Eingliederung von Klebebrackets

Gericht: Verwaltungsgericht Chemnitz | Aktenzeichen: 3 K 2206/14 | Dokumententyp: Urteil | Rechtskraft: unbekannt
Gebührennummern: 2197, 6100

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Bei Eingliederung von Klebebrackets mittels Adhäsionstechnik können neben der Gebührennummer 6100 auch Leistungen nach Gebührennummer 2197 berechnet werden.

Urteilstext


Tenor

Der Bescheid des Beklagten vom 28.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2014 wird aufgehoben, soweit er die Beihilfefähigkeit der Abrechnung der GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 ablehnt. Der Beklagte wird verpflichtet, die Abrechnung der GOZ Nr. 2197 neben der GOZ Nr. 6100 anzuerkennen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Die Berufung wird zugelassen.


Tatbestand

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Beihilfen für die kieferorthopädische Behandlung ihres minderjährigen Sohnes. Eine Übernahme der Kosten hinsichtlich der Eingliederung von Klebebrackets mittels Adhäsivtechnik ist lediglich für Aufwendungen nach Gebührenordnung der Zahnärzte GOZ Nr. 6100 als beihilfefähig anerkannt worden, während zusätzliche Aufwendungen nach GOZ Nr. 2197 abgelehnt wurden.

Im Dezember 2013 wurde für den im Jahr 2002 geborenen Sohn der Klägerin ein kieferorthopädischer Behandlungsplan erstellt, welcher unter anderem die "Eingliederung eines Klebebrackets Anzahl 28 Faktor 2,3 EUR 597,52" und "Eingliederung eines Klebebrackets Lingualer Kleberetainer Anzahl 6 Faktor 3,0 EUR 167,04" nach GOZ Nr. 6100 sowie "Adhäsive Befestigung Anzahl 26 Faktor 2,3 EUR 437,32" nach GOZ Nr. 2197 vorsah. Dieser Plan wurde von der Klägerin mit Schreiben vom 10.01.2014 bei dem Beklagten eingereicht mit der Bitte um Mitteilung der beihilfefähigen Beträge und um Mitteilung der Voraussetzung für eine Kostenerstattung hinsichtlich der zu leistenden Abschlagszahlungen.

Der Klägerin wurden seitens des Beklagten mit Schreiben vom 28.01.2014 die jeweils gültigen Schwellenwerte für die Gebühren der zahnärztlichen Behandlung mitgeteilt. Ein Ansatz der GOZ Nr. 2197 neben der GOZ Nr. 6100 als Leistungsposition für eine adhäsive Befestigung der Klebebrackets sei nicht berechnungs- und damit nicht beihilfefähig. Die GOZ spreche zwar nur von "Klebebrackets" und nicht von "adhäsiv befestigten Brackets", jedoch würden diese Begriffe synonym verwendet. Daher könne für Klebebrackets die GOZ Nr. 2197 für die adhäsive Befestigung nicht zusätzlich berechnet werden, da das "Kleben" Bestandteil der Leistung nach GOZ Nr. 6100 sei.

Mit E-Mail vom 08.02.2014, von dem Beklagten als Widerspruch gewertet, bat die Klägerin um erneute Überprüfung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Positionen. Hierzu legte die Klägerin ein Schreiben der behandelnden Kieferorthopädin bei, welche erklärte, dass bei einem Aufbringen des Brackets nach konventioneller Art lediglich die GOZ Nr. 6100 zur Anwendung komme, wenn die Brackets allerdings mittels einer chemischen Reaktion aufgebracht würden, daneben auch die GOZ Nr. 2197 abrechnungsfähig sei. Dies ergebe sich auch aus dem Kommentar der Bundeszahnärztekammer, wonach die adhäsive Befestigung der Brackets nicht von der Leistungsbeschreibung der GOZ Nr. 6100 umfasst sei.

