Heil- und Kostenplan keine Voraussetzung für Vergütungsanspruch

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Information über die voraussichtlichen Kosten ist grundsätzlich nur erforderlich, wenn Kenntnis davon besteht, dass Kostenübernahme nicht gewährleistet ist. Umfang der Aufklärungspflichten.

Urteilstext


Tenor

 

Die Berufung des Beklagten gegen das am 20.03.2018 verkündete Urteil des Amtsgerichts Siegburg (124 C 323/14) wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Berufung trägt der Beklagte.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 


Gründe

 

I.
Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO verzichtet. Da die Revision nicht zugelassen wurde und der für die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Beschwerdewert nicht erreicht wird, ist ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig

II.
Die Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat den Beklagten zu Recht verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von EUR 3.873,84 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.09.2014 sowie vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von EUR 5,00 zu zahlen.


1.
Der Anspruch auf Zahlung in Höhe von EUR 3.873,84 ist gemäß §§ 630a Abs. 1, 630b, 612 Abs. 2, 398 entstanden. Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang beanstandet, das Amtsgericht habe die Aussage des Zeugen Dr. … genügen lassen, obwohl der Sachverständige in seinem Gutachten ausgeführt habe, dass die tatsächliche Durchführung der paradontalchirugischen Therapie nachträglich nicht mehr feststellbar sei, ist die Kammer nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO an die Feststellungen des Amtsgerichts gebunden. Das Amtsgericht hat seine Überzeugung, dass die abgerechneten Behandlungen tatsächlich durchgeführt wurden, insbesondere in hinreichender und nachvollziehbarer Weise dargestellt. Entgegen der Auffassung des Beklagten hat das Amtsgericht auch nicht allein aus der Behandlungsbedürftigkeit auf die Durchführung der Behandlung geschlossen. Das Amtsgericht war vielmehr unter Berücksichtigung des gesamten Ergebnisses der Beweisaufnahme und der sonstigen Wahrnehmungen in der mündlichen Verhandlung von der Richtigkeit der klägerischen Behauptung, sämtliche Positionen, die in Rechnung gestellt wurden, seien auch erbracht worden, überzeugt, und hat die Aussage des Zeugen für glaubhaft erachtet. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass hier der Zedent als Zeuge vernommen wurde, weil er aufgrund der Abtretung gerade nicht Partei war. Die Abtretung hat dem Zeugen … zwar die von ihm wahrgenommene Möglichkeit verschafft, im Rechtsstreit als Zeuge aufzutreten. Das ist allerdings grundsätzlich zulässig (BGH WM 1985, 613). Es ist nicht erkennbar, dass das Amtsgericht die Interessenlage im Rahmen der Vernehmung des Zeugen nicht angemessen berücksichtigt hat. Es liegen zudem keine der möglichen Ausnahmen von dem Grundsatz vor, dass dem Zedenten die Zeugenstellung durch Abtretung verschafft werden kann. Dies wäre allenfalls dann der Fall, wenn die Einräumung der Zeugenstellung allein den Zweck verfolgt, dass der Zedent in dieser Eigenschaft die Unwahrheit sagen kann oder wenn ein Tausch der Parteirolle der Erlangung von Prozesskostenhilfe dienen soll (BGH WM 1976, 424). Eine solche oder vergleichbare Ausnahmesituation liegt aber nicht vor.

