihnen sage, dass auch bei den ärztlichen und zahnärztlichen Kolleginnen und Kollegen die Stimmungslage schlecht ist, und zwar richtig schlecht. Sie beklagen zurecht eine komplette Vernachlässigung der ambulanten (zahn-)ärztlichen Versorgung, einen Fokus auf Krankenhäuser und unnötige Leuchtturmprojekte wie die Etablierung von Gesundheitskiosken. Diese schlechte Stimmung schlug sich zwischen den Jahren in aus Protest geschlossenen Praxen nieder.

Beim Krisengipfel von Ärztevertretern mit dem Bundesgesundheitsminister gab es dann zumindest ein positives Signal mit der Entbudgetierung der Hausärzte. Das kann aber nur ein erster Schritt sein, denn wir brauchen eine weitere Entbudgetierung, nicht zuletzt im zahnärztlichen Bereich, da v.a. die PAR-Strecke völlig unterfinanziert ist. Bei einem Minister, der sich auf die Fahnen geschrieben hat, der „Lobbyist für die Patientinnen und Patienten“ zu sein, ist das schwer zu verstehen.

Ja, alle müssen sparen – aber doch nicht bei einer Leistung, die a) völlig neu ist, b) Konsens bei allen Beteiligten im G-BA hatte, und c) vor weiteren, assoziierten Erkrankungen schützen kann, etwa unerwünschten Schwangerschaftsereignissen, Wechselwirkungen zu Diabetes, Demenz und auch Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

Passenderweise arbeitet das BMG gerade ein Gesetz aus, das zum Ziel hat, eine bessere Vorsorge und Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sowie gezielte Interventionen bereitzustellen. Es ist unverzichtbar, hier auch die Zahnärzteschaft einzubeziehen. Denn wie schon gesagt, gibt es Wechselwirkungen zwischen einer Parodontitis und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Deshalb hat die BZÄK ihre Paro-Aufklärungskampagne auch „Gesund ab Mund“ genannt, weil Allgemeingesundheit und Mundgesundheit eng zusammenhängen.

Der Referentenentwurf des Gesetzes wird im 1. Quartal 2024 erwartet. Ein Positionspapier der Bundeszahnärztekammer dazu liegt bereits im BMG. Die hier anwesende Frau Aschenberg-Dugnus hat auch schon mit mir darüber gesprochen. Es ist unverständlich, dass es mit dem BMG selbst hierzu noch keine Gespräche gab.

Im Koalitionsvertrag steht auch das Stichwort „Alterszahngesundheit“. Wir haben hier vorgelegt und bei einem Frühstücksgespräch mit unter anderem Ihnen, Herr Prof. Grau und Herr Monstadt, über das Thema Mundgesundheit in der Pflege gesprochen. Das dabei vorgestellte Schnittstellenpapier von BZÄK und Deutschem Pflegerat hat eine bessere Versorgung der Pflegebedürftigen zum Ziel, indem alle Pflege-Settings in den Blick genommen werden, gerade auch der ambulante Bereich sowie die nach wie vor unbefriedigende zahnärztlich veranlasste Behandlung in Vollnarkose. Das BMG müsste also nur noch zugreifen!

Und – um nochmal zur Parodontitis zurückzukommen – 90 Prozent der Hochbetagen sind von Paro betroffen. Wie man hier eine bessere Behandlung gewährleisten kann? Sie ahnen es vermutlich schon: Wieder entbudgetieren!

Anrede,
eine unserer drängendsten wenn nicht die drängendste Frage ist, wie wir die zahnärztliche Berufsausübung in eigener Niederlassung zukunftsfit machen. Hierzu hat die Bundeszahnärztekammer mit ihrer „Warnemünder Erklärung“ aus dem Sommer des vergangenen Jahres erste Überlegungen formuliert.

Wir haben zum Glück noch nicht die Schwierigkeiten wie andere Arztgruppen, dass wir schon einen deutlich spürbaren Ärztemangel in bestimmten Gegenden haben. Diesen Vorsprung sollten wir nutzen.