Mit Schreiben vom 10.03.2014 erklärte der Beklagte, dass der Begriff des "Klebebrackets" zwingend voraussetze, dass das Bracket geklebt würde. Nach Darstellung der KZV Baden-Württemberg seien die Begriffe "Adhäsivtechnik" und "Klebetechnik" synonym zu verwenden. Auch wenn in der GOZ von "Klebebrackets" und nicht von "adhäsiv befestigten Brackets" die Rede sei, müsse aufgrund der Synonymie beider Begriffe davon ausgegangen werden, dass für die Klebebrackets die GOZ Nr. 2197 nicht zusätzlich berechnet werden könne. Der Klägerin wurde bis zum 08.04.2014 die Möglichkeit gegeben, den Widerspruch zurück zu nehmen.

Am 01.04.2014 teilte die Klägerin mit, dass sie ihren Widerspruch aufrecht erhalte. Der GOZ - Ausschuss der von dem Beklagten zitierten LZK Baden-Württemberg spreche mittlerweile von "einer Fehleinschätzung der erstattenden Stellen". Zudem habe das Amtsgericht Pankow/Weißensee entschieden, dass die GOZ Nr. 2197 neben der GOZ Nr. 6100 berechnungsfähig sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2014, der Klägerin zugestellt am 23.07.2014, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Nach § 10 SächsBhVO seien Aufwendungen erstattungsfähig, wenn diese aus Anlass einer Krankheit entstanden seien. Die Angemessenheit für zahnärztliche Behandlungen beurteile sich nach dem Gebührenrahmen der GOZ. GOZ Nr. 6100 umfasse das Positionieren, das Kleben von Brackets und die Überschussentfernung, dabei setze der Begriff "Klebebracket" zwingend voraus, dass das Bracket geklebt werde. In der Zahnmedizin würden die Begriffe "kleben" und "adhäsiv befestigen" synonym verwandt. Eine Befestigung mit Zement statt mittels der Adhäsivtechnik könne ebenso erfolgen, auch wenn diese Methode mangels Festigkeit der Verbindung der Brackets schon lange nicht mehr dem Stand der zahnärztlichen Wissenschaft entspreche und kaum noch praktisch angewandt werde. Durch die Verwendung des Begriffes "Klebebracket" sei die Art der Befestigung bereits vorgegeben, so dass zwischen "Kleben" und "Zementieren" zu unterscheiden sei. Beides sei unter dem Oberbegriff des "Befestigens" zu subsumieren, der Gesetzgeber habe damit schon im Wortlaut des Leistungstextes dem heutigen Stand der Kieferorthopädie Rechnung getragen. GOZ Nr. 2197 könne nie allein, sondern lediglich in Verbindung mit einer anderen Zielleistung abgerechnet werden. Mit einer Ausnahme seien alle in GOZ Nr. 2197 aufgeführten Beispiele Leistungen, die konservierend oder prothetisch erbracht würden und im Regelfall nicht durch Adhäsivtechnik. Die adhäsive Befestigung z. B. einer Krone oder eines Inlays bereite zusätzlichen zeitlichen Aufwand, der über die GOZ Nr. 2197 abgerechnet werden könne. Da es sich aber bei der Zielleistung um das Eingliedern der Brackets handele, was nach wissenschaftlichem Stand einzig durch die adhäsive Befestigung erfolge, sei eine Abrechnung der GOZ Nr. 2197 nicht möglich. Hauptleistung der GOZ Nr. 6100 sei die Befestigung der Klebebrackets. Die Tatsache, dass nach Abzug der für die GOZ Nr. 2197 vorgesehenen Punktzahl von 130 von der für die GOZ Nr. 6100 vorgesehenen Punktzahl von 165 nur noch 35 Punkte verblieben, könne nicht als Beleg für die Anwendbarkeit dienen, auch wenn für die über die Befestigung hinausgehenden Maßnahmen und Aufwände dann nur noch 35 Punkte verbleiben würden.

