1689 1690 1691 Stellungnahme | (Zahn-)Medizin | Sprechende Zahnmedizin Sprechende Zahnmedizin


Bundeszahnärztekammer


Erstellt 2016, aktualisiert 2023

Patientenorientierung

Die Entwicklungen im Gesundheitswesen zeichnen sich durch eine deutliche Patientenorientierung aus.

Die Beteiligung von Patientenvertretungen im Rahmen des gemeinsamen Bundesausschusses und die Verabschiedung eines Patientenrechtegesetzes 2013 durch den Bundestag waren erste Meilensteine. Gesundheitspolitische Entscheidungen werden ohne die Berücksichtigung der Patientenbelange nicht mehr akzeptiert.

In der Versorgungsforschung werden Therapiefolgen, wie die Patientin und der Patient sie wahrnehmen (patient-reported outcomes), erfasst. Aus Sicht der evidenzbasierten Medizin/Zahnmedizin spielen neben der externen Evidenz und der klinischen Erfahrung der behandelnden Person die Patientenpräferenzen eine maßgebliche Rolle.


Kommunikation und Aufklärung

Die Kommunikation mit Patientinnen und Patienten ist immer eine Interaktion, die nicht nur der Aufklärung dient, sondern der behandelnden Person notwendige Erkenntnisse über die Perspektive der Patientin oder des Patienten vermittelt.

Patientenorientierung prägt das Versorgungsgeschehen. Die partizipative Entscheidungsfindung (shared decision making) ist ein Grundpfeiler im komplexen Entscheidungsprozess sowohl in der ärztlichen als auch der zahnärztlichen Praxis.

Das Berufsrecht misst der Aufklärung einen hohen Stellenwert zu. Im Rahmen dieser Aufklärung hat die behandelnde Person die Patientin oder den Patienten über Befund und Diagnose, mögliche Therapie und Therapiealternativen, über Risiken der Behandlung, aber auch über Risiken einer nicht durchgeführten Behandlung sowie über die Kosten aufzuklären. Die Aufklärung bezieht sich ausdrücklich nicht nur auf Leistungen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern auch darüber hinaus.

Die Aufklärung erfolgt im Rahmen eines individuellen Gespräches. Unabhängig von den gestiegenen Gesundheitskompetenzen der Patientinnen und Patienten ist nach wie vor von einer Wissensasymmetrie zwischen der Zahnärztin oder dem Zahnarzt (als Fachkraft) und der Patientin oder dem Patienten (als Laien) auszugehen. Aufklärung bedeutet immer, Informationen patientenverständlich darzustellen. Nur auf Grundlage der ausführlichen Aufklärung kann ein informierter Konsens hergestellt werden und damit eine Behandlungseinwilligung der Patientin oder des Patienten erfolgen.


Sprechende Zahnmedizin schafft Vertrauen

Aufklärung im Rahmen des zahnärztlichen Gespräches in patientenverständlicher Sprache und mit Empathie ist eine wesentliche Grundlage für das, für den Therapieerfolg so wichtige, Vertrauensverhältnis zwischen behandelnder Person und Patientin oder Patient. Sprechende Zahnmedizin ist somit aus Sicht der Bundeszahnärztekammer nicht nur ein rechtliches Erfordernis, sondern die wesentliche Grundlage für das Vertrauensverhältnis und die Herstellung der notwendigen Compliance bzw. Adhärenz – gemeinsam mit der Patientin oder dem Patienten. Sprechende Zahnmedizin bedeutet somit, sich auf die psychische und soziale Situation einzustellen, sowie mit zielgerichteter Ansprache positiv und dauerhaft das Mundgesundheitsverhalten zu beeinflussen.


Sprechende Zahnmedizin ist erfolgreich

Exemplarisch zeigen sich die Erfolge der sprechenden Zahnmedizin in der deutlichen Verbesserung der Mundgesundheit: Sprechende Zahnmedizin steht am Anfang der Verhaltensformung und führt über mehrere Stufen zur Verhaltensbeeinflussung, welche von großer Bedeutung für die Verbesserung der Mundgesundheit ist. Dabei ist die Krankheitsvorbeugung durch ein verbessertes Mundgesundheitsverhalten auch volkswirtschaftlich sinnvoll und kostensparend.

