Analoge Berechnung der intrakoronalen und intrakanalären Diagnostik (IKD)

Gericht: Amtsgericht Ludwigsburg | Aktenzeichen: 8 C 1040/16 | Dokumententyp: Urteil | Rechtskraft: unbekannt
Paragraphen: § 6 - Gebühren für andere Leistungen
Gebührennummern: 2390, 2410, 2440, 4090

Leitsatz der Bundeszahnärztekammer zum Urteil

Bei einer intrakoronalen und intrakanalären Diagnostik (IKD) handelt es sich um eine selbständige zahnärztliche Leistung, die gemäß § 6 Abs. 1 GOZ analog zu berechnen ist.

Urteilstext


Tenor

1.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 746,22 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus EUR 1.246,22 seit dem 07.08.2014 bis 19.07.2016 sowie aus einem Betrag in Höhe von EUR 746,22 seit dem 10.07.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 8 % und der Beklagte 92 %.

3.
Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.

Für den Beklagten ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


Tatbestand

Der Kläger, der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg ist, begehrt von dem privat krankenversicherten Beklagten die Bezahlung von Zahnarzthonorar.

Am 17.02.2014 schlossen die Parteien einen Behandlungsvertrag über privatärztliche Versorgung mit individuellen Gesundheitsleistungen (K 6, BI. 64 d. A.) ab und unterzeichnete der Beklagte das Schriftstück "Information zur Privatliquidation" (K 7, BI. 65 d. A.). Im Zeitraum 23.04.2014 bis zum 03.06.2014 unterzog sich der Beklagte einer zahnärztlichen Behandlung.

Mit Rechnung vom 25.06.2014 (K 1, BI. 16 - 20 d. A.) rechnete der Kläger die mangelfrei erbrachten Behandlungsmaßnahmen ab. Die Rechnung wurde zunächst durch die private ärztliche Abrechnungssteile, an welche der Kläger den Anspruch gegen den Beklagten abgetreten hatte, geltend gemacht und angemahnt. Nachdem keine Zahlungen eingingen, trat die Abrechnungssteile die Forderung wieder an den Kläger ab.

Der Kläger trägt vor,

der Beklagte sei zur Bezahlung der streitgegenständlichen Rechnung verpflichtet. Soweit der Regelsteigerungssatz überschritten wurde, sei dies zurecht erfolgt und auch ausreichend begründet worden. Sämtliche Gebührenziffern seien berechtigterweise in Ansatz gebracht worden.

Nachdem der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 05.07.2016 die Klageforderung in Höhe eines Betrages von EUR 500,00 anerkannt hatte, bezahlte er diesen Betrag mit Zahlungseingang am 20.07.2016, woraufhin die Parteien den Rechtsstreit in Höhe von EUR 500,00 übereinstimmend für erledigt erklärten, so dass der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger einen Betrag in Höhe von EUR 850,51 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.350,51 Euro seit dem 07.08.2014 bis 19.07.2016 sowie aus einem Betrag in Höhe von EUR 850,51 seit dem 20.07.2016 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor,

die Behandlung sei entgegen seines geäußerten Wunsches, vorab einen Kostenvoranschlag zu erhalten, durchgeführt worden. Die Honorarvereinbarung vom Februar sei bei einer über drei Monate später stattfindenden Behandlung nicht mehr bindend. Unzutreffenderweise seien drei Wurzelkanäle abgerechnet worden, obwohl insgesamt nur zwei behandelt worden seien. Die Ziffern 4090, 2440a und 2410a seien unberechtigterweise in Ansatz gebracht worden. Die Begründungen für die Erhöhung des Regelsteigerungsatzes seien nicht ausreichend. Dass tatsächlich eine Abweichung vom Durchschnittlichen vorlag, die den Ansatz eines höheren Steigerungsfaktors rechtfertige, sei für ihn nicht zu erkennen gewesen, zumal er auf besondere Schwierigkeiten während der Behandlung nicht hingewiesen worden sei. Auch der zweimalige Ansatz der Ziff. Ä5004 sei nicht nachvollziehbar.