Vor diesem Hintergrund oblag es dem Beklagten, die Beweisführung zu erschüttern. Hieran fehlt es vorliegend, weil der Beklagte lediglich behauptet hat, die Leistungen seien nicht erbracht worden. Soweit der Beklagte behauptet, die Wurzelkanalbehandlung hätte durch den Sachverständigen festgestellt werden müssen, verkennt er, dass der Gutachter nur ausgeführt hat, eine nachträgliche Feststellung sei ihm nicht mehr möglich. Es liegt deshalb kein non liquet vor. Aus der Behauptung, der Zedent habe keine örtliche Betäubung vorgenommen, lässt sich darüber hinaus nicht darauf schließen, dass eine Behandlung nicht stattgefunden hat, weil eine solche nach den Feststellungen des Amtsgerichts auch ohne örtliche Betäubung durchgeführt werden konnte. Damit liegen entgegen der Auffassung des Beklagten insgesamt keine konkreten Anhaltspunkte im Sinne des § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO vor, die eine erneute Feststellung gebieten würden. Bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte begründen grundsätzlich keine erneute Feststellungen (vgl. BGHZ 164, 330, 332).

2.
Dem Vergütungsanspruch steht nicht entgegen, dass der Zedent keinen Heil- und Kostenplan erstellt hat. Nach § 630c Abs. 3 S. 1 BGB muss der Behandelnde nur dann über die voraussichtlichen Kosten der Behandlung in Textform informieren, wenn er weiß, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert ist oder sich nach den Umständen hierfür hinreichende Anhaltspunkte ergeben. Die Informationspflicht setzt mithin voraus, dass der Behandelnde positive Kenntnis von der fehlenden kompletten Kostendeckung der Behandlung hat. Der positiven Kenntnis steht es gleich, wenn sich aus den Umständen hinreichende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten, in der Regel die Krankenkasse, nicht gesichert ist, d.h. begründete Zweifel hieran bestehen. Maßgebend ist allein die Praxis der Krankenkasse, nicht jedoch ob die fehlende Kostenübernahme durch die Krankenkasse auch objektiv berechtigt ist (K. Schmidt in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 630c BGB, Rn. 31). Der Beklagte ist bei der U versichert und nimmt „am Kostenerstattungsverfahren“ teil. Hieraus folgt indes nicht, dass der Zedent Kenntnis davon hatte, dass eine vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch einen Dritten nicht gesichert war. Selbst wenn der Zedent Kenntnis hätte haben müssen, hätte er zwar die voraussichtliche Höhe der Behandlungskosten beziffern müssen. Die Informationspflicht stellt eine vertragliche Nebenpflicht dar, so dass bei einem schuldhaften Verstoß hiergegen dem Beklagten ein Schadensersatzanspruch zustehen kann, den er dem Anspruch des Behandelnden auf Bezahlung der Kosten entgegenhalten kann. Der Höhe nach handelt es sich hierbei allerdings um die bei erfolgter Information vermeidbaren Mehrkosten. Der Beklagte hat jedoch keine Mehrkosten geltend gemacht mit der Folge, dass der fehlende Heil- und Kostenplan der Klageforderung nicht entgegensteht. Schließlich hat der Beklagte auch nicht dargetan, dass die Kosten von seiner Krankenversicherung nicht getragen werden. Der Beklagte hat nichts dazu vorgetragen, welchen Ersatz er von seiner Krankenkasse für die Rechnungen erlangt hat, deren Begleichung er nunmehr ablehnt.