Am 22.08.2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Neben der Abrechnung nach GOZ Nr. 6100 sei auch eine Abrechnung nach GOZ Nr. 2197 möglich, da dadurch dem Mehraufwand für das Verfahren, der Schmelz-Dentin-Adhäsivtechnik (SDA-Technik), Rechnung getragen werde. Dies sei das Ergebnis des GOZ - Ausschusses der Landeszahnärztekammer Baden - Württemberg, welcher erklärt habe, dass die Leistungsaufzählung bei GOZ Nr. 2197 nicht begrenzt sei, sondern mit jeder durch SDA - Technik erfolgten Grundleistung abgerechnet werden könne. Die gleiche Einschätzung sei auch in einem Fachbeitrag des Zahnärzteblattes Sachsen dargestellt worden. Dieser Argumentation hätten sich zudem auch die Amtsgerichte Recklinghausen (Urteil vom 19.12.2013, 54 C 117/13), Bayreuth (Urteil vom 27.02.2014, 107 C 1090/13) und Pankow/Weißensee (Urteil vom 10.01.2014, 6 C 46/13) sowie das Landgericht Hildesheim (Urteil vom 29.07.2014, 1 S 15/14) angeschlossen. Die beim Arzt erforderlichen Kompetenzen, sowie der Aufwand und die anfallenden Kosten sprächen entschieden dagegen, dass die adhäsive Befestigung bereits in der GOZ Nr. 6100 erfasst sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 28.01.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2014, soweit er die Beihilfefähigkeit der Abrechnung der GOZ Nr. 2197 neben der Nr. 6100 ablehnt, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Abrechnung der GOZ Nr. 2197 neben der GOZ Nr. 6100 anzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid vom 22.07.2014 und auf den Inhalt der Verwaltungsakte.

Die Behandlung des Sohnes der Klägerin hat begonnen. Auf eine von der Klägerin eingereichte Rechnung (einige, aber nicht alle Brackets betreffend) hat der Beklagte mit Bescheid vom 12.10.2015 Aufwendung nach GOZ Nr. 6100 neben Aufwendungen nach GOZ Nr. 2197 erstattet. Der Beklagte erklärte hierzu, dass es sich um ein Versehen gehandelt habe und Rückforderungen geprüft würden. Mit Schreiben vom 29.03.2016 wurde die Klägerin dazu angehört und mit weiterem Schreiben vom 02.05.2016 wurde das Verfahren bis zur Entscheidung durch das Gericht ausgesetzt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird gemäß § 117 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten sowie der Sitzungsniederschrift Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat einen Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der GOZ Nr. 2197 neben der GOZ Nr. 6100, da die Eingliederung eines Klebebrackets mittels Adhäsivtechnik eine nach GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 abrechenbare Leistung darstellt.

1.
Der Anspruch der Klägerin auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Leistungen aus der GOZ Nr. 2197 neben solchen für Leistungen aus der GOZ Nr.  6100 ergibt sich aus § 4 SächsBhVO in allen seit 28.01.2014 geltenden Fassungen i. V. m. § 4 GOZ.

Beihilfefähig sind Aufwendungen für medizinisch notwendige und wirtschaftlich angemessene Maßnahmen, deren Wirksamkeit und therapeutischer Nutzen nachgewiesen sind und für die die Beihilfefähigkeit nicht ausgeschlossen ist, § 4 Abs. 3 Satz 1 SächsBhVO. § 4 Abs. 5 SächsBhVO regelt ergänzend dazu, dass die Angemessenheit für zahnärztliche Aufwendungen sich nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für zahnärztliche Aufwendungen beurteilt.