Es wurde Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten von Herrn ... vom 18.01.2017 (BI. 87 - 105 d. A.) sowie auf die Erläuterung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung vom 14.03.2017 (vgl. Sitzungsprotokoll vom 14.03.2017, BI. 121 - 123 d. A.) Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil auch begründet.

I.
Der Kläger hat gegen den Beklagten gem. § 630 a Abs. 1 BGB Anspruch auf Zahlung von noch EUR 746,23 an zahnärztlichem Honorar.

1.
Unstreitig hat der privat krankenversicherte Beklagte am 17.02.2014 über bestimmte zahnärztliche Maßnahmen eine Honorarvereinbarung abgeschlossen und war darüber informiert worden, dass der Regelsatz überschritten werden kann und es möglich sein kann, dass die Kosten nicht vollständig von seiner Krankenversicherung erstattet werden, so dass er den eventuellen Differenz betrag erstatten muss (K 6, K 7).

Soweit der Beklagte vorträgt, er habe vor Durchführung der Behandlung um die Erstellung eines Kostenvoranschlages zur Einreichung bei seiner Krankenversicherung gebeten, was der Kläger nicht gemacht habe, ist dieses Vorbringen nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn der Beklagte diesen Wunsch geäußert hätte, was von Klägerseite bestritten wurde, dann ist es allein Sache des Beklagten sich bei seiner privaten Krankenversicherung wegen einer Kostenübernahme rückzuversichern. Lässt er nach Unterzeichnung einer Honorarvereinbarung und in Kenntnis, dass eine Kostenübernahmeerklärung seiner Versicherung nicht vorliegt, die Behandlung durchführen, dann muss er auch die Kosten, die nicht von seiner Versicherung erstattet werden, bezahlen. Wieso die etwas über drei Monate vor dem Eingriff unterzeichnete Honorarvereinbarung im Hinblick auf den Zeitablauf nicht mehr bindend sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Es ist vielmehr so, dass der Beklagte im Hinblick auf den Zeitablauf ausreichend Überlegungszeit hatte, ob er den Eingriff in Kenntnis, dass es sein kann, dass nicht alle Kosten von seiner Krankenversicherung erstattet werden, durchführen lässt.

2.
Ausweislich den überzeugenden und in sich stimmigen Ausführungen des Sachverständigen steht hinsichtlich der vom Beklagten gerügten Mängel der Abrechnung vom 25.06.2014 zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Ziff. 2440a nur einmal, die Ziffer 2410a lediglich zum Faktor 2,3 und die Ziffer 4090a nicht hätte berechnet werden dürfen, im Übrigen die Abrechnung aber nicht zu beanstanden ist.

Demnach war die streitgegenständlichen Rechnungen bei der Ziffer 2440a die insgesamt dreimal mit insgesamt EUR 113,12 abgerechnet wurde, um EUR 74,41 zu kürzen. Die Ziffer 2410a, die mit einem Faktor von 2,5987 berechnet wurde, war mit dem Faktor 2,3 zu berechnen, so dass diese Position um EUR 19,76 zu kürzen war. Die Ziffer 4090a, die mit EUR 10,12 berechnet wurde, war herauszurechnen.

Demzufolge berechnet sich das vom Kläger zu beanspruchende Honorar von insgesamt EUR 1.350,51 unter Berücksichtigung der vom Beklagten geleisteten Teilzahlung in Höhe von EUR 500,00 mit noch EUR 746,22.

Im Einzelnen:


a)
Ziffer 2440a GOZ:
Vorliegend handelt es sich um eine Analogberechnung nach der GOZ. Gemäß § 6 GOZ können selbständige zahnärztliche Leistungen, die in das Gebührenverzeichnis nicht aufgenommen sind, entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung des Gebührenverzeichnisses dieser Verordnung berechnet werden. Sofern noch eine nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertige Leistung im Gebührenverzeichnis dieser Verordnung nicht enthalten ist, kann die selbständige zahnärztliche Leistung entsprechend einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung der in Abs. 2 genannten Leistungen des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Ärzte berechnet werden.