Die individuelle Aufklärung und das beratende Gespräch haben ein hohes präventives Potential. Insbesondere im Bereich der Kariesprophylaxe ist dies über viele Jahre erfolgreich gelebt worden. Hinzu kommt die Sensibilisierung der gesundheitlichen Risikowahrnehmung in der breiten Bevölkerung. Die Ergebnisse der Fünften Deutschen Mundgesundheitsstudie  belegen den kontinuierlichen Kariesrückgang über mehrere Jahrzehnte. Zudem haben sich das mundgesundheitsbezogene Bewusstsein und das Mundgesundheitsverhalten deutlich verbessert: Im Ergebnis leben heute viele Menschen lange mit nur geringen Gesundheitseinbußen und die Krankheitslast verdichtet sich erst im hohen Alter (Morbiditätskompression). Erstmalig gehen auch die Erkrankungslasten bei den - insbesondere schweren - Parodontalerkrankungen zurück.

Mögliche Erklärungsmuster liegen im Bereich der dargestellten Forschungsergebnisse: verbessertes Mundgesundheitsverhalten, hohes mundgesundheitsbezogenes Bewusstsein, hohe Selbstwirksamkeitsüberzeugung und starke Kontrollorientierung bei der Inanspruchnahme zahnärztlicher Dienstleistungen. Heute behalten viele Personen ihre natürlichen Zähne bis ins hohe Alter. Statistisch ist weiterhin auffällig, dass, wer die PZR häufiger in Anspruch nimmt, auch seltener an Parodontitis erkrankt bzw. weniger schwere Erkrankungsformen erlebt.


Perspektiven der sprechenden Zahnheilkunde

Wir beobachten Defizite beim vorhandenen Wissen in der Bevölkerung im Bereich der Parodontalerkrankungen. Diese chronische Erkrankung in der Zahnmedizin imponiert als sog. silent disease und tritt damit in der Symptomwahrnehmung für Erkrankungsrisiken weniger in Erscheinung. Hier gilt es, zukünftig die Krankheits- bzw. Risikowahrnehmung durch weitere Aufklärung, deutlich zu erhöhen.

Die Awareness-Kampagne der Bundeszahnärztekammer zu Parodontalerkrankungen zielt darauf ab, auf der Bevölkerungsebene die Risikowahrnehmung zu erhöhen, um im individuellen Zahnarzt-Patientengespräch die Früherkennung und ggf. die notwendige Therapie einzuleiten.

Um gerade bei chronischen Erkrankungen wie Karies und Parodontitis die Compliance bzw. Adhärenz der Patientin oder des Patienten herzustellen, bedarf es einer kontinuierlichen und wiederholten Ansprache im Rahmen des vertrauensvollen zahnmedizinischen Behandlungsverhältnisses.

Es gibt Belege dafür, dass eine motivierende Gesprächsführung (motivational interviewing) bei Parodontalerkrankungen die subjektive Überzeugung fördern kann, auch selbst etwas gegen die Erkrankung und für die eigene Mundgesundheit tun zu können (Selbstwirksamkeit). Dies führt zu der Forderung, im Rahmen der systematischen Parodontaltherapie den Aufklärungs- und Gesprächsanteil zu erhöhen.


Fazit

Die derzeitigen gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen fördern leider nicht, trotz aller politischen Deklarationen über die Patienten im Gesundheitswesen, die Aspekte der Beratung und der Sprechenden Zahnmedizin. Gesprächsanteile, in denen Beratung und Motivierung erfolgen und so schließlich Compliance bzw. Adhärenz erzeugt wird, sind derzeit sowohl im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung als auch der privaten Gebührenordnung untergewichtet und unzureichend abgebildet. Hier bedarf es eines gesundheitspolitischen Richtungswechsels.

Die Bundeszahnärztekammer empfiehlt, parallel zu politischen Gesprächen, die Sprechende Zahnmedizin zu stärken, indem Erkenntnisse der Gesundheitspsychologie zur Patientenkommunikation in folgenden Bereichen implementiert werden:

  • Zahnmedizinische Aus- und Fortbildung, Berufskundevorlesung (Patientenführung)
  • Qualitätsmanagement (ZQMS)
  • Qualitätszirkel auf Länderebene
  • Veranstaltungen für junge Mitglieder, z.B. Tag der Berufseinsteiger
  • Postgraduale Qualifizierungsprogramme
  • Kommunikationstrainings / Fortbildungen / Workshops

Patientenberatung, Gutachterwesen und zahnmedizinisches Fachpersonal können dafür sensibilisiert werden, die Patientenkommunikation zu stärken.

Die Bundeszahnärztekammer hat dafür eine online-Fortbildung entwickelt: www.bzaek-teach-back.de.


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