Die inhabergeführte Zahnarztpraxis ist der Nukleus der Patientenversorgung, sie müssen wir für die Zukunft stärken. Sie ist eine kleine, schlagkräftige Einheit, nah an den Patientinnen und Patienten, mit Gestaltungs- und Entfaltungsmöglichkeiten für die Praxisinhaberinnen und -inhaber. Sie ist ein „Start up“, das sich praktisch überall gründen lässt und damit das Gegenteil der Konglomerate der investorgesteuerten Medizinischen Versorgungszentren, der iMVZ. Diese verstehen Zahnmedizin als renditebringendes Geschäft.

Kassandraartig warnen wir im Schulterschluss mit der KZBV vor den Gefahren, und nachdem einige Prophezeiungen im Ausland durch Pleiten ganzer MVZ-Ketten schon wahr wurden, dringen wir auch langsam durch. Eine aktuelle US-Studie zeigt übrigens, dass es in Private-Equity-Kliniken mehr unerwünschte Ereignisse gibt als in „normalen“ Krankenhäusern. Die Schlüsse liegen auf der Hand.

Die BZÄK ist nicht generell gegen MVZ, sondern für eine wirksame Kontrolle von Fremdkapital und –besitz in der gesundheitlichen Versorgung und dessen mögliche Auswirkungen zulasten der Patientinnen und Patienten. Gleichzeitig bedarf es einer wirklichen, nachhaltigen und ernst gemeinten Stärkung der (zahn-)ärztlichen Niederlassung durch die Politik.

Mit der „Warnemünder Erklärung“ und dem Beschluss der Bundesversammlung „Inhabergeführte, freiberufliche Praxisstrukturen stärken“ hat die BZÄK bereits die Leitplanken für dieses Thema gesetzt. Konkret will die BZÄK mit zielgerichteter Ansprache verschiedene Ebenen einbeziehen, z.B. Kommunen, Städtetag etc., um Kräfte zu bündeln. Weitere Schritte wird ein neues Beratungsgremium der BZÄK erarbeiten. Wir sind gerade gestartet und haben eine Menge großartiger Ideen. Lassen Sie uns hierzu gerne ins Gespräch kommen!

Zum Schluss möchte ich noch kurz ein Thema ansprechen, das in Deutschland ein Dauerthema ist, weil wir es im Land der unbeirrbar ratternden Faxgeräte so selten gebacken bekommen – die Digitalisierung. Digitalgesetz und Gesundheitsdatennutzungsgesetz sollen am Freitag durch den Bundesrat. Dass die Digitalisierung endlich Fahrt aufnimmt, ist an sich super, an diesen Gesetzen gab es aber viele Schwachstellen. Die BZÄK war in beiden Anhörungen vertreten – im Gesundheitsdatennutzungsgesetz ist vorgesehen, die Krankenkassen mithilfe der Abrechnungsdaten der einzelnen Versicherten deren individuelle Risiken analysieren und die Versicherten daraufhin kontaktieren können. Damit umgeht man eine potentielle Risikoanalyse durch den (Zahn-)Arzt und greift in das Arzt- Patienten-Verhältnis ein. Da schrillen bei mir die Alarmglocken! Der Zweck, unerwünschte, gefährliche Nebenwirkungen zu verhindern, ist richtig und wichtig. Aber dann ist ein Warnhinweis von der Krankenkasse an den Patienten und dies womöglich auch erst Wochen später nicht der richtige Weg. Eine Warnung direkt an die Ärztin, die auf potentielle Wechselwirkungen hinweist, und der Ärztin anzeigt, dass sie ihren Patienten auf seine anderen Medikamente ansprechen sollte, ist definitiv der bessere Weg.

Anrede,
wir leben in aufregenden, teils aufreibenden Zeiten, mit gefühlt wöchentlichen bis täglichen neuen Krisen und Hiobsbotschaften. Es bedarf einer guten Portion Resilienz und Vertrauen, dagegen anzuarbeiten. Ich bin aber optimistisch, dass wir als Demokratinnen und Demokraten genauso wie unser zahnärztlicher Berufsstand gegen die Widerstände ankommen werden.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen einen angenehmen Abend!

Ich übergebe das Wort nun an die stellvertretende Vorsitzende des Gesundheitsausschusses im Deutschen Bundestag, Dr. Kirsten Kappert-Gonther, die ich sehr herzlich begrüße!
Anschließend spricht noch der Vorsitzende des Vorstandes der KZBV, Martin Hendges.


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