Der Sachverständige hat dargelegt, dass es sich bei der mit dieser Ziffer abgerechneten intrakoronalen und intrakanalären Diagnostik (IKD) um eine selbständige zahnärztliche Leistung handelt, die in der GOZ nicht aufgeführt und die gemäß § 6 Abs. 1 GOZ mit einer nach Art, Kosten- und Zeitaufwand gleichwertigen Leistung analog berechnet werden kann, wenn es sich um eine eigenständige intrakoronale und intrakanaläre Diagnostik handeln. Dies ist abzugrenzen davon, dass das Mikroskop nur unterstützend bei der OP eingesetzt wird, was durch den Ansatz der GOZ- Zuschlagsnummer 0110 abzurechnen ist. Nachdem der Sachverständige nach Durchsicht der Karteiführung keine Anhaltspunkte dafür gefunden hat, die eine selbständige Berechnung des Mikroskopeinsatzes rechtfertigen, kam er in seinem schriftlichen Gutachten zu dem Ergebnis, dass lediglich der Zuschlag gemäß Ziffer 0110 GOZ berechnungsfähig ist. Der Kläger hat jedoch mit Schriftsatz vom 13.02.2017 Gründe dargelegt, die ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung eine selbständige Berechnung des Mikroskopeinsatzes rechtfertigen. Durch die mikroskopische Darstellung der Gestalt, Lage und "Geometrie" der bereits bekannten Wurzelkanäle konnte ein bisher nicht diagnostizierter akzessorischer Kanal gefunden und verfüllt werden. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass die selbständige Abrechnung des IKD-Verfahrens pro Diagnostik erfolgt und demnach die Ziffer nur 1 Mal in Ansatz gebracht hätte werden dürfen. Der Umstand, dass bei dem Beklagten insgesamt 3 Kanäle untersucht wurden, rechtfertigt nicht den dreimaligen Ansatz des IKD-Verfahrens, da dieses nicht pro untersuchtem Kanal, sondern pro Diagnostik in Ansatz zu bringen ist. Der Umstand, dass insgesamt 3 Kanäle untersucht wurden, ist beim Steigerungsfaktor zu berücksichtigen, da sich dies letztendlich auf den betriebenen Zeitaufwand auswirkt, sodass der Sachverständige den angesetzten Steigerungsfaktor von 2,5986 für angemessen erachtet.

b)
Ziffer 2410a:
Auch hier erfolgt eine Analogberechnung. Der Sachverständige hat dargelegt, dass die Laserbehandlung nur dann selbständig abrechenbar ist, wenn mit erheblichem Aufwand im Sinne einer selbständigen Leistung die Oberflächenmorphologie der Kanalinnenwand bearbeitet (verglast) und dadurch dekontaminiert wurde und nicht nur adjuvant eine zusätzliche Laserdekontamination im Sinne der GOZ-Nr. 0120 vorgenommen wurde. Somit hat der Sachverständige ausgeführt, dass die Formulierungen in der streitgegenständlichen Liquidation, die explizit auf die Dekontamination hinweist, den Schluss zulässt, dass hier eine aufwändige, als selbständige Behandlungsmaßnahme einzustufende Oberflächenbearbeitung der aufbereiteten retrograden Kanalabschnitte erfolgt ist, die analog je Kanal, also in tuto hier 3 Mal berechnet werden kann. Im Übrigen sei der behandelte Zahn mit vorausgegangener Wurzelbehandlung und Sedierung auch als therapieresistent einzustufen, sodass die Indikation einer gesonderten Laserdekontamination nachvollzogen werden kann. Weiter hat der Sachverständige dargelegt, dass auch tatsächlich 3 Kanäle verfüllt wurden, drei äußere sowie ein akzessorischer Kanal. Dass es sich bei einem Kanal um einen akzessorischen Kanal handelt, ändert nichts daran, dass insgesamt 3 Kanäle verfüllt wurden und damit auch abgerechnet werden können.

