Plakatierung im Wartezimmer für Dritte

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Legt die Art der Werbung in Form von Werbeplakaten im Wartezimmer sowie ausliegenden Werbebroschüren und Visitenkarten nahe, dass keine sachlichen oder auf dem Gebiet der Medizin liegenden Gründe für die Verweisung an den bestimmten Leistungserbringer maßgeblich sind, sondern vielmehr merkantile Gesichtspunkte im Vordergrund stehen, stellt die Werbung für Dritte eine unzulässige Verweisung dar.

Urteilstext


Tenor

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Einzelfall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens jedoch zwei Jahre, zu unterlassen, im Wettbewerb handelnd Patienten ohne hinreichenden Grund an die Firma E Optik zu verweisen, insbesondere wenn dies durch Plakatwerbung im Wartezimmer und/oder Auslegung von Werbeflyern und Visitenkarten am Empfang der Praxis und/oder Aushändigung von Gutscheinen geschieht, gegen deren Vorlage dem Patienten beim Kauf einer Brille ab EUR 350,00 bei E Optik EUR 65,00 angerechnet werden.

Der Beklagte wird ferner verurteilt, an den Kläger EUR 189,00 nebst Zinsen in Höhe von Fünf-%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.01.2007 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 10.000,00 vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Der Beklagte betreibt in I als Augenarzt eine Praxis, in deren Wartezimmer ein großes Werbeplakat der Firma E Optik ( Inhaberin ist nach Angaben des Beklagtenvertreters im Termin die Ehefrau des Beklagten ) aushing. Zudem legte er am Empfang Werbebroschüren und Visitenkarten, ebenfalls für die Firma E Optik, aus.
Darüber hinaus übergab der Beklagte zumindest an zwei seiner Patienten Gutscheine der oben genannten Firma, in denen folgendes angeboten wurde: "E Optik übernimmt die Kosten für die HRT/RTA - Untersuchung in der Höhe vom EUR 65,00. Beim Kauf einer Brille ab EUR 350,00 werden EUR 65,00 angerechnet."

Am 21.08.2007 mahnte der Kläger den Beklagten dahingehend ab, dass er diese Maßnahmen unterlassen solle und forderte ihn auf, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung zu unterzeichnen, was der Beklagte jedoch unterließ.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass der Beklagte mit den von ihm betriebenen Maßnahmen gegen § 4 Nummer 11 UWG i. V. m. § 34 Abs. 5 BOÄ NRW verstoße und dies wegen des in § 3 UWG geregelten Verbots des unlauteren Wettbewerbs zu unterlassen habe.

Zudem meint er, einen Anspruch auf Ersatz der ihm entstandenen erforderlichen Aufwendungen in Höhe von EUR 189,00 gemäß § 12 Abs. 1 Ziffer 2 UWG für die am 21.08.2006 erfolgte Abmahnung zu haben.

Der Kläger beantragt daher,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden einzelnen Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu EUR 250.000,00 - ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, insgesamt höchstens jedoch zwei Jahre, zu unterlassen,

im Wettbewerb handelnd Patienten ohne hinreichenden Grund an die Firma E Optik zu verweisen, insbesondere wenn dies durch Plakatwerbung im Wartezimmer und/ oder Auslegung von Werbeflyern und Visitenkarten am Empfang der Praxis und/oder Aushändigung von Gutscheinen geschieht, gegen deren Vorlage dem Patienten beim Kauf einer Brille ab EUR 350,00 bei der Firma E Optik EUR 65,00 angerechnet werden.

Der Kläger beantragt ferner,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 189,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 20.01.2007 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Dazu führt er aus, dass seiner Ansicht nach kein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 34 Abs. 5 BOÄ NRW vorliege. Vielmehr entfalle hier das Verbot der Verweisung an bestimmte Leistungserbringer wegen medizinischer und insbesondere sachlicher Gründe, wie die Qualität der Versorgung, die Vermeidung von Wegen bei gehbehinderten Patienten und schlechte Erfahrungen mit anderen Anbietern. Zu den genannten sachlichen Gründen kämen auch noch wirtschaftliche Beweggründe der Gestalt hinzu, dass bestimmte Anbieter im Vergleich bessere Angebote für seine Patienten hätten.

Wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig ( I.) und in der Sache begründet (II.).

I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist der Kläger klagebefugt wie aktiv- legitimiert im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG als Verband zur Förderung gewerblicher Interessen zur Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach Maßgabe des UWG.