3.
Soweit der Beklagte geltend macht, er sei über „den Eingriff“ nicht hinreichend aufgeklärt worden, ist der Behandelnde gemäß § 630e BGB zwar verpflichtet, dem Patienten in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen. Dem Patienten ist daher durch die vor jedem ärztlichen Eingriff zu erfolgende Aufklärung eine allgemeine Vorstellung von der Art und dem Schweregrad der in Betracht stehenden Behandlung sowie den damit verbundenen Belastungen und Risiken zu vermitteln. Dabei ist zunächst über die Art der konkreten Behandlung und deren Tragweite aufzuklären (Behandlungsaufklärung) sowie über die mit der fehlerfreien medizinischen Behandlung verbundenen und dem Eingriff spezifisch anhaftenden Risiken, die bei ihrer Verwirklichung für die Lebensführung des Patienten von Bedeutung sind (Risikoaufklärung). Zu der Behandlungsaufklärung gehört auch, dass der Arzt dem Patienten Kenntnis von Behandlungsalternativen verschaffen muss, wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich primär Sache des Arztes. Er muss dem Patienten daher im Allgemeinen nicht ungefragt erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert aber eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gleichwertige Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die zu jeweils unterschiedlichen Belastungen des Patienten führen oder unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen bieten. Dem Patienten muss in diesem Fall nach entsprechend vollständiger ärztlicher Aufklärung die Entscheidung überlassen bleiben, auf welchem Wege die Behandlung erfolgen soll und auf welches Risiko er sich einlassen will (OLG Karlsruhe, Urteil vom 27. Juni 2012 – 7 U 116/11 –, Rn. 14, juris). Soweit der Beklagte in diesem Zusammenhang geltend macht, er sei nicht aufgeklärt worden, hat er bereits keinen Entscheidungskonflikt dargelegt. Da es sich insoweit zwar um den Einwand rechtmäßigen Alternativverhaltens bzw. hypothetischer Kausalität handelt, trägt die Klägerin zwar die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Beklagte sich auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung zu der Behandlung entschlossen hätte. An den Nachweis dieser Behauptung sind zudem strenge Anforderungen zu stellen, damit nicht auf diesem Wege das Aufklärungsrecht des Patienten unterlaufen wird. Allerdings trifft den Arzt diese Beweislast erst dann, wenn der Patient zur Überzeugung des Gerichts plausibel macht, dass er – wären ihm die Risiken des Eingriffs verdeutlicht worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte. Die Substantiierungspflicht des Patienten beschränkt sich dabei auf die Darlegung des Entscheidungskonflikts, in den er bei erfolgter Aufklärung geraten wäre. Hieran fehlt es vorliegend, so dass keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, wie sich der Beklagte bei einer Aufklärung über die Behandlung verhalten hätte. Ein Schadensersatzanspruch kommt jedoch nur dann in Betracht, wenn der Patient bei einer zutreffenden Beratung die Behandlung nicht oder anders in Anspruch genommen hätte.


4.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kommt es nicht darauf an, ob die Voraussetzungen einer Aufrechnung vorliegen. Nach ständiger Rechtsprechung entfällt zwar der zahnärztliche Vergütungsanspruch, wenn und soweit die Behandlung für den Patienten völlig unbrauchbar ist, § 628 Abs. 1 S. 2 BGB (siehe dazu nur: OLG Hamm, Urteil vom 05. September 2014 - I-26 U 21/13 -, Rn. 19, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 13. Juli 2016 - I-18 U 95/15 -, Rn. 20, juris; LG Münster, Urteil vom 26. April 2018 – 111 O 5/16 –, Rn. 21, juris). Der Beklagte hat aber mit der Berufungsbegründung keinen konkreten Behandlungsfehler gerügt, sondern lediglich allgemein behauptet, die Leistung sei „untauglich“ gewesen und eine Aussage über die „Qualität der Durchführung“ sei nicht gegeben.

5.
Die Nebenforderungen sind von dem Beklagten mit der Berufung bereits nicht angegriffen worden. Im Übrigen ergibt sich der Zinsanspruch sowie der Anspruch auf Zahlung der vorgerichtlichen Mahnkosten aus §§ 280 Abs. 1 und 2, 286, 288 BGB.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Entgegen der Auffassung des Beklagten war die Kostenentscheidung des Amtsgerichts nicht abzuändern, weil weder die Zuvielforderung noch die Mehrkosten über 10% liegen. Nach § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO müssen sowohl die Zuvielforderung als auch die Mehrkosten mindestens unter 10 % liegen (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 92 ZPO, Rn. 10). Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor, so dass die Entscheidung des Amtsgerichts auch vor diesem Hintergrund keinen Bedenken unterliegt.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

IV.
Für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO besteht keine Veranlassung. Die Sache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf EUR 3.873,84 festgesetzt.

 

 


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