Der Sachverständige hat jedoch weiter dargelegt, dass weder die in der Liquidation angegebene Begründung noch die Begründung aus dem Schriftsatz der Klageseite vom 13.02.2017 eine Überschreitung des Regelsatzes

rechtfertigt. Insoweit hat der Sachverständige ausgeführt, dass weder eine Trockenlegung noch eine Isolation bei dieser Behandlungsmaßnahme notwendig ist und bei einem retrograden Einsatz bei einem oberen Zahn 16 die Speichelproduktion ebenfalls als wenig relevant erscheint. Mit Schriftsatz der Klägerseite vom 13.02.2017 seien lediglich Gründe vorgetragen, die den Ansatz eines erhöhten Steigerungsfaktors bei der IKD-Behandlung, Ziffer 2440a, rechtfertigen. Es wurden jedoch keine Umstände dargelegt, woraus sich besondere Schwierigkeiten bei der Laseranwendung ergeben, was jedoch für den Ansatz eines erhöhten Steigerungsfaktors erforderlich gewesen wäre.

c)
Ziffer 4090a:
Auch hier erfolgt eine Analogberechnung. Der Sachverständige hat dargelegt, dass keine Ansatzpunkte vorhanden sind, dass eine "Full Mouth Desinfection" (FMD) tatsächlich beim Beklagten durchgeführt wurde, die eine analoge Abrechnung der Ziffer 4090a rechtfertigen würde. Der Sachverständige hat lediglich Anhaltspunkte, dass eine "Mundraumspüldesinfektion" durchgeführt wurde, welche jedoch nicht gesondert berechnungsfähig ist. Im Hinblick darauf, dass eine tatsächliche Durchführung einer "FMD" mindestens 15 Minuten dauert, spricht auch der Ansatz einer analogen Honorarhöhe von EUR 10,12 aus betriebswirtschaftlicher Sicht bereits gegen eine tatsächliche Durchführung einer "FMD".

d)
Zweifacher Ansatz der Ziffer Nr. 5004 GOÄ:
Der Sachverständige hat dargelegt, dass nachweislich 2 Orthopantomogramme gefertigt wurden. Die präoperative Aufnahme ist ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen zur Operation zwingend notwendig, die postoperative im Sinne einer qualitätssichernden Kontrolle ist dringend zu empfehlen, sodass an der korrekten Berechnung dieser Aufnahmen durch den zweimaligen Ansatz der Ziffer 5004 GOÄ keine Zweifel bestehen.

e)
Soweit in der Rechnung ein erhöhter Steigerungssatz bei den Ziffern 5004 GOÄ, 0090 GOZ, 0100 GOZ, 3120 GOZ und 2410 GOZ angesetzt wurde, ist dies ausweislich der Ausführungen des Sachverständigen ausreichend begründet und angemessen. Insoweit wird auf die Ausführungen des Sachverständigen in seinem Sachverständigengutachten vom 18.01.2017 unter Ziffer 4 (BI. 98/99 d. A.) Bezug genommen.

Eine Verpflichtung des Zahnarztes, den Patienten während der Behandlung auf Besonderheiten/ Schwierigkeiten hinzuweisen, die den Ansatz eines erhöhten Steigerungsfaktors rechtfertigen ist, nicht ersichtlich.

3.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB, nachdem die Bezahlung der streitgegenständlichen Rechnung mit Mahnschreiben der Abrechnungsstelle vom 30.07.2014 unter Fristsetzung bis 06.08.2014 angemahnt worden war.

II.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91a, 92 Abs.1, 708 Nr.11, 709, 711 ZPO.


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