II.
Die Klage ist im Hinblick auf den Anspruch auf Unterlassung begründet, denn der Beklagte verstößt dadurch, dass er ohne hinreichenden Grund seine Patienten an die Firma E Optik verweist, gegen die gesetzliche Vorschrift aus § 34 Abs. 5 BOÄ NRW und handelt damit zugleich wettbewerbswidrig i.S.d. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG.

1.
§ 34 BOÄ NRW stellt eine gesetzliche Vorschrift im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG dar, denn sie bewahrt durch ihre Schutzfunktion unter anderem vor einer über das medizinisch notwendige Maß hinausgehenden ärztlichen Einflussnahme auf den Wettbewerb zwischen den nichtärztlichen Leistungserbringern und dient damit auch dazu, das Marktverhalten im Interesse der Marktteilnehmer zu regeln.

2.
Gleichzeitig wird den Ärzten aber gemäß § 34 Abs. 5 BOÄ NRW trotzdem gestattet, Patienten an bestimmte Leistungserbringer zu verweisen. Diese Verweisung ist aber dann zu unterlassen, wenn ein hinreichender Grund dafür fehlt.

Dem Vorbringen des Beklagten ist aber weder zu entnehmen, dass die Qualität der Versorgung seiner Patienten mit entsprechenden Brillengläsern einzig durch die Firma E Optik geleistet werden kann, noch, dass er seine Patienten zwecks Vermeidung von Wegen aufgrund von Gehbehinderungen an das Optikergeschäft im Erdgeschoss seines Praxishauses verweist, geschweige denn, das er von seinen Patienten um die Versorgung durch ihn selbst und die Firma E Optik gebeten wurde.

Des weiteren stellt der Beklagte auch nicht ausreichend dar, dass er seinen Patienten das Angebot des Leistungserbringers E Optik empfehlen und weitergeben kann, weil es in fachlicher oder wirtschaftlicher Hinsicht aus vergleichbaren Angeboten anderer ortsansässiger Optiker erkennbar herausragt und deutliche Vorteile diesen gegenüber verspricht.

Der Beklagte zeigt ebenfalls nicht in ausreichender Form auf, dass andere ortsansässige Optikergeschäfte, obwohl es seiner Erfahrung nach "leider all zu oft vorkommt", seine ärztlichen Anweisungen nicht befolgen und von seiner Verordnung abweichende Maßnahmen treffen und er gerade auf Grund dieser schlechten Erfahrungen zwingend auf die Firma E Optik zurückgreifen müsse.

Vielmehr legt die Art der Werbung in Form von Werbeplakaten im Wartezimmer sowie ausliegenden Werbebroschüren und Visitenkarten nahe, dass keine sachlichen oder auf dem Gebiet der Medizin liegenden Gründe für die Verweisung an den bestimmten Leistungserbringer maßgeblich sind, sondern vielmehr merkantile Gesichtspunkte, die gerade durch die Verbotsvorschrift vom Heilauftrag des Arztes getrennt werden sollen. Die vom Beklagten gewählten Werbeträger wenden sich an jeden Patienten, der den Beklagten aufsucht, ohne das erkennbar ist, dass auf einen medizinischen oder sachlichen Grund abgehoben wird. Das es im vorliegenden Fall um merkantile Gesichtspunkte geht belegt auch eindeutig die Tatsache, in welcher Weise der Beklagte mit der Firma E Optik verbunden ist, als Inhaberin dieser Firma die Ehefrau des Beklagten ist.

Der zur Entscheidung stehende Sachverhalt hebt sich wegen der hier eingesetzten Werbeträger auch deutlich von dem durch das OLG Celle ( WRP 2007, 198 ff. ) zu beurteilenden Fall ab, als dort nur zur Sicherung einer bestmöglichen und gesicherten Versorgung ( bestimmte Sehstörungen oder vergleichbare Schwierigkeiten ) oder wegen eines verkürzten Versorgungsweges ( Alter / Gehbehinderung ) eine Verweisung von bestimmten Patienten an einen Augenoptiker erfolgt ist.

3.
Es besteht auch weiterhin die Gefahr, dass der Beklagte die Verstöße wiederholt, denn die durch den zumindest zweimalig erfolgten Verstoß entstandene tatsächliche Vermutung hat der Kläger nicht durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung widerlegt.

4.
Hinsichtlich des Anspruchs auf Zahlung des Aufwendungsersatzes in Höhe von EUR 189,00 ist die Klage ebenfalls begründet, denn die dem Beklagen vorgerichtlich übersandte Abmahnung war aus den vorstehend genannten Gründen berechtigt.

5.
Der Anspruch auf Zahlung der Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz besteht gem. §§ 280, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 709 Satz 1 ZPO.


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