Die Frage, ob ein Arzt seine Forderung zu Recht geltend macht und insoweit eine ordnungsgemäße Abrechnung vorliegt, ist eine Frage, die nach der Natur des Rechtsverhältnisses im Zivilrechtsweg zu klären ist. Ist ein Beamter zivilgerichtlich zur Begleichung der Honorarforderung des Arztes verurteilt worden, so ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Vergütung angemessen ist im beihilferechtlichen Sinne. Ist eine Entscheidung im Zivilrechtsweg allerdings nicht ergangen, so obliegt es dem Dienstherrn im Rahmen seiner Fürsorgepflicht zu überprüfen, ob die Abrechnung des Arztes dem Beihilferecht entspricht, mithin ob die abgerechneten Leistungen angemessen sind. Bei der behördlichen Entscheidung darüber, ob Aufwendungen notwendig und angemessen sind, handelt es sich nicht um Ermessensentscheidungen, so dass die Entscheidung voller verwaltungsgerichtlicher Kontrolle unterliegt (BayVGH, Urteil vom 06.06.2016, 14 BV 15.527, m. w. N., juris). Da hier ein zivilgerichtlicher Rechtsstreit zur Klärung der streitgegenständlichen Frage nicht anhängig war, ist daher der Beklagte dazu verpflichtet gewesen, zu entscheiden, ob Aufwendungen nach der GOZ Nr. 2197 neben denen der GOZ Nr. 6100 abgerechnet werden können. Hierbei hat der Beklagte auch die ergangene zivilgerichtliche Rechtsprechung zu beachten, da er ansonsten fürsorgepflichtwidrig die Klägerin in einen aussichtslosen Zivilprozess triebe. Zwar hat der Bundesgerichtshof die hier streitgegenständliche Frage (noch) nicht höchstrichterlich geklärt, doch ist diese letztlich nicht umstritten, da eine Vielzahl von Amts- und Landgerichten sich mit dieser Frage beschäftigt haben und zu dem Ergebnis gekommen sind, dass beide Gebührennummern nebeneinander berechnet werden können (vgl. BayVGH, Urteil vom 06.06.2016, a. a. O, m. w. N.).

Der von der Mehrheit der Zivilgerichte vertretenen Auffassung, die mittlerweile auch verwaltungsgerichtlich bestätigt ist (BayVGH, Urteil vom 06.06.2016, a. a. O.; VG Münster, Urteil vom 17.02.2016, 5 K 1880/15, m. w. N., juris), wonach bei Eingliederung eines Klebebrackets mittels Adhäsionstechnik neben Aufwendungen für Leistungen nach GOZ Nr. 6100 auch Leistungen nach GOZ Nr. 2197 abgerechnet werden können, ist zu folgen.

Gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 GOZ kann der Zahnarzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ definiert, dass eine Leistung methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung ist, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt ist. Grundvoraussetzung für die Abrechenbarkeit der GOZ Nr. 2197 neben der Nr. 6100 ist also, dass es sich bei der adhäsiven Befestigung um eine selbstständige zahnärztliche Leistung handelt. Ob die adhäsive Befestigung von Brackets bereits in der GOZ Nr. 6100 umfasst ist, ist durch Auslegung der GOZ zu ermitteln.

Der Wortlaut der GOZ Nr. 6100 ist hierzu nicht eindeutig. GOZ Nr. 6100 formuliert als Leistung die "Eingliederung eines Klebebrackets zur Aufnahme orthodontischer Hilfsmittel". Anhand des Satzbaus ist davon auszugehen, dass es bei der Leistung vorrangig um die "Eingliederung" an sich geht, ohne dass gesondert aufgenommen ist, wie diese Eingliederung erfolgen soll. Auch wenn der Gesetzgeber die Formulierung "Klebebrackets" gewählt hat, bleibt offen, mit welcher Methode die Befestigung erfolgt. Dementsprechend kann grundsätzlich auch der Argumentation des Beklagten gefolgt werden, dass aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Adhäsivtechnik um die Standardmethode zur Befestigung handele, diese Leistung auch bereits von GOZ Nr. 6100 umfasst sei. Die Befestigung der Brackets ist allerdings auf verschiedene Arten möglich, so können diese wahlweise mittels der Adhäsivtechnik oder auch durch Zementieren aufgebracht werden. Folglich ist das Aufbringen durch die Adhäsivtechnik möglicherweise die heute standardmäßige verwendete Form des Aufbringens, jedoch nicht die einzige. Es ist ebenso gut möglich, dass die Brackets mithilfe von Zement befestigt werden, auch wenn dies - wie der Beklagte selbst einwendet - nicht mehr dem zahnärztlichen Stand der Wissenschaft entspricht. Der Einwand des Beklagten, die Begriffe "Adhäsivtechnik" und "Klebetechnik" würden synonym verwendet, mag korrekt sein. Allerdings ist damit nicht zwangsläufig auch verbunden, dass die Begriffe in beide Richtungen synonym verwandt werden. Auch der Wortlaut der GOZ Nr. 2197, "Adhäsive Befestigung (plastischer Aufbau, Stift, Inlay, Krone, Teilkrone, Veneer etc.)", ist nicht eindeutig. Erfasst ist kein Behandlungsziel, sondern eine Technik, die einen gewissen Mehraufwand mit sich bringt. Deutlich wird, dass der Gesetzgeber lediglich beispielhaft und offen aufzählt, bei welchen Behandlungen die Adhäsivtechnik angewandt werden kann ("… etc."). Es handelt sich hierbei ganz offensichtlich nicht um eine geschlossene Aufzählung, so dass auch das Einbringen der Klebebrackets umfasst sein kann. Dem steht auch nicht die Argumentation des Beklagten entgegen, die in der GOZ Nr. 2197 aufgeführten Beispiele seien keine mit dem Einbringen von Klebebrackets vergleichbaren Leistungen. Denn hätte der Gesetzgeber die Anwendung der GOZ Nr. 2197 auf Methoden beschränken wollen, die mit den aufgezählten Methoden vergleichbar sind, so hätte er die Formulierung "oder vergleichbare" wählen können. Letztlich ist aber auch dieser Wortlaut nicht eindeutig hinsichtlich der Frage, ob GOZ Nr. 2197 bei der adhäsiven Befestigung von Brackets angewandt werden kann oder, wie der Beklagte meint, eine Anwendung ausgeschlossen ist.

Die systematische Auslegung lässt allerdings den Schluss zu, dass der Gesetzgeber von der Abrechenbarkeit der GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 ausgeht. Bei diversen Gebührennummern - so u. a. GOZ Nr. 5150 (Anpassung einer Brücke) oder GOZ Nr. 2120 (Präparieren einer Kavität mit Kompositmaterialien) - hat der Gesetzgeber ausdrücklich die Ausführung mittels Adhäsivtechnik in der Leistungsbeschreibung aufgenommen. Damit kann bei diesen Leistungen die GOZ Nr. 2197 nicht gesondert abgerechnet werden. Die GOZ Nr. 6100 enthält diesen Zusatz allerdings nicht, es ist lediglich von "Klebebrackets" die Rede. Daher steht aus dem Umkehrschluss fest, dass die GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 anwendbar ist.

Auch Sinn und Zweck des Gesetzes sprechen dafür, GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 anzuwenden. Mit der Änderung des Gebührenverzeichnisses verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, dieses an die medizinische und technische Entwicklung anzupassen (vgl. BT - Drs. 566/11, 11.09.2011, S.1). Eine gesetzgeberische Klarstellung dahingehend, dass GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 nicht anwendbar sei, etwa durch entsprechende Formulierungen in GOZ Nr. 6100, ist indes nicht erfolgt. Wäre es dem Gesetzgeber daran gelegen gewesen, den durch das Aufbringen der Brackets durch Adhäsivtechnik entstehenden Mehraufwand nicht zusätzlich zu vergüten, so hätte er eine entsprechende Formulierung in GOZ Nr. 6100 aufgenommen. Aus der Tatsache, dass dies unterblieben ist, kann wiederum geschlossen werden, dass die adhäsive Befestigung auch nicht von GOZ Nr. 6100 umfasst sein soll. Für diese Sichtweise spricht auch die Betrachtung der GOZ Nummern, in denen die Adhäsivtechnik explizit aufgeführt wird: so unterscheidet sich GOZ Nr. 2050 von GOZ Nr. 2060 grundsätzlich nur dadurch, dass in GOZ Nr. 2060 die Adhäsivtechnik aufgenommen ist. Vergleicht man dann die Punktzahlen beider Nummern, so übersteigt die Punktzahl der GOZ Nr. 2060 die der GOZ Nr. 2050 um 314 Punkte, wodurch ganz offensichtlich der Mehraufwand abgegolten werden soll. Würde man also davon ausgehen, dass in GOZ Nr. 6100 bereits die Adhäsivtechnik beinhaltet ist und mittels Kontrollrechnung die Punktzahlen vergleichen, so blieben bei einem Abzug der Punktzahl von 130 Punkten der GOZ Nr. 2197 von den 165 Punkten der GOZ Nr. 6100 lediglich 35 Punkte für alle außerhalb der Adhäsivtechnik durchgeführten Leistungen im Rahmen des Eingliederns von Klebebrackets. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 GOZ beträgt ein Punktwert 5,62421 Cent. Damit verblieben bei einem Gebührensatz von 1,0 nur 1,97 €. Bei einem gemäß § 4 Abs. 2 Satz 4 GOZ durchschnittlichen Gebührensatz von 2,3 verblieben noch 4,53 € pro Zahn für sämtliche weitere Leistungen, Materialien etc., die für das Eingliedern der Klebebrackets notwendig sind. Entgegen der Auffassung des Beklagten spricht dies dafür, dass der Gesetzgeber die GOZ Nr. 2197 nicht bereits als in der GOZ Nr. 6100 eingeschlossen betrachtet hat. In Zusammenschau dieser Erwägungen ist damit davon auszugehen, dass die GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 angewandt werden kann.

2.
Gemäß § 10 SächsBhVO ist Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für ambulante zahnärztliche Leistungen zusätzlich, dass diese aus Anlass einer Krankheit entstanden sind, wobei § 12 SächsBhVO ergänzend für kieferorthopädische Leistungen als Voraussetzungen regelt, dass Beihilfefähigkeit dann vorliegt, wenn bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet ist oder bei schweren Kieferanomalien eine kombinierte kieferchirurgische oder kieferorthopädische Behandlung notwendig ist und die Festsetzungsstelle vor Beginn der Behandlung die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen auf der Grundlage eines vorgelegten Heil- und Kostenplanes dem Grunde nach anerkannt hat. Ausweislich des von der Klägerin bei der Beklagten eingereichten Heil- und Kostenplanes ist bei ihrem (zu Beginn der Heilbehandlung) minderjährigen Sohn eine kieferorthopädischen Behandlung aus medizinischen Gesichtspunkten zwingend notwendig, was der Beklagte im Übrigen auch nicht bestreitet.

Damit hat die Klägerin im Ergebnis einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die Abrechenbarkeit der GOZ Nr. 2197 neben der GOZ Nr. 6100 anerkennt.

Als Unterlegener trägt der Beklagte die Kosten gemäß § 154 Abs.1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 167 VwGO i. V. m § 709 Satz 2, § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

Die Berufung wird nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Die Frage der Anwendbarkeit der GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 bei der Eingliederung von Klebebrackets stellt sich in einer Vielzahl von Fällen und bedarf einheitlicher Rechtsanwendung.

Beschluss :
Der Streitwert wird auf EUR 349,86 festgesetzt.

Gründe:
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 1 und 2 GKG und entspricht der Höhe des Betrages, der bei Anerkennung der Abrechnungsfähigkeit der GOZ Nr. 2197 neben GOZ Nr. 6100 unter Berücksichtigung des Beihilfebemessungssatzes von 80 % von der Beklagten zu zahlen wäre.

 

 

 


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